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Infektionsschutzgesetz und einrichtungsbezogene Impfpflicht – von der Politik angeführte Ziele nicht mehr im Einklang

(c) NikVector/Shutterstock.com

Angesichts der weltpolitischen Entwicklung stand in den vergangenen Wochen, trotz der extrem hohen Inzidenzzahlen, die Covid-19-Pandemie nicht im Fokus der medialen Beachtung. Dennoch ist viel passiert beziehungsweise beschlossen worden, das wegen seiner Wirkung in die Bevölkerung hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Pandemie kritisch beobachtet werden muss.

So wurde zwischenzeitlich die einrichtungsbezogene Meldung über fehlende oder zweifelhafte Impf- oder Genesenen-Nachweise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen bei den Gesundheitsämtern wirksam. An dieser Stelle sei ausdrücklich daran erinnert, dass diese einrichtungsbezogene Impfpflicht mit der Begründung eingeführt wurde, insbesondere die vulnerablen Bevölkerungsgruppen vor einer möglichen Infektion zu schützen.

Impfpflicht für wenige, Aufhebung fast aller Schutzmaßnahmen für alle

Gleichzeitig und gegen den Ratschlag zahlreicher Experten angesichts der nie dagewesenen Zahl der (dokumentierten und nicht dokumentierten) Neuerkrankungen hat die Bundesregierung entsprechende Lockerungsmaßnahmen vorgelegt. Diese Maßnahmen hat der Bundestag mit Wirksamwerden am 20. März 2022 in den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Diese Änderungen sind auch gegen den unwirksamen Widerstand in die entsprechenden Landesverordnungen der Bundesländer eingeflossen. An einigen präventiven Maßnahmen, wie Masken oder betrieblichen Hygienekonzepten, auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung wird zwar weiterhin festgehalten, aber die bisherige Testverpflichtung für das Praxispersonal und Besucher zum Beispiel ist weggefallen. Eine Entscheidung, die weder logisch erklärbar noch in irgendeiner Form mit den angestrebten Zielen in Einklang zu bringen ist.

Impfung wirkt anders als ursprünglich von vielen erhofft

Zwar ist man anfänglich im Rahmen der Entwicklung der Impfstoffe im besten Fall davon ausgegangen, dass mit Einsatz einer Impfung die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion deutlich gesenkt werden kann. Mittlerweile wissen wir aber, insbesondere im Zusammenhang mit der Omikronwelle, dass dies so nicht funktioniert. Der bedeutende Effekt einer Impfung als auch der Boosterung liegt vielmehr in der Senkung des Risikos für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung.

Im Klartext bedeutet dies: Jeder Geimpfte/Geboosterte kann weiterhin erkranken und auch gleichzeitig Überträger des Virus sein. Zusätzlich zeigt sich, dass auch zahlreiche Infektionen völlig symptomlos verlaufen. Wie will man nun in einer Gesundheits- oder Pflegeeinrichtung ohne Testung wissen, ob nicht auch ein Geimpfter symptomloser Überträger eine Infektion auf die vulnerable Bevölkerungsgruppe sein kann?

Zweifel an echter Handlungsfähigkeit

Und wir haben nun in dieser Situation Gesetze, Verordnungen und politische Diskussionen, die an echter Handlungsfähigkeit zweifeln lassen – im Bund und in den Bundesländern.

Unklar ist in der gegenwärtigen Situation weiterhin, wo sich die Menschen so zahlreich infizieren oder welche präventiven Maßnahmen nicht beachtet werden oder vielleicht wirkungslos sind. Forschungsergebnisse dazu – nach wie vor Fehlanzeige. Auch können weder das Bundesgesundheitsministerium noch das Robert-Koch-Institut auf Grund der heterogenen Situation in den anderen Ländern auf internationale Daten zurückgreifen.

Ein Expertenrat, der nicht gehört wird

Vor diesem Hintergrund wird im Bundestag nun auch die Diskussion zur allgemeinen Impfpflicht geführt. Zwar hat man richtigerweise einen Expertenrat zu Sars-CoV 2/Covid-19 für die Bundesregierung installiert, aber die Stellungnahmen – ich will dabei insbesondere auf die 5. Empfehlung verweisen – finden in dieser Diskussion keinerlei Beachtung.

„Wir werden uns viel verzeihen müssen“ war eine Aussage von Bundesgesundheitsminister a.D. Jens Spahn. Dies gilt uneingeschränkt auch unter dem neuen Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach. Nur wie viel kann man verzeihen?

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Reuterstadt Stavenhagen

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich
Foto: BZÄK/Lopata
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich (Jahrgang 1956) studierte Zahnmedizin in Rostock und war von 1981 bis 1990 in der Poliklinik für Stomatologie des Kreiskrankenhauses Malchin tätig. Nach der Wiedervereinigung ließ er sich am 1. Februar 1991 in eigener Praxis in Stavenhagen nieder, in der er bis heute als Zahnarzt tätig ist. Schon seit dem 29. April 1990 bis zum Oktober 2021 war er Präsident der neu gegründeten Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, seit November 2000 bis Juni 2021 auch Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer.

Oesterreich befasste und befasst sich intensiv mit soziologischen und gesundheitspolitischen Fragestellungen und Themen der Prävention und Gesundheitskommunikation, unter anderem im Vorstand der Initiative proDente, aber auch wissenschaftlich. Im September 2011 wurde er zum Honorarprofessor an der Universität Greifswald ernannt. Kontakt zum Autor per E-Mail an dr.dietmar.oesterreich@t-online.de.

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