0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
4121 Views

Aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK – Priscus-Liste für die Praxis

8,3 Millionen ältere Menschen in Deutschland haben 2022 mindestens einmal ein potenziell inadäquates Medikament (PIM) verordnet bekommen, das zu unerwünschten Wechsel- oder Nebenwirkungen führen kann. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Damit war mehr als jeder zweite Mensch ab 65 Jahren (50,3 Prozent) davon betroffen.

Grundlage der Auswertung sind die an die 16,4 Millionen älteren GKV-Versicherten verordneten Arzneimittel, die auf der sogenannten Priscus-2.0-Liste verzeichnet sind. Die Liste führt Medikamente auf, die bei älteren Patienten nicht oder nur nach sorgfältiger Abwägung verordnet werden sollen, weil sie bei älteren Menschen unerwünschte Nebenwirkungen zeigen oder nicht adäquat sind.

„Wir haben bei diesem Thema kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Durch Arbeitshilfen für die ärztliche Praxis, Patienteninformationen und auch die kostenfreie Bereitstellung der Priscus-2.0-Liste kann der Transfer in die Praxis unterstützt werden“, so der WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder.

12,3 Prozent aller Tagesdosen potenziell ungeeignet

Im Jahr 2022 ist eine aktualisierte Priscus-2.0-Liste von potenziell ungeeigneten Arzneimitteln für ältere Menschen ab 65 Jahren veröffentlicht worden. Anhand dieser Liste und auf Grundlage der alters- und geschlechtsadjustiert hochgerechneten Arzneiverordnungen für über 65-jährige GKV-Versicherte im Jahr 2022 ermittelte das WIdO, dass immerhin 12,3 Prozent aller an ältere Menschen verordneten Tagesdosen potenziell ungeeignet sind. Mit 50,3 Prozent ist damit mehr als jede zweite ältere GKV-versicherte Person davon betroffen. Bei Frauen ist der Anteil der potenziell inadäquaten Medikation laut der Auswertung deutlich höher als bei Männern.

Auf ältere Patienten entfallen 56 Prozent des Verordnungsvolumens

„Die Arzneimittelversorgung der über 65-Jährigen ist geprägt durch die steigende Zahl der Erkrankungen im Alter und die Behandlung mehrerer, parallel vorliegender Krankheiten", sagt Helmut Schröder. Die Anzahl der gleichzeitig verordneten Arzneimittel nehme mit steigendem Alter deutlich zu. Insgesamt entfielen im Jahr 2022 auf die gesetzlich Krankenversicherten (GKV) ab 65 Jahre 56 Prozent des gesamten GKV-Verordnungsvolumens nach Tagesdosen. 43 Prozent der Versicherten über 65 Jahre wurden mit mehr als fünf verschiedenen Wirkstoffen gleichzeitig behandelt. Ältere Patientinnen und Patienten seien damit besonders gefährdet, unerwünschte Arzneimittelereignisse zu erleiden.

Verordnungsanteil immerhin rückläufig

„Medikamentennebenwirkungen wie Müdigkeit, Blutdruckabfall oder Sehstörungen können zu Stürzen oder kognitiven Einbußen führen und in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich sein", so Schröder. Erfreulich sei daher, dass der Verordnungsanteil der potenziell inadäquaten Medikation in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen ist: Hatte der Verordnungsanteil dieser Arzneimittel bei älteren Menschen im Jahr 2013 noch bei 14,6 Prozent gelegen, so lag er 2022 bei 12,3 Prozent.

Regionale Unterschiede bei PIM-Verordnung

Eine Auswertung nach Regionen zeigt allerdings deutliche Unterschiede in den Verordnungsraten von potenziell inadäquaten Medikamenten (PIM): Die geringsten PIM-Anteile werden mit 48,2 Prozent bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen erreicht. „Die Spannbreite der regionalen Unterschiede liegt bei 6,6 Prozentpunkten und gibt einen Hinweis darauf, dass in vielen KV-Regionen noch Verbesserungspotenzial besteht“, so Helmut Schröder.
Kompakte Zusammenfassung der Priscus-Wirkstoffe

Um den Wissenstransfer in die Praxis zu fördern, hat das WIdO eine kompakte Zusammenfassung der Priscus-2.0-Wirkstoffe als Arbeitshilfe für Ärztinnen und Ärzte erstellt. Sie steht im Gesundheitspartner-Portal der AOK zum Download zur Verfügung. Schröder verwies zudem auf die kostenlose Bereitstellung der kompletten Priscus-2.0-Liste durch das WIdO und eine aktuelle Patienteninformation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Thema.

Über das Projekt Priscus

Das Projekt Priscus 2.0 hat zum Ziel, die Arzneimitteltherapie bei älteren Menschen zu optimieren und unerwünschte Arzneimittelereignisse zu reduzieren. Priscus 2.0 baut auf der im Jahr 2010 in Deutschland erstellten ersten Fassung der Priscus-Liste auf. Ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaft und Praxis hat 2022 diese Liste auf den aktuellen Erkenntnisstand erweitert. Projektpartner sind neben dem WIdO die Universität Witten/Herdecke und die Medizinische Universität Wien.

Mehr als die Hälfte der Verordnungen potenziell unangemessener Medikamente bezieht sich auf Magenschutzpräparate, die sogenannten Protonenpumpeninhibitoren. Diese Medikamente werden bei Beschwerden wie saurem Aufstoßen bis hin zu einem manifesten Magen-Darm-Geschwür verordnet. Aber auch zur Prävention von Magenblutungen bei gleichzeitiger Einnahme von Schmerzmitteln oder Blutgerinnungshemmern kommen sie zum Einsatz.

Problematische Protonenpumpenhemmer

In die Analyse wurden nur PIM einbezogen, bei denen in den Verordnungsdaten eine Dauertherapie von mehr als acht Wochen erkennbar war. Eine Behandlung mit Gerinnungshemmern wird in der Regel dauerhaft durchgeführt, sodass auch eine längere Einnahme von Protonenpumpenhemmern gerechtfertigt sein kann. Nichtsdestotrotz ist die langfristige Einnahme dieser Medikamente vor allem bei älteren Menschen mit einem erhöhten Risiko für Osteoporose, Knochenbrüche und bestimmte Infektionen verbunden.

Protonenpumpenhemmer sind diejenigen Medikamente, die am häufigsten nach kritischer Indikationsstellung abgesetzt werden können. Ebenfalls zu den häufig verordneten potenziell unangemessenen Medikamenten zählen einige Wirkstoffe gegen Schmerzen, Antidepressiva und Medikamente bei Blasen- und Prostatabeschwerden.

Literatur

Mann NK, Mathes T, Sönnichsen A, Pieper D, Klager E, Moussa M, Thürmann PA (2023) Potentially inadequate medications in the elderly: PRISCUS 2.0 – first update of the PRISCUS list. Dtsch Arztebl Int 120: 3–10. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0377

Thürmann P, Mann N-K, Zawinell A, Niepraschk-von-Dollen K, Schröder H (2022) Potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen – PRISCUS 2.0. In: Schröder H, Thürmann P., Telschow C., Schröder M., Busse R. (Hrsg.): Arzneimittel-Kompass 2022. Qualität der Arzneimittelversorgung. Springer Verlag, Berlin Heidelberg. (Open Access verfügbar)

Reference: Interdisziplinär Patientenkommunikation Team Praxis

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
Aus einer Papiertüte schauen eine Avocado, Tomaten, Spaghetti und Möhren heraus. Drum herum liegen Bananen, rote Paprika, eine Zucchini, Äpfel, Kiwis, Mandeln, Kichererbsen, Granatapfelkerne und Granatapfelkerne, verschiedene Bohnensorten, und eine Flasche mit oranger Flüssigkeit.
22. Aug 2025

Nicht nur einzelne chronische Erkrankungen beeinflussbar

Studie der Universität Wien: Pflanzenbasierte Ernährung kann das Risiko von Multimorbidität senken
Auf einer zahnärztlichen Ablage liegen zwei Untersuchungsinstrumente und eine Spritze, im HIntergrund ein hellgrüner Patientenstuhl vor einem Schrank mit türkisen Schubladen.
19. Aug 2025

Bei Lokalanästhesie: „Mit Patientinnen und Patienten reden, ihnen zuhören, sie im Blick haben“

Ein Blick auf mehr als 30 Jahre Erfahrung in der zahnärztlichen Lokalanästhesie mit Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent. Frank Halling
Ein mit orangenen Präpariernadeln gehaltenes präpariertes Stück menschlicher Schleimhaut in einer Versuchsapparatur mit einem Scangerät am oberen Bildrand.
18. Aug 2025

Neue Endo-Technik erkennt Speiseröhrenkrebs noch früher

Kombination zweier Verfahren detektiert mikroskopische Veränderungen auch unter der Schleimhautoberfläche
Eine blonde Frau sitzt erschöpft und hält eine Flasche mit Wasser in der linken Hand. Links beugt sich ein Mann zu ihr und hält ihr mit ein weißes Tuch an die Stirn. Rechts beugt sich eine junge Frau zu ihr und stützt ihr mit dem rechten Arm den Rücken. In der anderen Hand hält die junge Frau einen Strohhut.
14. Aug 2025

Mit Diabetes sicher durch die heißen Tage kommen

Körpereigene Temperaturregulation ist oft beeinträchtigt – Deutsches Diabetes-Zentrum gibt Verhaltenstipps
Auf einem hellgrünen Untergrund liegen oberhalb zwei gelbe Handeln, ein Schale mit geschnittenen Tomaten, Gurken und Salatblättern, ein Apfel und eine dunkelgrüne Trinkflasche mit zwei Scheiben Zitrone. In der unteren Hälfte liegen zwei weiße Sportschuhe, ein Zentimetermaß, ein Müsliriegel und eine Sporthose.
8. Aug 2025

Nur ein Drittel ernährt sich gesund – Sitzzeiten sind gestiegen

DKV-Report 2025: Nur 2 Prozent der deutschen Bevölkerung leben rundum gesund
Prof. Dr. Dr. Stefan Listl hält lächelnd seine gerahmte Urkunde in die Kamera. Er steht draußen, hinter ihm ist eine Gebäudewand und hohes Gras zu sehen, rechts neben ihm ein unscharfer Strauch oder Baum.
6. Aug 2025

IADR ehrt Prof. Dr. Dr. Stefan Listl

Internationaler Forschungspreis der Zahnmedizin geht ans Heidelberg Institute of Global Health
Säugling, dem ein Speichelfaden aus dem Mund läuft
4. Aug 2025

Spucke: Saft mit Superkraft

Tag der Zahngesundheit (TdZ) widmet sich der Bedeutung von Speichel
Die Grafik zeigt von links die digitale Rekonstruktion eines echten Zahns, den Zahn im Querschnitt und Wurzelkanäle mit Pulpa.
4. Aug 2025

Ein 3D-gedruckter Zahn, der alles kann

UK Würzburg setzt neue Maßstäbe in der zahnärztlichen Lehre – praxisnah, wissenschaftlich fundiert und zukunftsorientiert