Praxisteams erleben es nicht selten: Patientinnen, Patienten oder Angehörige sind skeptisch gegenüber Fluoriden und haben gesundheitliche Bedenken. Zahlreiche wissenschaftliche Daten können dies entkräften. Prof. Dr. Stefan Zimmer von der Universität Witten/Herdecke und Nancy Djelassi, Dentalhygienikerin und Präsidentin des Bundesverbands zahnmedizinischer Fachkräfte in der Prävention (BVZP) erläutern, wie Informationsvermittlung und Beratung gelingen können.
Rund 13 Prozent der dreijährigen Kinder in Deutschland sind von frühkindlicher Karies (Early Childhood Caries, ECC) betroffen. Nur etwa die Hälfte der Sechs- bis Siebenjährigen ist kariesfrei, während insgesamt bei Kindern in den vergangenen 25 Jahren ein deutlicher Kariesrückgang zu beobachten ist [1, 2 ,3]. Die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS • 6) zeigt: 78 Prozent der 12-Jährigen in Deutschland sind heute kariesfrei [3]. Im Kleinkind- und Vorschulalter ist Karies hingegen eine der häufigsten chronischen Erkrankungen [2].
Eltern über frühkindliche Karies aufklären
„Es ist wichtig, Eltern nüchtern Fakten zur Wirksamkeit und zu Risiken von Fluorid zu vermitteln und auch über die Folgen von Karies zu informieren“, so Zimmer. Karies an den Milchzähnen hat Einfluss auf die weitere Entwicklung – nicht nur der bleibenden Zähne: „Sie kann zu Zahnfehlbildungen wie Turner-Zähnen* führen, die Entwicklung des Mittelgesichts, die Sprachbildung und die Nahrungsaufnahme einschränken. Auch Entzündungen und Schmerzen können eine Folge sein“, erläutert er.
Wie können Eltern frühkindlicher Karies entgegenwirken?
Gesunde Ernährung mit strenger Zuckerkontrolle und eine sehr gute Mundhygiene sind wirksame Maßnahmen, um Karies zu verhindern. Diese allein reichen jedoch meist nicht. Am wichtigsten ist das zweimal tägliche Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta. Dabei kommt es auf die richtige Putztechnik an: „Es ist gut, sowohl die Putztechnik der Kinder als auch die eigene regelmäßig zu überprüfen und Kinder beim Putzen zu unterstützen“, erklärt die Dentalhygienikerin Nancy Djelassi. „Bei der Plaque-Entfernung gibt es fast immer Optimierungspotenzial, dabei hat eine Verbesserung der Putztechnik erheblichen Einfluss auf das Kariesrisiko“, so ihre Erfahrung. Wichtig sei zudem, die richtige Größe der Zahnbürste zu wählen.
Tipps für die Beratung:
- Nüchterne Darlegung der Fakten zu Wirksamkeit und Risiken von Fluorid
- Erklärung, dass es bislang keine gleichwertige Alternative zu Fluorid gibt
- Eltern tragen selbst die Verantwortung und müssen entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen
Eine zusätzliche Fluoridierung in der zahnärztlichen Praxis kann über Lacke, Schäume oder Gele erfolgen. Der Duraphat Fluoridlack (ab sofort medelmex Duraphat Dentalsuspension) kann ab dem ersten Milchzahn angewendet werden. Zahnpasta wie Elmex fluid sowie Elmex gelée eignen sich für die Kariesprävention bei Kindern ab einem Alter von drei Jahren.
Einordnung von Risiken
Um Eltern Ängste bezüglich einer gesundheitsschädlichen Wirkung zu nehmen, kann folgendes Bild helfen: „Ein einjähriges Kind müsste etwa den Inhalt einer gesamten Tube Erwachsenen-Zahnpasta mit 1.450 ppm Fluorid verschlucken, um erste Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen oder Durchfall zu zeigen“, verdeutlicht Zimmer. Das Risiko einer akuten Vergiftung durch die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpflegeprodukte sei nahe Null.
Studien, die einen geringen Zusammenhang zwischen systemischer fetaler Fluoridexposition und dem Intelligenzquotienten (IQ) der Kinder beschreiben, seien nicht auf Deutschland übertragbar, erklärt der Experte. Grund dafür ist die geringe Fluoridkonzentration hierzulande (etwa im Trinkwasser). Eine neue Längsschnittstudie bei Kindern bis zum fünften Lebensjahr lieferte unlängst Belege dafür, dass Fluoridkontakte in der frühen Kindheit keine Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung haben [4].
Darum ist die korrekte Dosierung wichtig
Während bei einer zu niedrigen Fluoridgabe die kariesprotektive Wirkung ausbleibt, kann eine zu hohe systemische Dosierung im Kindesalter zu Dentalfluorose führen. Diese Nebenwirkung von Fluorid tritt nur im Kindesalter auf. Das höchste Risiko besteht in den ersten beiden Lebensjahren. Meist kommt diese Störung der Zahnschmelzentwicklung, die als kosmetischer Makel wahrgenommen werden kann, in Deutschland in einer sehr leichten Form vor [5]. Das Risiko der Überdosierung lässt sich über eine altersgerechte Fluoridgabe minimieren.
„Wir raten Eltern und werdenden Eltern, mit dem Durchbruch des ersten Zahns bei ihrem Kind einen Termin beim Zahnarzt/einer Zahnärztin wahrzunehmen. Dies ist der Zeitpunkt, an dem Eltern den Empfehlungen der Fachgesellschaften zufolge idealerweise von der Gabe von Fluoridtabletten absehen und beginnen, eine Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid zu verwenden. Wichtig dabei ist die korrekte Anwendung und Dosierung, nämlich eine reiskorngroße Menge“, so Djelassi. Sie empfiehlt: „Klären Sie über das Fluorose-Risiko auf und darüber, dass dieses Risiko im Vergleich zum kariespräventiven Nutzen von Fluorid als sehr gering einzuschätzen ist.“
Zimmer ermutigt, zu informieren und auf Augenhöhe mit den Eltern aufzutreten: „Geben Sie Eltern für die richtige Fluoriddosierung Informationen an die Hand – etwa in Form einer Tabelle, wie sie die Fachgesellschaften und die Bundeszahnärztekammer bereitstellen oder einen Hinweis auf den von CP GABA gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) entwickelten Online-Fluoridrechner.“
Wirksamkeit von Fluoriden
Fluoride stärken die Widerstandsfähigkeit der Zähne, indem sie die Remineralisierung verbessern und eine calcium-fluoridreiche Schutzschicht auf der Zahnoberfläche bilden. Fluoride können außerdem den Stoffwechsel von Bakterien hemmen, sodass weniger Säuren produziert werden. Bisher gibt es keine alternativen Wirkstoffe, die diesen Effekt unter kariogenen Bedingungen zeigen. Auch bei fluoridfreien Hydroxylapatit-Produkten ist die Evidenz für die Wirksamkeit bisher nicht hinreichend belegt [6].
Quellen:
[1] Jordan AR, Micheelis W. Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) Köln: Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ); 2016.
[2] DAJ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege) Studie 2018.
[3] Jordan AR, Meyer-Lueckel H, Kuhr K, Sasunna D, Bekes K, Schiffner U. Caries experience and care in Germany: results of the 6th German Oral Health Study (DMS • 6). Quintessence Int. 2025 Mar 17;56(11): S30-S39. doi: 10.3290/j.qi.b5986212.
[4] Do LG et al. Early Childhood Exposures to Fluorides and Cognitive Neurodevelopment: A Population-Based Longitudinal Study. J Dent Res. 2024.
[5] Momeni A et al. Caries Res 2007;41:437-444. DOI: 10.1159/000107929
[6] Ganß C, Giese-Kraft K, Jung K, Kerzel P. Fluorid- oder doch besser Hydroxylapatit? Prophylaxe Impuls 27 6-15; 2023.