Einer aktuellen Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zufolge lag die Impfquote bei AOK-Versicherten im dritten Quartal 2024 bei 15-jährigen Mädchen bundesweit bei nur 49,5 Prozent. WIdO-Geschäftsführer Dr. David Scheller-Kreinsen sagt: „Unsere Analysen zeigen erneut: Die Bundesrepublik ist noch sehr weit von dem erklärten Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entfernt, nach welchem bis 2030 mindestens 90 Prozent der 15-jährigen Mädchen gegen HPV geimpft sein sollen.“
Frühe Impfung schützt vor mehreren Krebserkrankungen
Die Impfung schützt vor Infektionen mit Hochrisiko-Stämmen der HP-Viren, die überwiegend bei sexuellem Kontakt übertragen werden und bei anhaltender Infektion im Verlauf der Zeit Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen, in Deutschland erkrankten 2022 4.388 Frauen neu, 1.413 Frauen starben daran.
Da die Impfung vor dem ersten Geschlechtsverkehr den effektivsten Schutz bietet, sind die Impfquoten der 15-Jährigen besonders relevant. Für einen vollständigen Schutz sind in der Gruppe der 9- bis 15-Jährigen zwei Impfungen nötig. Eine verpasste Nachholimpfung ist bis zum 18. Geburtstag möglich. Scheller-Kreinsen: „Nimmt man die ,nur einmal‘-Geimpften hinzu, liegt die Impfrate bei den 15-Jährigen immerhin bei 61 Prozent. Hier muss darauf hingearbeitet werden, dass bis zum 18. Lebensjahr Impfserien abgeschlossen beziehungsweise nachgeholt werden.“
Impfniveau bei Jungen weiterhin niedrig
Um Herdenimmunität in der Bevölkerung zu erreichen, wurde 2018 auch die HPV-Impfung für Jungen als GKV-Leistung eingeführt. Sie schützt Frauen und Mädchen vor einer Übertragung von Hochrisiko-Viren durch Geschlechtsverkehr und die Jungen selbst vor der Entstehung von Anal-, Penis- und bösartigen Schleimhauttumoren des Mundrachenraums. Vollständig geimpft waren im dritten Quartal 2024 der WIdO-Auswertung zufolge jedoch nur 30 Prozent der Jungen, mindestens einmal geimpft waren immerhin 40 Prozent.
Entwicklung der Impfaktivität nicht ausreichend
Mit 49,5 Prozent liegt die Impfquote von Mädchen um knapp 5 Prozentpunkte niedriger als im Vergleich mit dem dritten Quartal 2023 (55 Prozent) und sogar um ca. 10 Prozentpunkte unter der Impfquote zum dritten Quartal 2019 vor der Corona-Pandemie (61 Prozent). Das liegt daran, dass jetzt Jahrgänge 15 Jahre alt werden, die während der Pandemie deutlich weniger Impfungen erhalten haben als die Jahrgänge vor der Pandemie.
„Im Gegensatz zur Impfquote bei 15-Jährigen beobachten wir bei der Anzahl der Impfungen insgesamt einen Anstieg auf das Niveau vor der Corona-Pandemie, während der es zu einem Einbruch in der Impfaktivität insgesamt gekommen ist. Die aktuelle Entwicklung der Impfaktivität wirkt sich stärker auf die kommenden Kohorten 15-Jähriger aus. Und obwohl sich die Impfaktivität wieder dem Niveau vor Corona annähert und sich auch die Impfquote entsprechend entwickeln wird, ist das nicht ausreichend, um dem WHO-Ziel näher zu kommen“, so Scheller-Kreinsen. Auch bei den Jungen ist die Impfaktivität während der Corona-Pandemie deutlich eingebrochen und erholt sich erst langsam wieder.
Regional und Europaweit liegt Deutschland zurück
Regional zeigen sich in Deutschland große Unterschiede: „die Impfquoten in den östlichen Bundesländern (ohne Berlin) sind mit mindestens 60 Prozent deutlich höher als in den westlichen. Hier liegt die Impfquote im Schnitt bei nur 47 Prozent.“
Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland 2023 mit dem 19. Platz eher schlecht ab. Die vorderen Plätze mit einer vollständigen HPV-Impfung bei 15-jährigen Mädchen wurden 2023 von Island, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden mit einer Impfquote von 96 bis 85 Prozent erreicht. „Sowohl die Varianz in Europa wie auch innerhalb Deutschlands zeigt, dass für HPV-Impfungen als Präventionsmaßnahme noch viel Luft nach oben ist“, so Scheller-Kreinsen.