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Strukturelle Grundlagen, klinische Relevanz und Empfehlungen für den Praxisalltag – DH Birgit Schlee empfiehlt, den Blick auch auf die Versorgung der Patienten mit diesem Vitamin zu richten

Vitamin C ist für die Kollagenbildung und gesundes Zahnfleisch essenziell.

(c) OlgaChernyak/Shutterstock.com

Die Parodontitistherapie sowie die alltägliche Prophylaxe stellen uns in der Praxis oft vor komplexe Herausforderungen – insbesondere dann, wenn eine Kausaltherapie oder intensive Mundhygienemaßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg führen. Entzündetes, empfindliches Zahnfleisch, langsame Wundheilung oder unklare Regenerationsverläufe nach chirurgischen Eingriffen sind dabei keine Seltenheit. In genau solchen Situationen ist ein Blick über den Tellerrand gefragt: auf molekulare Ebenen, die für die Gewebequalität entscheidend sind.

Nährstoffe wie Vitamin C und Kollagen werden traditionell mit einem starken Immunsystem oder schöner Haut assoziiert. Doch auch in der Zahnmedizin gewinnen sie zunehmend an Bedeutung. Gerade bei Heilungsprozessen und der parodontalen Gewebestabilität können sie eine entscheidende Rolle spielen. Das Verständnis für biochemische Prozesse wie die Kollagensynthese und der gezielte Einsatz ernährungsmedizinischer Maßnahmen können parodontalen Behandlungserfolg unterstützen und sichern – und manchmal sogar erst möglich machen.

Kollagen: Strukturgeber des Zahnhalteapparats

Kollagen ist mit mehr als 30 Prozent Anteil am Gesamtgewicht aller Proteine das am häufigsten vorkommende Strukturprotein im menschlichen Körper. In der Zahnmedizin ist insbesondere Kollagen Typ I relevant, da er in der Gingiva, dem parodontalen Ligament und dem alveolären Knochen dominiert. Es sorgt für mechanische Belastbarkeit, Elastizität und Regeneration des Gewebes.

Besonders im parodontalen Ligament spielt Kollagen eine zentrale Rolle – es verbindet Zement und Alveole über faserartige Strukturen. Studien wie die von Postlethwaite et al.4 zeigen zudem, dass Kollagen als chemotaktisches Signal für Fibroblasten wirkt, was die Wundheilung positiv beeinflusst.

Vitamin C: Mikronährstoff mit Makrowirkung

Vitamin C (Ascorbinsäure) ist ein essenzieller, wasserlöslicher Mikronährstoff, den der menschliche Körper nicht selbst synthetisieren kann. Er wird schnell über den Urin ausgeschieden und ist zudem sehr empfindlich gegenüber Licht, Hitze und Luft. Deshalb ist eine kontinuierliche Zufuhr über frische Nahrung notwendig.

Vitamin C hat zahlreiche Wirkungen: Es wirkt antioxidativ, antientzündlich, immunstimulierend und antimikrobiell. Es schützt die Zellen vor oxidativem Stress, fördert die Eisenaufnahme, unterstützt die Bildung von Hämoglobin und Neurotransmittern (Noradrenalin, Serotonin) und ist somit auch im Kontext von Stress und parodontaler Dysbiose relevant.

Vitamin C als Co-Faktor der Kollagenbiosynthese

Vitamin C hilft dem Körper dabei, die Aminosäuren Prolin und Lysin umzuwandeln – nur so entstehen stabile und belastbare Kollagenfasern. Fehlt Vitamin C, wird das Gewebe instabil, heilt schlechter und neigt eher zu Blutungen. So führt ein schwerer Vitamin-C-Mangel zur früher bei Seefahrern gefürchteten Skorbut.

Wie wichtig diese Mikronährstoffverbindung ist, zeigt auch eine zugelassene Health-Claim-Aussage der EU: „Vitamin C trägt zu einer normalen Kollagenbildung für eine normale Funktion von Haut, Zahnfleisch, Zähnen, Knorpel und Knochen bei.“ – Ein Satz, der zeigt, wie breit das Wirkungsspektrum tatsächlich ist.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Relevanz von Vitamin C in der Zahnmedizin

Zahlreiche Studien und Übersichtsarbeiten deuten darauf hin, dass Vitamin C eine bedeutende Rolle für die parodontale Gesundheit spielen kann – sowohl in Bezug auf Entzündungskontrolle als auch auf die Gewebeheilung:

Parodontale Stabilität: In einer kleinen australischen Pilotstudie hatten Patienten mit niedrigem Vitamin-C-Spiegel häufiger schwere Formen von Parodontitis. Das deutet darauf hin, dass der Vitamin-C-Spiegel eine Rolle für die Gesundheit des Zahnfleischs spielen könnte. (Munday et al., 2020)1.

Wundheilung: Eine aktuelle Scoping-Review untersuchte die Rolle von Vitamin C bei der Heilung nach Zahnextraktionen. Die Auswertung zeigt, dass Vitamin C die Reepithelialisierung unterstützen, Entzündungsmarker reduzieren und die zelluläre Regeneration fördern kann – vor allem in der frühen postoperativen Phase (Dethlefs-Canto et al., 2025)2.

Zellschutz: Eine narrative Übersichtsarbeit hebt hervor, dass Vitamin C gingivale Fibroblasten vor oxidativem Stress schützt – ein bedeutender Faktor bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Parodontitis. Diese antioxidative Schutzfunktion wird zunehmend als ergänzender Therapieansatz diskutiert (Murererehe et al., 2022)3.

Risikopatienten gezielt herausfiltern

In meiner Praxis filtere ich gezielt Risikopatienten heraus: Raucher, Diabetiker, Schwangere, ältere Menschen oder Personen mit Multimedikation und hormonellen Einflüssen (zum Beispiel durch Kontrazeptiva). Diese Gruppen zeigen häufig einen erhöhten Vitamin-C-Verbrauch. Durch gezielte Supplementierung konnten wir in der Praxis klinisch spürbare Verbesserungen in der Blutungsneigung und der Gewebequalität beobachten – das Zahnfleisch wirkt straffer und gestippelter.

Empfehlungen zur systemischen und lokalen Anwendung

Systemische Versorgung über Beratung und Supplementierung

1. Ernährungsberatung: Nutzen Sie die PZR-Sitzung, um einfache Tipps zu Vitamin-C-reicher Kost weiterzugeben: Paprika, Beeren, Brokkoli und Zitrusfrüchte sind alltagstauglich und effektiv. Ein kurzer Ernährungstipp auf dem PSI-Vordruck oder ein Infoblatt kann hier Wunder wirken.

2. Supplementierung bei Risikopatienten: Bei bekannten Risikofaktoren empfehle ich eine tägliche Zufuhr von 250 bis 500 Milligramm Vitamin C, in Einzelfällen auch höher dosiert. Kombiprodukte mit sekundären Pflanzenstoffen, B-Vitaminen oder Zink haben sich als besonders wirksam erwiesen.

Lokale Anwendung: Taschengel mit Potenzial

Neben der systemischen Versorgung hat sich die lokale Anwendung von Vitamin C und Kollagen in parodontalen Taschen bewährt – zum Beispiel bei UPT, Periimplantitis oder persistierenden Taschen. Gele mit stabilisiertem Vitamin C und natürlichen Kollagenquellen zeigen in ersten Studien entzündungshemmende und heilungsfördernde Effekte. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die gezielte Anwendung solcher Präparate im Recall zeigt positive Effekte auf die mikrobiologische Belastung und wird von den Patienten gut angenommen.

Mikronährstoffe als therapeutischer Hebel

Kollagen und Vitamin C sind weit mehr als nur biochemische Schlagworte – sie sind klinisch relevante Schaltstellen für die parodontale Gesundheit. Wer sie gezielt im Praxisalltag einsetzt, kann die Gewebestabilität fördern, Entzündungen reduzieren und die Heilung unterstützen.

In meiner täglichen Arbeit habe ich festgestellt: Wenn wir unsere Therapieempfehlungen um diesen Aspekt erweitern, können wir nicht nur präventiv und therapeutisch gezielter behandeln, sondern stärken auch das Vertrauen unserer Patienten in eine moderne, ganzheitlich denkende Zahnmedizin.

DH Birgit Schlee, Heilbronn

Birgit Schlee ist erfahrene Dentalhygienikerin, Referentin und Unternehmerin. Sie schult nicht nur Zahnarztpraxen in den Bereichen (Bio-)Prophylaxe und Nachhaltigkeit, sondern bietet auch spezielle Kurse zur Mundhygiene für Pflegefachkräfte gemäß Expertenstandard an.

Weitere Infos auch unter den Telefonnummern 07131-4053593 und  0172-6276867 sowie per Mail an info@schlee-dentalhygiene.de

Literaturverzeichnis

[1] Munday MR, Rodricks R, Fitzpatrick M, Flood VM, Gunton JE. A pilot study examining vitamin C levels in periodontal patients. Nutrients. 2020;12(8):2255. doi:10.3390/nu12082255. PMID: 32731485; PMCID: PMC7469055.

[2] Dethlefs-Canto J, Osses-Barría F, Vergara-Zenteno R, Bustos-Ponce A, Villavicencio-Duarte J. The effectiveness of vitamin C in dental alveolus healing after dental extraction: A scoping review. Med Oral Patol Oral Cir Bucal. 2025;30(1):e124–e128. doi:10.4317/medoral.26893. PMID: 39724525; PMCID: PMC11801676.

[3] Murererehe J, Uwitonze AM, Nikuze P, Patel J, Razzaque MS. Beneficial effects of vitamin C in maintaining optimal oral health. Front Nutr. 2022;8:805809. doi:10.3389/fnut.2021.805809. PMID: 35083263; PMCID: PMC8784414.

[4] Postlethwaite AE, Seyer JM, Kang AH. Chemotactic attraction of human fibroblasts to type I, II, and III collagens and collagen-derived peptides. Proc Natl Acad Sci U S A. 1978;75(2):871–875. doi:10.1073/pnas.75.2.871. PMID: 204938; PMCID: PMC411359.

Quelle: Quintessence News Team Patientenkommunikation Parodontologie Prävention und Prophylaxe

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