Die Kieferorthopädie ist im guten Sinne eine konservative zahnmedizinische Disziplin, hat gleichzeitig kontinuierlich die Chancen digitaler Technologien integriert und wird auch mit Elementen der Künstlichen Intelligenz (KI) bereichert. Diese Entwicklungen werden sich auf der Internationalen Dental-Schau (IDS) vom 25. bis zum 29. März 2025 in Köln in ihrer ganzen Breite zeigen.
Das Zeitalter der Digitalisierung hat der Kieferorthopädie die Kegelstrahl-Computertomographie (CBCT), die Intraoralkamera und die Aligner beschert. Die Möglichkeiten zur Therapieplanung am Bildschirm und zum virtuellen Vergleich unterschiedlicher Optionen und ihrer Ergebnisse haben so manche Behandlung überhaupt erst praktikabel gemacht. Als besonders komfortabel empfinden Kieferorthopäden den schnellen Datenaustausch mit dem zahntechnischen Labor und mit spezialisierten KfO-Dienstleistern, insbesondere mit der Dentalindustrie. So lassen sich bestimmte Schritte bei Bedarf auslagern, wie etwa das Segmentieren von intraoral gescannten Zahnbögen.
Prognose-Tools von neuer Qualität
Mit dem Cloud-Computing kommen Prognose-Tools von neuer Qualität hinzu. So wird die Kieferorthopädie auf riesige Datensätze zugreifen und mit ihrer Hilfe Einzelfälle aus der Praxis besser einschätzen können. KI-gestützte Software kann dabei zum Beispiel Klassifizierungen vornehmen (unter anderem Klasse-II- oder Klasse-III-Malokklusion). Als noch viel hilfreicher erweist sich jedoch das Erkennen von Strukturen, die dem Menschen verborgen bleiben. Auf diese Weise gelingt eine genauere Einschätzung, ob ein Kind im Verlaufe seiner Entwicklung eine Klasse-III-Malokklusion entwickeln wird.
Software unterstützt Entscheidungsfindung und Segmentierung
In bestimmten Entscheidungssituationen stellt Software für Zahnärzten eine besonders willkommene Hilfe dar, etwa bei Extraktionen (ja/nein), bei orthognather Chirurgie (Inwiefern sind Kiefer- und Gesichtsdeformitäten chirurgisch zu korrigieren?) und bei Auffälligkeiten des Kieferwachstums (wann eingreifen?). Computerprogramme werden zukünftig die Festlegung von Orientierungspunkten im Röntgenbild für die cephalometrische Analyse beschleunigen und womöglich sogar noch die Treffsicherheit von Diagnosen verbessern.
Es gibt Aufgaben, die einem Arzt leichtfallen (Unterscheidung von 2/3 Strukturen wie Kiefer, Zähne, Nervkanal, Luftröhre, Zungenbein), herkömmlichen Computerprogrammen jedoch große Schwierigkeiten bereiten. Demgegenüber kann an vorhandenen Datensätzen trainierte Software jedoch automatisch eine Segmentierung vornehmen, beispielsweise eine Segmentierung von Kegelstrahl-Computertomogrammen. Gegebenenfalls kann als Zwischenschritt eine Zusammenführung eines CBCT und eines Intraoralscans erfolgen. Die eigentliche Therapiemethode (sprich: die verwendeten kieferorthopädischen Apparaturen) bleibt jedoch.
Neue Impulse aus der Biologie
Indessen erhält die Kieferorthopädie aus der Biologie neue Impulse. Eine Facette stellt beispielsweise die Anwendung von Blutkonzentraten dar. Hier sind vor allen Dingen unterschiedliche Varianten von „platelet-rich fibrin“ (PRF) zu nennen. PRF könnte in der Kieferorthopädie etwa nach Extraktionen oder nach der Explantation von Hilfsimplantaten zur Stützung bestimmter Apparaturen zum Einsatz kommen, um die Wundheilung zu beschleunigen, Lappenbildungen oder Weichgewebstransplantate entbehrlich zu machen und Schmerzen zu reduzieren. Was für dieses Verfahren an Geräten notwendig ist (Zentrifugen, Mischplatten etc.) zeigt die IDS.
„Auf der Internationalen Dental-Schau finden die kieferorthopädischen Teams alles, was sie zur Ausschöpfung der neuen Möglichkeiten brauchen“, freut sich Mark Stephen Pace, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Deutschen Dental-Industrie (VDDI). „Dazu zählen zum Beispiel 2-D- und 3-D-Röntgensysteme, Intraoralscanner, 3-D-Drucker zur additiven Fertigung von Modellen und Alignern, KfO-Cloud-computing-Strategien, Ceph-Auswertungs-Software, automatisierte Segmentierungs-Tools und vieles mehr.“