Es fühlt sich an wie die Ruhe nach dem Sturm. In Deutschland werden immer mehr Corona-Beschränkungen gelockert und ein Hauch von Normalität stellt sich ein. Menschen trauen sich wieder, Zeit zusammen zu verbringen, Kinder gehen in die Schule, Behörden und Restaurants öffnen ihre Pforten und sogar die Planung des Sommerurlaubs ist im Gespräch.
Doch während sich hierzulande alle über die wiedergewonnenen Freiheiten freuen, hat das Virus andere Teile der Welt noch fest im Griff. Fast täglich erreichen das Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ) sorgenvolle E-Mails von Projektpartnern. Dabei lässt sich nur schwer zu beurteilen, was schlimmer ist: die anhaltende Bedrohung durch das Virus oder die Folgen der weltweiten Lockdowns.
„Die Nöte der Menschen in unseren Projektländern haben sich durch Lockdowns, Arbeitslosigkeit, Ausgangssperren und Hunger erheblich verschlimmert“, sagt Dr. Klaus Winter, Stellvertretender Vorsteher des HDZ. „Dank der Unterstützung unserer Spender konnten wir mit Soforthilfen für den Kauf von Schutzausrüstungen und Lebensmitteln sorgen. Dennoch ist weitere Unterstützung dringend erforderlich“, so Winter.
Afrika – Corona-Angst und Hunger
Corona hat die bittere Armut in Afrika drastisch verschärft, überall hungern die Menschen. Hinzu kommen Plagen biblischen Ausmaßes. So ziehen momentan riesige Schwärme von Heuschrecken über Kenia und die Nachbarländer. Sie fressen die dringend benötigten Ernten und hinterlassen kahle Bäume und Böden, wo immer sie auftauchen. So sind die Länder gleich dreifach gebeutelt – durch das Virus, die Lockdowns und die Natur.
Nigeria ist von den Heuschrecken bisher verschont geblieben, dennoch ist die Situation angespannt. In dem kleinen Ort Nsukka hat das HDZ vor zehn Jahren die Enyiduru Primary-School gegründet und unterstützt diese seither. Im Umfeld der Schule haben viele Menschen ihr Einkommen verloren. Durch das Schließen von Schulen und kirchlichen Einrichtungen sind die Tagesmahlzeiten für die Kinder weggefallen, ebenso wie der Zugang zu sauberem Trinkwasser.
„Viele unserer Dorfbewohner können ihren Kindern nicht einmal mehr eine Mahlzeit am Tag auf den Tisch bringen“, schreibt Schulleiterin, Schwester Mathilda. Dank dem HDZ konnte die Schule am 21. Juni 2020 wenigstens eine zweite Lebensmittel-Aktion für 480 Familien ihrer Schüler starten.
In Kenia sorgt sich derweil Dominikanerschwester Bernadette, Leiterin des Missions-Hospitals in Thika, dass der hohe Prozentsatz von Menschen, die infiziert sind, aber keine typischen Symptome zeigen, die Krankheit weiter verbreiten und die Anzahl der Intensivbetten in der vom HDZ aufgebauten und geförderten Klinik nicht ausreichen könnte. Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, hat das HDZ die komplette Schutzausrüstung für das Klinikpersonal finanziert.
In Zimbawe unterstützt das HDZ eine Dominikaner-Mission in der Hauptstadt Harrare. Die Mission unterhält zwei Krankenhäuser, fünf Schulen und ein Altenheim. Schwester Ferrare Weinzierl und ihre Glaubensschwestern betreuen zudem arme Menschen in einem Slum, darunter einige Waisenkinder. „Wir stehen ihnen mit Nahrungsmitteln, Schulgeld, Kleidung bei, die das HDZ gespendet hat“, so die Schwester.
Albanien – Große Not auch auf dem Balkan
„Das Virus hat Albanien immer noch fest im Griff. Trotzdem gehen wir mutig weiter in die Zukunft mit Gottes Hilfe!“ Das schreibt die deutsche Franziskanerin Sr. Gratias Ruf an das HDZ und dankt der Stiftung anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Missionsstation in Fushë-Arrëz für die langjährige Hilfe. Zwölf Jahre lang hat das HDZ den Hausbau in einem der ärmsten Regionen Europas unterstützt. Viele Dorfbewohner haben erst durch die Hilfe des HDZ ein menschenwürdiges Dach über dem Kopf bekommen.
Jetzt ist die Armut noch größer geworden. Es gibt keine Jobs, keine staatlichen Hilfen, keine Hoffnung. Derzeit erhalten ca. 150 Familien regelmäßig Lebensmittel, Kleidung und Möbel über die Missionsstation.
Indien und China – Leprahilfe unter schwierigen Bedingungen
„Wenn in einem Land mit rund 1,3 Milliarden Einwohnern Krankenhäuser und Fachärzte fehlen und in berüchtigten Elendsvierteln wie dem Dharavi-Slum in Mumbai fast eine Million Menschen auf engstem Raum leben, ist es praktisch unmöglich, Hygienemaßnahmen durchzusetzen und eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.“, beschreibt Dr. Winter die Situation in Indien. „Dennoch müssen wir die Versorgung der Patienten in den Leprakliniken und -dörfern irgendwie aufrechterhalten, denn im Falle einer Covid-Infektion sind die Leprakranken zusätzlich gefährdet.“
Die Projektpartner des HDZ in Indien und China kümmern sich daher auch in Corona-Zeiten aufopfernd um die Notleidenden, versorgen die Patienten mit Lebensmitteln. Medikamenten, Spezialschuhen und Prothesen und führen Operationen durch. In der chinesischen Provinz Guangdon sollen schnellstmöglich wieder Lepra-Wundversorgungen durchgeführt werden. Materialtests für neu angefertigte Schuhe und Prothesen laufen bereits, ebenso wie Wartungs- und Renovierungsarbeiten in der Lepra-Werkstatt.
Philippinen – Abgeschottet vom Rest der Welt
Die Projektpartner des HDZ auf den Philippinen berichten, dass auch dort noch kein Ende der Corona-Pandemie in Sicht ist. Seit vier Monaten ist Manila praktisch vom Rest der Welt abgeriegelt. „Die Kontrollen sind hier viel strenger als in Deutschland, da bei mehr als 100 Millionen Einwohnern die Corona-Zahlen sehr schnell explodieren können“, berichtet Sr. Sabine Korth, Krankenschwester in der vom HDZ-geförderten Mabuhay-Klinik in Bugko.
Die humanitäre Arbeit sei daher auch in Corona-Zeiten sehr wichtig. „Freiwillige stehen uns zur Seite und arbeiten in den verschiedenen Bereichen“, so Korth. „Auch das Ernährungsprogramm für Kinder wird aufrechterhalten, denn viele Menschen haben keine Arbeit und damit kein Einkommen, um ihre Familie zu ernähren.“
Spendenkonto
Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
IBAN: DE28300606010004444000
BIC: DAAEDEDDXXX
Unterlagen für die Altgoldsammlung können auf der Internetseite der Stiftung angefordert werden.
Südamerika – gute und schlechte Nachrichten
Gute Nachrichten kommen von Projektpartnern des HDZ aus Bolivien. Nach langen Wochen des Lockdowns können Spaltkinder in Bolivien seit dem 9. Juni 2020 wieder operiert werden. Hier hatte es einen regelrechten OP-Stau gegeben, viele Familien warteten sehnsüchtig auf die rettende Operation. Das HDZ unterstützt die Dr. Cleft Kinderhilfe seit vielen Jahren. Alleine in Bolivien wurden im vergangenen Jahr 302 Kinder erfolgreich operiert.
Alles andere als rosig sieht es dagegen in Argentinien aus. Dr. Carina Vetye-Maler betreut Arme und Kranke in den Slums von Buenos Aires für den HDZ-Projektpartner „Apotheker ohne Grenzen e.V.“ Sie berichtet dem HDZ, dass in ihrem Gesundheitszentrum immer mehr Mitarbeiter an Covid-19 erkranken. Dadurch werde es immer schwieriger, die normalen Aktivitäten zu stemmen, zum Beispiel Kontakte zu Kindergärten und Schulen zu halten und Zahnbürsten, Zahnpasta und Infomaterial zu verteilen.
Trotz der Personalengpässe finden noch Zahnhygieneschulungen statt und auch die Apotheke arbeitet weiter. Die strengen Ausgangssperren und Straßenkontrollen behinderten aber die Medikamentenlieferungen und verschlechtern zunehmend die Gesundheitssituation in den Slums. „Die Menschen haben kein Einkommen, sollen ihre Häuser nicht verlassen und haben Angst, in die Krankenhäuser zu gehen“, berichtet die Ärztin.
Gleichzeitig kämpfen die HDZ-Partner gegen die steigende Armut und Kriminalität: „Die Überfälle werden immer brutaler“, berichtet sie, „und die Suppenküchen kämpfen mit der steigenden Anzahl an Bedürftigen. Auch einer unserer Mitarbeiter kocht für diejenigen im Viertel, die nichts mehr zu essen haben.“
In den Medien nicht zu sehen
Alles in allem hat Corona die ärmsten Länder dieser Welt am härtesten getroffen, auch wenn dies in den Medien nicht widergespiegelt wird. „Viele Menschen sind derzeit verzweifelt unterwegs, um in den Zeiten der Pandemie irgendwie zu überleben“, sagt Klaus Winter. „Das HDZ hat weltweit Partner, die mit unseren relativ bescheidenen Mitteln wenigstens den Hunger für eine gewisse Zeit stillen können. Aber wir alle, die wir zu der sogenannten Wertegemeinschaft gehören, müssen uns – trotz eigener, unübersehbarer Sorgen – noch mehr mit den armen Menschen solidarisch zeigen.“
Yvonne Schubert, freie Journalistin