Lautet die Diagnose nach der Biopsie einer verdächtigen Läsion in der Mundhöhle auf Carcinoma in situ (CIS), mag die aktive Überwachung zunächst als vernünftige therapeutische Option erscheinen. Allerdings wäre es dafür von Vorteil zu wissen, wie häufig solche Diagnosen mit okkultem invasivem Wachstum einhergehen, was die Prognose lediglich überwachter Patienten beeinträchtigen könnte. Ein von Dylan Cooper, Northwell Health Cancer Institute in Lake Success (New York), angeführtes Ärzteteam ist der Frage nach der Häufigkeit okkult invasiven Wachstums von CIS nachgegangen [JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2024; online 4. Januar]. Die Ergebnisse hat Dr. Robert Bublak in der Ärztezeitung online am 24. Januar zusammengefasst.
Cooper und Kollegen nahmen sich die retrospektiv erhobenen Daten der US-National Cancer Database von 1.580 Patientinnen und Patienten vor, die zwischen 2004 und 2020 eine Erstdiagnose von CIS der Mundhöhle erhalten hatten. 122 Betroffene wurden nicht operiert, 1.458 unterzogen sich einem HNO-chirurgischen Eingriff mit anschließend dokumentiertem pathologischem Befund. Von den operierten Patienten mit dokumentierter Pathologie wiesen beachtliche 28,0 Prozent ein okkultes invasives Wachstum des angeblichen CIS auf.
Hochrisikomerkmale wie positive Resektionsränder fanden sich bei 11,0 Prozent, eine lymphovaskuläre Invasion bei 3,9 Prozent, der Befall von Lymphknoten bei 3,4 Prozent und höhergradige invasive Tumoren bei 3,2 Prozent. Die meisten Patienten mit okkult invasiven Karzinomen hatten Tumoren im pathologischen Stadium pT1 (83,6 Prozent), gefolgt von pT2 (10,0 Prozent) und pT3 oder pT4 (6,4 Prozent).
Etliche Risikofaktoren für invasives Wachstum
Mit einer höheren Rate invasiven Wachstums assoziiert waren ein Sitz des Tumors am Alveolarkamm, im Mundvorhof oder am Trigonum retromolare (Odds Ratio, OR 1,90, Sitz an der Zunge als Referenz). Auch bei Frauen (OR 1,39), schwarzen Menschen (OR 2,11) und solchen mit einem Charlson-Komorbiditätsindex von 2 oder höher (OR 1,66) fand sich häufiger ein okkult invasives Tumorwachstum.
Das mediane Follow-up der Patienten betrug 66 Monate. Nach der Operation überlebten gemäß der Kaplan-Meier-Schätzung 85,9 Prozent die ersten fünf Jahre, von den nicht operierten waren es nur 59,7 Prozent. Von den Patienten mit invasivem Wachstum zum Zeitpunkt der Resektion lebten nach fünf Jahren noch 79,1 Prozent.
Okkultes invasives Wachstum sei ein verbreiteter Befund bei Patienten, bei denen die Biopsie ein CIS der Mundhöhle ergeben habe, fassen Cooper und Mitarbeiter ihre Ergebnisse zusammen. Dies stütze die sofortige chirurgische Resektion als optimale Therapiestrategie in diesem herausfordernden klinischen Szenario. „Da beruhigt es, dass selbst bei Vorliegen einer okkulten Invasion nur selten Hochrisikomerkmale zu finden sind und die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei rund 80 Prozent liegt“, so die Forscher abschließend.