0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
2145 Aufrufe

Geschlechteraspekte in der Schmerzmedizin stärker berücksichtigen – unterschiedliche Wirkung und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln

(c) Anana_go/Shutterstock.com

Frauen und Männer empfinden Schmerzen unterschiedlich und auch Schmerzmedikamente wirken geschlechtsabhängig. Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, Leiterin der Arbeitsgruppe „Cognition & Gender“ an der Klinik für Radiologie der medizinischen Fakultät der Universität Münster, forderte in ihrem Exzellenzvortrag zum Auftakt des Deutschen Schmerz- und Palliativtags Mitte März 2024, dieses Wissen in der Schmerzmedizin stärker zu berücksichtigen.

Schon im 19. Jahrhundert wurde behauptet, dass Frauen empfindlichere Nerven hätten. Moderne wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen eine niedrigere Schmerzschwelle bei Frauen. Etwa 70 Prozent der Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, sind weiblich. „In Studien zur Untersuchung von Schmerzmitteln spiegelt sich dieses Geschlechterverhältnis jedoch noch nicht wider, was zu verzerrten Ergebnissen führt“, kritisiert Pfleiderer.

Viele unterschiedliche Faktoren berücksichtigen

Bei der Untersuchung geschlechtersensibler Aspekte in der Schmerzmedizin müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, die die Schmerzverarbeitung beeinflussen. Dazu gehören Gene, Hormone, Alter, soziale Faktoren, vorherige Schmerzerfahrungen und auch das Gehirn. Frauen empfinden beispielsweise Druckschmerz stärker als Männer, unter anderem aufgrund ihrer dünneren Haut. Das weibliche Hormon Östrogen erhöht ebenfalls die Schmerzempfindlichkeit, während Testosteron Schmerzreize eher dämpft. Vielen Schmerzmedizinern ist nicht bewusst, dass die Strukturen des Gehirns, die in der Schmerzverarbeitung involviert sind, auch Östrogenrezeptoren aufweisen.

Geschlechtsabhängige Wirkung und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln

Deshalb sind auch die Wirkungen und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln geschlechtsabhängig. Bei Paracetamol gibt es zwar keinen geschlechtsabhängigen Effekt auf die schmerzlindernde Wirkung, aber die Ausscheidung unterscheidet sich deutlich und ist bei Frauen um etwa 30 Prozent reduziert. Das führt dazu, dass Überdosierungen oder langfristige Anwendungen bei Frauen schneller zu irreversiblen Leberschäden führen als bei Männern. Bei Opioiden hingegen machen sich geschlechtsspezifische Unterschiede sowohl in der Wirkung als auch in den Nebenwirkungen bemerkbar. Für lipophile Opioide beispielsweise ist der höhere Fettanteil von Frauen klinisch relevant und das Bindungspotenzial bei Frauen deutlich höher, erläuterte Pfleiderer.

Wissen zu Geschlechtsunterschieden in der Schmerzmedizin noch unzureichend

Das Wissen über geschlechtsabhängige Unterschiede in der Schmerzmedizin ist jedoch noch nicht weit verbreitet. In einer Umfrage unter mehr als 2.000 Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der medizinischen Fakultäten der Universitäten Münster und Duisburg-Essen konnten nur 30 Prozent der Befragten die Fragen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Schmerzmedizin richtig beantworten.

Geschlecht des Studienleiters beeinflusst das Ergebnis

Ein weiterer Faktor, der die Studienergebnisse verzerren kann, ist das Geschlecht der Studienleiter. Das hätten Studien mit Mäusen und Ratten gezeigt. Die Tiere wurden mit T-Shirts konfrontiert, die von Männern getragen wurden, was zu physiologischen Stressreaktionen und einer geringeren Schmerzwahrnehmung führte. Der Grund dafür sei eine stressinduzierte Analgesie gewesen. Pfleiderer forderte daher eine verpflichtende stärkere Berücksichtigung des Geschlechts in Studien sowie die Angabe des Geschlechts der Versuchsleiter, um Ergebnisse zu standardisieren.

Bio-psycho-soziales Schmerzmodell mit Geschlechtsaspekt

Ein erster Schritt ist aus ihrer Sicht die stärkere Berücksichtigung des Geschlechtsaspekts im bio-psycho-sozialen Schmerzmodell. Aktuell wird der Geschlechtsaspekt nur in der Kategorie „sozial“ genannt. Aber auch in den Kategorien „bio“ und „psycho“ sind geschlechtsspezifische Aspekte hoch relevant und sollten entsprechend aufgeführt und berücksichtigt werden, so Pfleiderer.

 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin Interdisziplinär Zahnmedizin Patientenkommunikation

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
12. Feb. 2025

Deutsches Superfood – Nährstoffwunder aus der Heimat

Lokale Alternativen wie Grünkohl, Blaubeeren und Walnüsse bestechen durch ihren vielfältigen Nutzen
11. Feb. 2025

Herausforderung Pubertät: Jugendliche in der Prophylaxe begleiten

BVZP: DH Heidrun Moser zur Prophylaxe, Ernährung und zu Risikofaktoren bei Jugendlichen (1)
10. Feb. 2025

Von Wurzelspitzenresektion bis Schussverletzung

Die Februarausgabe der Quintessenz Zahnmedizin bietet mal mehr, mal weniger alltägliche Behandlungsfälle
6. Feb. 2025

DGKiZ warnt in einem Statement vor falschen Schlüssen

US-Metastudie zu Fluoridexposition und IQ-Werten von Kindern nicht auf Deutschland übertragbar
3. Feb. 2025

Rauchen schadet der Mundgesundheit

Zum Weltkrebstag am 4. Februar: BZÄK und DKFZ präsentieren neuen Infoflyer für Raucherinnen und Raucher
30. Jan. 2025

Direkt im Gelenk neues Gewebe drucken

Mit Bioprinting-Technologie Kniegelenkverletzungen direkt mit Lichtbioprinting behandeln
30. Jan. 2025

Es gibt kein „zu alt“ für Implantate

Individuelle Situation des Patienten wichtiger als Lebensalter – DGI legt erste S2k-Leitlinie zum Thema Implantatversorgung im fortgeschrittenen Lebensalter vor
24. Jan. 2025

Kaffee kann eine schützende Wirkung für die Leber entfalten

Deutsche Leberstiftung: Leberfit ins neue Jahr – Tipps für kleine Änderungen mit großen Auswirkungen