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Interview mit Prof. Dr. Andreas Schulte anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen

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Der 3. Dezember wurde von den Vereinten Nationen als Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen ausgerufen und wird in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal begangen. Kariesprophylaxe ist prinzipiell für die gesamte Bevölkerung von hoher Relevanz. Doch es gibt Risikogruppen, die besonders gefährdet sind oder mehr Hilfe bei der Vorbeugung benötigen – diesen soll zum Aktionstag mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Professor Dr. Andreas Schulte von der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) und erster Lehrstuhlinhaber für Behindertenorientierte Zahnmedizin in Deutschland, erklärt, warum Kariesvorbeugung gerade für Menschen mit Behinderung, Pflegebedürftige oder Menschen mit besonderem medizinischen Unterstützungsbedarf wichtig ist.

Prof. Dr. Adreas Schulte war von 2015 bis 2023 erster Lehrstuhlinhaber und Abteilungsleiter für Behindertenorientierte Zahnmedizin in Deutschland an der Uni Witten/Herdecke. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung oder besonderem medizinischen Unterstützungsbedarf (DGZMB). Bild: Prof. Dr. Andreas Schulte
Prof. Dr. Adreas Schulte war von 2015 bis 2023 erster Lehrstuhlinhaber und Abteilungsleiter für Behindertenorientierte Zahnmedizin in Deutschland an der Uni Witten/Herdecke. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung oder besonderem medizinischen Unterstützungsbedarf (DGZMB). Bild: Prof. Dr. Andreas Schulte

 

Herr Professor Schulte, warum ist es wichtig, den Mund und die Zähne sorgsam zu pflegen?

Prof. Dr. Andreas Schulte: Bei jedem Menschen ist die Mundhöhle mit vielen Arten von Bakterien besiedelt. Ein Teil dieser Bakterien produziert nach dem Verzehr von zuckerhaltigen Getränken und Speisen Beläge auf den Zähnen. In diesen vermehren sich besonders die Bakterien, die den Zucker in Säuren umwandeln. Wenn diese Beläge nicht täglich durch das Zähneputzen entfernt werden, greift das den Zahnschmelz an. Es entsteht Karies. Wenn das Zähneputzen sehr oft ausfällt oder die Zahnflächen nicht gründlich geputzt werden, wird das zunächst kleine Loch mit der Zeit immer größer und tiefer. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern kann im schlimmsten Fall zum Verlust des Zahns führen. Insofern ist eine gute Mundgesundheit auch bedeutend für die Sprachentwicklung und trägt zur allgemeinen Gesundheit des Körpers sowie dem Wohlbefinden bei. Deshalb ist es nicht nur wichtig, täglich zweimal alle Zähne zu putzen, sondern mindestens zweimal im Jahr zum Zahnarzt oder zur Zahnärztin für eine Kontrolle zu gehen.

 

Es gibt Risikogruppen für eine schlechte Mundhygiene. Wen betrifft das und warum?

Schulte: Ein erhöhtes Risiko für eine schlechte Mundhygiene haben Menschen mit geistiger Behinderung oder mit Behinderungen im Arm- und Handbereich, außerdem auch Pflegebedürftige. Ein Großteil dieser Personen hat teilweise sogar große Schwierigkeiten mit der Mundpflege: Sie sind sehr oft nicht in der Lage, diese eigenverantwortlich in ausreichendem Maße durchzuführen. So können sie sich oft nicht merken, welche Zähne sie bereits geputzt haben und welche nicht. Oder aber sie sind motorisch nicht in der Lage, die komplizierten Bewegungen bei der Zahnpflege durchzuführen. Deshalb benötigt dieser Personenkreis in der Regel individuelle Unterstützung bei der Mundpflege.

 

Worauf kommt es bei der Mundhygiene für Menschen an, die sich nicht oder nur schwer selbst um ihre Pflege kümmern können?

Schulte: Grundsätzlich sollte die Mundpflege auch bei Personen mit Behinderung oder Pflegebedarf mindestens zweimal pro Tag erfolgen. Wichtig ist, dass dabei fluoridhaltige Zahnpasta verwendet wird. Es ist aber auch wichtig, dass die Betreuungspersonen ausreichend darin geschult sind, wie man unterstützende Mundpflege durchführt.

 

Wie kann diese Unterstützung aussehen?

Schulte: Diese kann darin bestehen, dass eine Betreuungsperson beim Zähneputzen anwesend ist und die betreute Person darauf aufmerksam macht, dass sie bestimmte Regionen beim Putzen noch nicht erreicht hat. Es kann aber auch sein, dass die Betreuungsperson aktiv nachputzen muss oder in besonders schweren Fällen die Mundpflege vollständig übernimmt. Das Training für die Betreuenden kann teilweise auch in der Zahnarztpraxis durchgeführt werden und wird in vielen Fällen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.

 

Und bezüglich der Pflegeprodukte: Wird spezielles Equipment benötigt?

Schulte: Nein, eigentlich nicht. Wir werden jedoch häufig gefragt, ob elektrische oder manuelle Zahnbürsten bei der Mundpflege von Personen mit Beeinträchtigung besser sind. Hierzu gibt es keine pauschale Antwort – das hängt immer vom Einzelfall ab. So akzeptieren nicht alle Menschen mit geistiger Behinderung die Geräusche und Vibrationen der elektrischen Zahnbürste. Außerdem gibt es unter diesen Personen einige, die beim Zähneputzen zwischendurch auf die Zahnbürste beißen. In solchen Fällen ist es einfacher, mit der manuellen Zahnbürste zu arbeiten.

 

Da die Zahnpflege prinzipiell für alle gleich ist, worauf sollten wir also achten?

Schulte: Wie bei allen Menschen auf die vier Säulen der Kariesprophylaxe: neben den bereits erwähnten regelmäßigen zahnärztlichen Kontrollen und der gewissenhaften häuslichen Zahnpflege sind das die Verwendung von zahnstärkenden Fluoriden und eine zahngesunde Ernährung. Letztere sollte ausgewogen und zuckerarm sein sowie nach Möglichkeit viel bissfeste Kost enthalten. Auch für beeinträchtigte oder pflegebedürftige Personen ist fluoridiertes Speisesalz eine zusätzliche Maßnahme zur Kariesvorbeugung. Nach dem Verzehr der damit zubereiteten Speisen verbleibt das Fluorid noch etwa 30 Minuten in der Mundhöhle und kann seine remineralisierende Wirkung an den Zähnen entfalten. Das ist besonders dann ein Vorteil, wenn nicht so häufig oder gründlich geputzt werden kann.

 

Die zahnmedizinische Versorgung beeinträchtigter Personenkreise ist oftmals anspruchsvoller. Welche Kniffe gibt es in der Praxis oder im Pflegeheim, die Ihnen und den Betreuenden das Leben erleichtern?

Schulte: Voraussetzung für den erfolgreichen Umgang mit beeinträchtigten oder pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten ist der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Dafür benötigt man am Anfang mehr Zeit. Außerdem muss man empathisch sein und akzeptieren, dass ihre Tagesform stark schwanken kann. An einigen Tagen können wir zahnmedizinische Behandlungsmaßnahmen nur teilweise durchführen und erst an einem zweiten Termin beenden. Dazu gehört auch, Vorlieben und Abneigungen zu berücksichtigen und gegebenenfalls Angehörige beziehungsweise Betreuungspersonen miteinzubeziehen. Wir haben auch Patientinnen und Patienten, bei denen die unterstützende Mundpflege aus verschiedenen Gründen nicht gut funktioniert. Hier kann es sinnvoll sein, die professionelle Zahnreinigung drei- oder viermal pro Jahr durchzuführen. Das bezahlen allerdings die gesetzlichen Krankenkassen nicht.

 

Welche Tipps können Sie Angehörigen und Pflegenden sonst noch geben?

Schulte: Es gibt keine generell gültigen Techniken, jeder Mensch ist ein Individuum. Grundsätzlich sollte man eine Person mit Pflegebedarf oder Beeinträchtigung nicht überfordern. Es gibt Personen, bei denen man nicht auf einmal alle Zähne putzen kann, weil sie nicht so lange kooperieren können. In solchen Fällen ist es mein Rat, zum Beispiel morgens nur die Oberkieferzähne und abends die Unterkieferzähne zu putzen. Ich habe oft von Betreuungspersonen gehört, dass allein dadurch die unterstützende Mundpflege wesentlich stressfreier und unkomplizierter abläuft.

Professor Schulte, herzlichen Dank für das Gespräch.

Quelle: DAZ Prävention und Prophylaxe Patientenkommunikation Menschen Zahnmedizin

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