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Stellungnahme der IfK zu aktuellen Studien aus Nordamerika, die Assoziationen der Fluoridaufnahme mit dem IQ von Kindern oder Leber- und Nierenwerten nahelegen

Studienergebnisse aus den USA und Kanada zu möglichen Folgen einer systemischen Fluoridaufnahme für den IQ von Kindern oder für Leber und Nieren haben auch in Deutschland erneut die Diskussion um Fluorid angefacht. Die Experten der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) klären auf, welche Bedeutung diese Ergebnisse für Deutschland haben.

Eine aktuelle Studie[1] der York Universität in Toronto hat die Auswirkungen der systemischen Fluoridaufnahme in der Schwangerschaft untersucht. Sie ergab, dass diese zu einem geringeren IQ des Nachwuchses führt. Eine weitere aktuelle Studie[2] aus den USA bringt die systemische Aufnahme von Fluoriden mit einer Einschränkung der Leber- und Nierenfunktion bei amerikanischen Jugendlichen in Verbindung.

Studie aus Kanada: Methoden und Ergebnisse

Bei der kanadischen Studie handelt es sich um eine prospektive Multicenter-Kohortenstudie mit Kindern, die zwischen 2008 und 2012 in sechs kanadischen Städten geboren wurden. Ziel der Studie war es, einen möglichen Zusammenhang zwischen systemischer Fluoridaufnahme durch Trinkwasserfluoridierung (TWF) während der Schwangerschaft und dem Intelligenzquotienten der Kinder zu untersuchen.

Es wurde die Abhängigkeit des sogenannten Full-Scale-Intelligenzquotienten (FSIQ) der Kinder im Alter von drei bis vier Jahren von folgenden Faktoren untersucht: Zum einen von der Fluoridkonzentration im Urin der Mütter während aller Schwangerschaftstrimester (512 Mutter-Kind-Paare), zum anderen von der geschätzten systemischen Fluoridaufnahme über die Trinkwasserfluoridierung (400 Mutter-Kind-Paare). Die Fluoridkonzentration im Urin wurde im Spontanurin (Spot-Urin) gemessen, die Fluoridaufnahme aus fluoridiertem Trinkwasser schätzten die Wissenschaftler über die Zuordnung der Mütter zu bestimmten Wohngebieten über die Postleitzahl sowie einen Fragebogen.

Beide Verfahren sind fehlerbehaftet. Für die Urinmessungen eignet sich der 24-Stunden-Urin besser, weil der Spontan-Urin starken Schwankungen unterliegt. Die Schätzung der Fluoridaufnahme über die Postleitzahl ist ebenfalls ungenau. Die tatsächliche Fluoridaufnahme der Mütter konnte nicht gemessen werden, damit blieben auch alle anderen möglichen Fluoridquellen neben der Trinkwasserfluoridierung (TWF) und im Fragebogen berichteten Teekonsum außer Acht.

Die unter diesen Bedingungen ermittelten Fluoridwerte im Urin ergaben:

  • Mütter in Gebieten mit TWF: 0,69 Milligramm/Liter; Fluoridaufnahme: 0,93 Milligramm /Tag.
  • Mütter in Gebieten ohne TWF: 0,40 Milligramm /Liter; Fluoridaufnahme: 0,30 Milligramm /Tag.

Mädchen hatten einen signifikant höheren Intelligenzquotienten (FSIQ) als Jungen (109,56 vs. 104,61). Eine Zunahme der Fluoridkonzentration im Urin um 1 Milligramm /Liter war bei Jungen mit einer Abnahme des FSIQ um 4,49 Punkte verbunden. Für Mädchen wurde kein signifikanter Zusammenhang festgestellt. Bezogen auf die tägliche Fluoridaufnahme wurde eine Abnahme des FSIQ um 3,66 Punkte pro 1 Milligramm Fluorid gefunden. Einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen gab es hier nicht.

Relevanz für Deutschland

Was bedeutet das für Deutschland, wo es keine Trinkwasserfluoridierung, wohl aber fluoridiertes Speisesalz gibt? Eine frühere Schätzung anhand von Studien aus der Schweiz, wo ebenfalls eine Salzfluoridierung existiert, zeigte, dass die Fluoridkonzentration im Urin bei etwa 0,4 Milligramm/Liter liegt, also im selben Bereich wie bei den Müttern in Kanada ohne Trinkwasserfluoridierung. Bei Nutzung von fluoridiertem Speisesalz nehmen Deutsche ca. 0,1 Milligramm aus dieser Quelle auf, hinzukommen rund 0,24 Milligramm aus dem natürlichen Fluoridgehalt des Trinkwassers. In der Summe ergibt sich daraus ein Wert von etwa 0,34 Milligramm /Tag, der im Bereich der Aufnahme der Mütter in der Kanada-Studie in Regionen ohne TWF (0,30 Milligramm /Tag) liegt, aber weit unterhalb der Werte mit TWF (0,93 Milligramm /Tag).

Selbst bei der Verwendung von fluoridiertem Speisesalz befindet sich also die systemische Aufnahme von Fluorid in Deutschland in einem Bereich, der dem in Kanada ohne systemische Fluoridierungsmaßnahmen entspricht. Es besteht daher keinerlei Anlass, während der Schwangerschaft auf die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz zu verzichten. Fluoridiertes Speisesalz bietet nachgewiesenermaßen einen guten Kariesschutz. Fluoride, die in Zahnpasten, Mundspüllösungen oder Fluoridgelees enthalten sind, spielen übrigens bei der Berechnung der systemischen Fluoridaufnahme keine Rolle, da sie im Wesentlichen wieder ausgespuckt werden.

Studie aus den USA: Methoden und Ergebnisse

Bei der US-amerikanischen Studie handelt sich um eine Querschnittsstudie auf der Grundlage von Daten aus dem National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) der USA, die in den Jahren 2013 bis 2016 erhoben wurden. Das Alter der Probanden betrug durchschnittlich 15,4 Jahre. Ziel der Studie war es, einen möglichen Zusammenhang zwischen systemischer Fluoridexposition aus fluoridiertem Trinkwasser und Nieren- sowie Leberwerten zu untersuchen.

Bei 1.983 Heranwachsenden lagen Plasma-Fluoridwerte und bei 1.742 Wasser-Fluoridwerte vor. Die mittlere Fluoridkonzentration im Blutplasma belief sich auf 0,33 Mikromol (µmol)/Liter und die im Trinkwasser auf 0,48 Milligramm/Liter. Bei 25 Prozent der untersuchten Probanden lag der Fluoridgehalt im Trinkwasser über der empfohlenen Konzentration von 0,7 Milligramm /Liter. Ein Anstieg der Plasma-Fluoridkonzentration um 1 µmol/Liter war mit einer Veränderung von Nierenwerten assoziiert – unter anderem mit niedrigeren Harnsäure- und Harnstoffkonzentrationen im Blut. Diese können mit veränderten Funktionen von Nieren und Leber in Zusammenhang stehen.

Konkret wurde gemessen: eine 10,36 mL/min/1,73m² niedrigere glomeruläre Filtrationsrate der Nieren, eine um 0,29 mg/dL niedrigere Harnsäurekonzentration sowie eine um 1,29 mg/dL niedrigere Harnstoffkonzentration im Blut. Ein Anstieg um 1 mg Fluorid/Liter Wasser war mit einer um 0,93 mg/dL niedrigeren Harnstoffkonzentration im Blut korreliert. Für weitere untersuchte Nieren- (Verhältnis Albumin/Kreatinin und Serumalbumin) sowie Leberparameter (Aspartat Aminotransferase, Alkalische Phosphatase und Gamma-Glutaryl-Transferase) wurden keine Korrelationen gefunden.

Veränderungen innerhalb der gesunden Normwerte

Bei der Bewertung der Studie ist zu berücksichtigen, dass ausschließlich Probanden mit gesunder Nieren- und Leberfunktion untersucht wurden. Die beobachteten Veränderungen spielten sich allesamt innerhalb gesunder Normwerte ab.

Bei Querschnittsstudien wie dieser sind lediglich Assoziationen abzuleiten, Ursache und Wirkung bleiben dabei unklar und müssen durch weitere Studien untersucht werden (Kausalität). Es ist denkbar, dass systemisch aufgenommenes Fluorid zu den beobachteten Veränderungen geführt hat. Nach Aussage der Autoren ist es aber genauso möglich, dass bereits eingeschränkte Funktionen der Nieren und/oder der Leber zu einer erhöhten Fluoridanreicherung im Körper geführt haben. Die Autoren empfehlen, weitere Untersuchungen durchzuführen, um die Limitationen ihrer Studie zu überwinden.

Werte nicht mit Deutschland zu vergleichen

Generell muss zuerst festgestellt werden, dass die Studie keinen kausalen Zusammenhang zwischen Fluoridexposition und Nieren- sowie Leberwerten ermitteln konnte. Außerdem hatten alle Studienteilnehmer, auch diejenigen mit einer erhöhten Fluoridaufnahme aus dem Trinkwasser, gesunde Nieren- und Leberwerte. Innerhalb dieser Normwerte waren Veränderungen der Laborwerte bei Menschen messbar, die eine erhöhte Fluoridaufnahme aus dem Trinkwasser aufwiesen.

Solche erhöhten systemischen Fluoridaufnahmen kommen in Deutschland, auch bei Nutzung von fluoridiertem Speisesalz, nicht vor. Zum Vergleich: Die tägliche Fluoridaufnahme aus Trinkwasser und fluoridiertem Speisesalz liegt in Deutschland bei etwa 0,34 Milligramm/Tag. Die genannten erhöhten Laborwerte waren mit einem Anstieg von 1 Milligramm Fluorid/Tag im Trinkwasser assoziiert, also erheblich über dem Durchschnittswert in Deutschland.

Prof. Dr. med. dent. Stefan Zimmer, Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke, Sprecher der Informationsstelle für Kariesprophylaxe

Prof. Dr. med. Andreas Schaper, klinischer Toxikologe GfKT, Leitung Giftinformationszentrum-Nord, Universitätsmedizin Göttingen, Beiratsmitglied der Informationsstelle für Kariesprophylaxe

Literatur


[1] Rivka Green, Bruce Lanphear, Richard Hornung, David Flora, Angeles Martinez-Mier, Raichel Neufeld, Pierre Ayotte, Gina Muckle, Christine Till. Association Between Maternal Fluoride Exposure During Pregnancy and IQ Scores in Offspring in Canada, JAMA Pediatrics doi.org/10.1001/jamapediatrics.2019.1729, August 2019.


[2] Ashley J Malin, Corina Lesseur, Stefanie A Busgang, Paul Curtin, Robert O. Wright, Alison Sanders. Fluoride exposure and kidney and liver function among adolescents in the United States: NHANES, 2013–2016, Environment International doi.org/10.1016/j.envint.2019.105012, August 2019


Titelbild: Kitti Phit/Shutterstock.com
Quelle: Informationsstelle für Kariesprophylaxe Prävention und Prophylaxe Interdisziplinär

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