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Im Gegensatz zur Abformung präparierter Zähne geht es besonders um die Dimensionstreue, weniger um die Detailwiedergabe

Scan mit Scanbody.

Digitale Workflows sind in zahntechnischen Laboren schon seit Jahren etabliert. In den zahnärztlichen Praxen werden zunehmend Intraoralscanner zum Ersatz des letzten analogen Schritts – der konventionellen Abformung – eingesetzt. Gerade bei der Abformung von Implantaten ist ein konventionelles Herangehen technisch anspruchsvoll und fehleranfällig. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es möglich ist, auch die Abformung von Implantaten digital durchzuführen und dadurch eine technische Vereinfachung und Standardisierung zu erreichen. 
Dr. Ingo Baresel stellt in seinem Beitrag für die Implantologie 1/2023 den Ablauf der digitalen Abformung in der zahnärztlichen Praxis vor und gibt Tipps für die Auswahl des Intraoralscanners. Bei allen Vorteilen der digitalen Abdrucknahme ist auch hier zu beachten, dass auch im digitalen Workflow technische Kenntnisse und Erfahrung notwendig sind, um die bestmögliche Genauigkeit zu gewährleisten.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
 

Einleitung

Die Implantatversorgung ist eine wichtige und komplexe Behandlungsmethode in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. In Deutschland werden laut einer Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie jährlich etwa 1,3 Millionen Implantate inseriert. Das Indikationsspektrum umfasst Einzelzahnlücken, Freiendsituationen, Mehrfachlücken und zahnlose Kiefer. Die häufigste Indikation ist die Einzelzahnlücke in der Maxilla, wovon 40 Prozent im anterioren Bereich liegen1. Für einen langfristigen Verbleib eines Implantats ist neben einer gewebeschonenden chirurgischen Vorgehensweise, dem Material sowie der Oberfläche und Konstruktion der Implantate auch die Gestaltung der späteren prothetischen Versorgung maßgebend. Die Abformung ist ein entscheidendes Glied im Herstellungsprozess der nach der Implantation folgenden prothetischen Versorgung. Bei der Abformung von implantatgetragenem Zahnersatz kommt der Übertragung der Mundsituation wegen der mangelnden Eigenbeweglichkeit der osseointegrierten Implantate eine besondere Bedeutung zu. Die konventionelle Abformung ist dabei immer noch Standard in der täglichen Praxis. Sie ist jedoch mit zahlreichen material- und methodenbedingten Fehlerquoten behaftet. Eine absolut spannungsfrei sitzende Suprakonstruktion ist nach jetzigem Stand der Forschung mit konventionellen Abformmethoden nicht erreichbar2. Suprakonstruktionen, die nicht spannungsfrei auf den osseointegrierten Implantaten aufsitzen, können zu biologischen und mechanischen Komplikationen wie Schraubenverlust, Schraubenbruch, Implantatfraktur und Knochenverlust führen. Deshalb werden größere Implantatarbeiten im Mund „passiviert“.

Mit der digitalen intraoralen Abformung (Computer Aided Impression, CAI) steht eine neue Möglichkeit zur Verfügung, eine Abformung genau und für den Patienten komfortabel vorzunehmen (Abb. 1). Intraorale Kamerasysteme ermöglichen durch einen digitalen Workflow, die bisherige Herstellung konventioneller Gipsmodelle und Laborscans als Basis digitaler Daten abzulösen. Die optisch digitale Abformung ist im Bereich der Einzelzahn- und Quadrantenversorgung dem als „Goldstandard“ bezeichneten konventionellen Verfahren in der erzielten Genauigkeit zumindest gleichwertig, in den meisten Untersuchungen mit direktem Vergleich der Abformgenauigkeiten in diesen Bereichen sogar überlegen3. Auch für den Bereich des Gesamtkiefers bestätigen mittlerweile viele Untersuchungen diese These3−5.

Intraorale digitale Implantatabformungen sind jedoch bisher noch kein Standard. Dies ist verwunderlich, da in der Implantologie häufig konfektionierte Teile zum Einsatz gelangen. Diese sind leichter scanbar als individuelle Strukturen. Da auch für die der Abformung folgenden Restaurationen vielfach vollkeramische Werkstoffe verwendet werden, die ohnehin einen digitalen Workflow erfordern, ist es sinnvoll, die digitale Erfassung bereits im Mund zu beginnen.

Der Einsatz optischer Scannersysteme bei der digitalen Implantatabformung sollte folgenden Erwartungen nachkommen:

  • verbesserte Patientenakzeptanz und Komfortsteigerung,
  • potenzielle Kostenreduktion und Zeitersparnis für Patienten und Behandler,
  • Genauigkeit unter den klinisch akzeptablen Referenzgrenzen von 20 µm für Streckenabweichungen und 0,5° für Winkelabweichungen,
  • höhere Genauigkeit der prothetischen Rekonstruktionen.

Implantatabformungen

Ein Anliegen der Prothetik ist es, die mit vielen Fehlerquellen behafteten Herstellungsprozesse von Zahnersatz vorhersehbar und reproduzierbar zu gestalten. Die Abformung steht dabei am Anfang der Herstellungskette. Die einzelnen Schritte von der Abformung bis zur fertigen Restauration bedingen beim Auftreten eines Fehlers eine kumulative Häufung und Verstärkung desselben6.

Abformungen sind die Reproduktion einer intraoralen Situation von Implantatlage und Weichgewebe. Die ideale Abformung sollte einfach sein, zuverlässig, genau, für den Patienten angenehm und wenig Zeit erfordern7. Ziel der herkömmlichen Implantatabformung war es, die Implantatposition präzise auf ein Meistermodell zu übertragen und periimplantäre Strukturen sowie die Mukosa wahrheitsgetreu abzubilden. Dabei geht es im Gegensatz zur Abformung von präparierten Zähnen nicht nur um die Detailwiedergabe, sondern besonders um die Dimensionstreue einer Abformung.

Entscheidend bei der intraoralen Abformung ist eine möglichst exakte Erfassung der Implantatposition im Knochen. Die Erwartung ist, den „Stress“, den eine Versorgung auf ein Implantat und den Knochen ausübt, zu minimieren. Unter physiologischen Bedingungen ist eine Deformation des Knochens für den Erhalt des Knochenvolumens verantwortlich. Ob ein Implantat noch physiologisch belastet wird, hängt von der Verformung des Knochens und demzufolge vom Verhältnis zwischen der Größe der Belastung und der mechanischen Widerstandsfähigkeit des Knochens ab. Neben der Überlastung spielen die Vermeidung von Relativbewegungen und das Ausmaß der sich daraus ergebenden Mikrobewegungen eine wichtige Rolle8. Die traditionellen klinischen und labortechnischen Vorgänge, um eine absolute Passgenauigkeit implantatgetragener Suprakonstruktionen zu ermöglichen, sind mit vielen Fehlern behaftet9. Es existiert bisher kein Abformmaterial im Zusammenhang mit einer bestimmten Abformmethode, das die intraorale Situation des Patienten exakt reproduziert10−13. Die vielen einzelnen Schritte von der Abformung über die Modellherstellung bis hin zur fertigen Restauration bedingen beim Auftreten eines Fehlers eine kumulative Häufung und Verstärkung dieses Fehlers bis zum Ende6. Obwohl die Forderung nach einer absolut spannungsfreien Suprakonstruktion gestellt wird, um die Einwirkung von extraaxialen Kräften auf die Implantat-Knochen-Verbindung zu vermeiden, steht fest, dass ein absolut passiver Sitz einer mehrgliedrigen prothetischen Implantatversorgung selbst unter Laborbedingungen weder durch konventionelle noch durch eine digitale Abformung (Abb. 2) zu erreichen ist2,11,14,15. Eine absolut spannungsfreie Implantatsuprakonstruktion ist unerreichbar. Die plakative Forderung von Brånemark in einigen Veröffentlichungen16 bezüglich der Diskrepanz zwischen Abutment und Meso- beziehungsweise Suprastruktur von nicht mehr als 10 µm ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Wunschdenken beziehungsweise höchstens als erstrebenswertes Ziel zu bezeichnen. Auch die Forderungen von Klinebergt und Muray17 und Glockengießer18 von 30–70  µm Diskrepanz wurden nur in sehr wenigen In-vitro-Studien erreicht.

Es gibt derzeit keine wissenschaftlichen Richtlinien, die eine spannungsfreie Passung definieren und Angaben machen, wie diese zu messen sei13. Für Implantabformungen existieren für die erforderliche Passgenauigkeit zwischen Implantat und Restauration nur wenige – und dazu unterschiedliche – Empfehlungen, die in einem weiten Spektrum von 20 bis 345  µm differieren, sowie nicht fest definierte Grenzen2,7,19−21. Richtlinien, die eine spannungsfreie Passung definieren, existieren bislang nicht. Auch Baig22, der 34 Studien miteinander verglich, konnte keine eindeutige Grenze eruieren. Jemt2,10 definierte den spannungsfreien Sitz einer Implantatsuprakonstruktion in einem Level, bei dem keine mechanischen oder biologischen Komplikationen auftreten können, auf ein Spannungsfreilimit von 150 µm. Andriessen19 hält 100 µm Abweichung für die klinisch akzeptable Grenze. Dagegen beobachteten Carr et al.20 bei 345 µm Abweichung keine Folgen. Zu der Frage, ab welchem Grad an Passungenauigkeit Komplikationen auftreten, liegen ebenfalls noch keine Erkenntnisse vor. Ein negativer Einfluss einer unzureichenden Passgenauigkeit auf die Osseointegration dentaler Implantate ist noch nicht nachgewiesen13. Diese Untersuchungen zeigen, dass eine gewisse biologische Form von Toleranz zwischen Implantat und dem umgebenden Knochen vorhanden sein muss, wenn ein gewisser Grad von Misspassung auftritt.

Bei der Fertigung von Restaurationen mittels konventioneller Verfahrensweise müssen zusätzlich zum Abformungsfehler weitere Parameter der Fertigungskette, wie Schrumpfung des Abformmaterials, Gipsexpansion des Modells und weitere digitale Abformung mit dem Laborscanner, mit Fehlerquoten bis 28 µm7 sowie der Fertigungsfehler berücksichtigt werden. Ein reiner Vergleich der Abformgenauigkeit beider Abformmethoden ist daher rein hypothetisch. Eine Aussage über die klinische Genauigkeit der später gefertigten Restaurationen kann nicht getroffen werden, da beim konventionellen Abformungsgang diese weiteren, die Genauigkeit negativ beeinflussenden Parameter addiert werden müssen. Nur zusammen bestimmt diese Vielfalt von Variablen den Präzisionsgrad einer Restauration. Demgegenüber steht beim digitalen Workflow nur der Digitalisierfehler, neben dem Fertigungsfehler.

Digitale Abformungen sind für implantatprothetische Rehabilitationen ideal. Nahezu jeder Implantathersteller bietet inzwischen einen Workflow für die digitale Abformung von Implantatsystemen an. Zudem gibt es einige Drittanbieter, die ebenfalls für nahezu alle verfügbaren Implantathersteller digitale Workflows zur Verfügung stellen. Dies ist ein großer Schritt vorwärts, da digitale Abformungen die beim konventionellen Vorgehen im distalen Kieferbereich oft nur schwer möglichen Abformungen bedeutend erleichtern. Digitale Abformungen eliminieren viele der negativen systemimmanenten Eigenschaften konventioneller Abformungen, wie Eigenschaften des Abformmaterials, des Anmischens, der Löffelauswahl, der Temperaturunterschiede bei Transport- und Modellherstellung oder der Zeitdauer und deren Einfluss auf die Volumenerhaltung. Bei einer optischen Abformung treten keine Veränderungen bei gewinkelten Implantaten infolge der Entfernung der Scankörper und damit keine Deformationen der Modelle auf. Für die Übertragung der Position von Einzelzahnimplantaten und kleinspannigen Restaurationen eignen sich die meisten Scansysteme23.

Zahlreiche Studien haben sich mit den Ergebnissen von Intraoralscans von Implantatsituationen befasst. Wöstmann et al. untersuchten nach vorgegebenen Kriterien Studien zu digitalen Implantatabformungen und konnten acht Studien in ihre Untersuchung einbeziehen. Sie konstatierten, dass „die Anzahl klinischer Studien zur Genauigkeit digitaler Implantatabformungen gering ist. Daher konnte der Einfluss verschiedener Faktoren wie Scanpfad oder Scankörper nicht identifiziert werden. Die Genauigkeit neuerer Intraoralscanner (IOS) für digitale Implantatabformungen bei Patienten hat sich jedoch als klinisch akzeptabel erwiesen. Dennoch muss bei der Herstellung von implantatgetragenen Restaurationen der Übertragungsfehler berücksichtigt werden.“24 Wichtig beim Vergleich von Studien zur Genauigkeit von Intraoralscans bei Implantatsituationen ist es also, möglichst aktuelle Studien mit den momentan am Markt verfügbaren Geräten zu betrachten. Da sich die Scannertechnologie schnell verbessert hat, sind Studien mit älteren Modellen nicht sehr aussagekräftig.

In einer aktuellen Studie von 2022 kamen Mangano et al. bei einer Untersuchung von sechs Implantaten zu einer Abweichung vom Referenzscan im Mittel von 30,4–98,4 µm, abhängig vom jeweiligen Intraoralscanner25. Dilara Şeyma Alpkılıç et al. ziehen aus ihrer Studie den Schluss, dass „die neueste Generation von Intraoralscannern bei Implantatabformungen des gesamten Zahnbogens verwendet werden kann“26. Allerdings ist die Genauigkeit von Scans auch abhängig von der Menge an Schleimhaut, also der Entfernung zwischen den zu scannenden Zähnen oder Scanbodys. Je größer der Abstand ist, desto ungenauer werden die Scans27.

Weitere Faktoren beeinflussen die Genauigkeit von Scans. Bei der intraoralen Datenerfassung findet die Erfassung der Oberfläche des Objekts in der Mundhöhle statt. Hier herrschen beengte Platzverhältnisse sowie eine hohe Luftfeuchte vor. Das Handling der Kamera ist aufgrund des eingeschränkten Platzangebots vor allem im distalen Kieferbereich schwierig. Der Triangulationswinkel beträgt hier nur wenige Grad. Dies erklärt auch unpräzise Aufnahmen, besonders im Seitenzahnbereich9,28. Patientenbewegungen limitieren zusätzlich die Aufnahmezeiten der Kamera. Loosführt eine Zeit von maximal 1/8 Sekunde an, um Verwackelungen zu vermeiden.29 Nach neuen Untersuchungen von Hong Li haben Bewegungen des Patienten und des Behandlers während des Scannens, abhängig von der Geschwindigkeit des auftretenden Lichts und der Entfernung, Einfluss auf die Genauigkeit im Bereich von ± 20 µm. Die beste Frequenz der Bildtechnik, um die Eigenbewegung des Patienten und Behandlers auszugleichen, sind demnach 60 Hz. Höhere Werte bedingen keine Verbesserung30.

Die Fehlermöglichkeit, die eine unterschiedliche Entfernung − quasi der „Nichtkontakt“ − mit dem gemessenen Objekt verursachen kann, ist im Bereich 20 µm angesiedelt30.

Messfehler können auch dann auftreten, wenn ein Feuchtigkeitsfilm auf der Oberfläche vorhanden ist. Die Abweichung kann dann bei fast allen Scannern, besonders in der Höhe, bis zu 25 µm betragen3. Fehler bei der Datenerfassung entstehen in Abhängigkeit von der technischen Ausstattung der einzelnen Digitalisierungssysteme, zum Beispiel der Auflösung der Kamera, der Projektionsart des strukturierten Lichts und der Anzahl der Achsen des Messsystems. Auch im Messvorgang (Positionierungsfehler der Kamera mit einem ungünstigen Aufnahmewinkel, Nichteinhaltung des Scanpfads), in magnetischen Störfeldern bei der Bildverarbeitung und im Bildrauschen liegen nicht zu vernachlässigende Fehlerquellen.

Dazu addieren sich die Fehler des Anwenders. Sie bleiben für die Gesamtgenauigkeit eines Systems eine schwer fassbare Größe. Optoelektronisch erzeugte Messaufnahmen wiesen bei unterschiedlichen Behandlern Messungenauigkeiten von 11–50 µm auf3. Das Geschick, die Ausbildung und die Routine des Behandlers scheinen daher entscheidende Auswirkungen auf die Genauigkeit der resultierenden Daten zu haben.

Wie lange benötigt ein Intraoralscan?

Ein Irrglaube der Skeptiker von Intraoralscans ist, dass die benötigte Zeit, eine digitale Abformung zu erstellen, länger ist als die zur Erstellung einer konventionellen Abformung. Diese These ist falsch. Ganzkieferabformungen benötigen heute nicht mehr als ca. zwei bis drei Minuten, um hochpräzise Ergebnisse zu liefern. Dies beinhaltet den Scan des Präparationskiefers, des Gegenkiefers und die Bissnahme. Auch Studien zeigen, dass ein langsameres Scannen keine Verbesserung der Genauigkeit bringt31. Diese Geschwindigkeit ist mit konventionellen Mitteln nicht annähernd zu erzielen. Sollte sie nicht erreicht werden, ist dies nicht ein Problem des Intraoralscanners, sondern ein Zeichen mangelnder Übung und Erfahrung des Scannenden. Die Abformung mithilfe eines Intraoralscanners benötigt Übung. Die Lernkurve ist allerdings sehr steil, sodass nach ca. 50 Scans schon qualitativ sehr gute Ergebnisse in entsprechend kurzer Zeit erreicht werden können. Allerdings gibt es bei der Geschwindigkeit, mit der ein Intraoralscanner die benötigten Daten aufnehmen kann, deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Geräten. Je nach Einsatzgebiet wird eine hohe Scangeschwindigkeit mehr oder weniger dringend benötigt. Hohe Scangeschwindigkeiten bedingen allerdings, dass das Handstück auch zügig über die zu scannende Region bewegt wird, da der Scanner sonst zu viele identische Daten sammelt, die das Ergebnis negativ beeinflussen können.

Bei der digitalen Abformung (Abb. 3) werden anstelle der Übertragungspfosten sogenannte Scanbodys (Abb. 4) verwendet, die auf das Implantat intraoral aufgesteckt und/oder aufgeschraubt werden, um die spezifischen Daten übermitteln zu können, die erforderlich sind, um eine räumlich exakte Lagebestimmung des Laborimplantats zu ermöglichen. Ein „Scanbody“ hat eine präzise geometrische Gestalt und eine Oberfläche, die es erlaubt, optische Abformungen vorzunehmen. Die Scanbodys sind uneingeschränkt sichtbar, von einer bekannten Geometrie − und dadurch gut digitalisierbar − und geben die Position des Implantats wieder. Mit den ersten scanbaren Abutments wurde bereits 2004 experimentiert (Biomet 3i, Zimmer Biomet). Straumann führte 2010 ein scanbares Abutment ein und nannte es Scanbody. Glidewall Laboratories stellten 2012 einen Scanbody für verschiedene Implantatsysteme und Intraoralscanner vor. Diese Scanpfosten sind vorgefertigte Bauteile und somit von einer bekannten Geometrie. Neu entwickelte Scankörper mit spezieller Außengeometrie unter Berücksichtigung der „Iterative Closest Point Algorithm“(ICP)-Theorie bieten eine verbesserte Grundlage für die folgenden Matching-Algorithmen. Voraussetzung für die Weiterverarbeitung mittels CAD/CAM-Software ist, dass die Geometrie des Scanbodys in der Bibliothek der entsprechenden Software hinterlegt ist. Ein Scanbody sollte in der Lage sein, Informationen über Implantatposition, Plattformdurchmesser, Sechskantausrichtung und Verbindungstyp zu geben. Wenn das Abbild in der CAD-Software registriert ist, kann durch Algorithmen genau die Position des Implantats im virtuellen Modell bestimmt werden. In diesem virtuellen Modell können Abutments, und danach die Restauration, im modellfreien Workflow designt werden. Mit diesem Verfahren ist es möglich, ein bereits bestehendes Implantatsystem in den volldigitalen Workflow einzubinden. Der Datentransfer in die Produktionsstätte erfolgt ohne Verlust von Information, wenn die verwendeten Softwarelösungen aufeinander abgestimmt sind.

Für eine präzise Abformung der Scanbodys ist es nötig, die Parameter, die die Genauigkeit des Scanergebnisses beeinflussen können, zu kennen. Zunächst liegen Unterschiede schon in der Toleranz der Fertigung32. Hier sind Unterschiede zwischen den Herstellern der Scanbodys zu erkennen. Dies bedeutet, dass zwei Scanbodys der gleichen Marke nicht unbedingt genau übereinstimmen. Nach einer Untersuchung von Stimmelmayr et al.33 haben Scanbodys Ungenauigkeiten von 11−39 µm. Zudem wurden mittlere Abweichungen von Scanbodys nach dem Entnehmen und Zurücksetzen in die Originalimplantate von 13,2 ± 2,6 µm und bei Laboranalogen von 5,3 ± 2,0 µm gemessen. Schmidt et al. kamen zu dem Schluss, dass Fertigungstoleranzen von Scanbodys die Übertragungsgenauigkeit der Implantatposition von der aufgezeichneten intraoralen Position zum digitalen Modell entscheidend beeinflussen können27.

Ein weiterer Faktor für die Genauigkeit der Abformung dieser Scanabutments ist die Kongruenz der gescannten Scanbodys bei Überlagerung mit der in der Laborsoftware vorhandenen Datei. Auch hier zeigen sich scannerspezifische Unterschiede34. Die Genauigkeit einer intraoralen digitalen Abformung hängt zudem mitentscheidend von der Oberfläche und der Geometrie der Scanbodys ab, weniger von der Reposition17. Die Gestaltung der Scankörper sowie das für die Scankörper verwendete Material bilden eine wesentliche Schlüsselstelle zur detailgetreuen Abformung. So besitzen Polyetheretherketon(PEEK)-Scanbodys eine Genauigkeit von 2 µm4.

Die Abformung von Implantatsituationen erfordert ein anderes Vorgehen (Protokoll) als die Digitalisierung von Zähnen. Bei der optischen Erfassung eines Scanbodys kommt es nicht auf eine exakte Darstellung der Präparationsgrenze, sondern auf die exakte Erfassung der Implantatposition im Knochen an. Es ist daher, anders als von vielen Scannerherstellern in ihrem Workflow vorgegeben, beim Scanvorgang wichtig, möglichst die gesamte Situation − das bedeutet Scanbodys, Zähne und freie Schleimhautareale − in einem zu erfassen. Die hierzu benötigte Scanstrategie, die bei nahezu allen Intraoralscannern ein Abscannen zunächst der okklusalen, dann der oralen und abschließend der bukkalen Areale bedeutet, ist hierbei strikt einzuhalten.

Scanbodys sollten folgende Anforderungen erfüllen:

  • scanbare nicht reflektierende Oberflächenstruktur,
  • Formstabilität des Materials,
  • Rotationsschutz,
  • Diversität an Oberflächennormalen,
  • keine scharfen Kanten,
  • reproduzierbare Passung sowohl in den Original-implantaten als auch in den Laboranalogen.

Emergenzprofil

Für das Therapieergebnis von hoher Bedeutung ist auch die Ausformung eines Emergenzprofils durch Gingivaformer und besonders durch individualisierte Langzeitprovisorien und deren Abformung. Eine gezielte Weichgewebekonditionierung bewirkt eine optimierte Weichgewebestruktur, die dem Durchtrittsprofil eines natürlichen Zahnes möglichst nahekommt. Dadurch können die gingivale Stabilität der definitiven Versorgung erhöht und gute ästhetische Resultate herbeigeführt werden.

Die digitale Abformung zur Herstellung eines individuellen Gingivaformers findet schon während der Implantation statt. Nach dem Setzen des Implantats wird ein passender Scanbody eingeschraubt und das Areal für einige Sekunden gescannt. Anschließend erfolgt die weitere Versorgung des OP-Gebiets. Der Scan wird ins zahntechnische Labor übertragen. Dort wird ein individueller Gingivaformer designt und aus dem entsprechenden Material (PEEK, Zirkon, Polymethylmethacrylat [PMMA]) gefertigt. Beim Freilegen des Implantats wird dieser eingebracht und so die individuelle Situation ausgeformt. Beim Scan der Situation zur Herstellung der finalen Restauration können dann sowohl das Emergenzprofil (Abb. 5) als auch die Position des Implantats (Abb. 6) abgescannt und ins zahntechnische Labor übertragen werden. Durch dieses Vorgehen wird die Qualität des Ergebnisses funktionell wie ästhetisch optimiert.

Workflow

Der Workflow bei der optischen Abformung findet in folgender Reihenfolge statt:

  • Optische Abformung am Patienten nach Entfernung der „Healing abutments“ ohne Scanbodys; hier wird das Emergenzprofil gescannt.
  • Scannen von Scanbodys mit umgebenden Kontaktbereichen, Gingiva, Gegenkiefer und Bissregistration unter Kontrolle auf dem Bildschirm.
  • Laborinstruktion für Abutmentmaterial, Kronen- oder Gerüstmaterial, Farbe und Form; systemspezifische Datenaufbereitung und Freigabe des Datensatzes für die Weiterbearbeitung.

Intraoralscanner bieten je nach Hersteller Workflows für Implantatsituationen an. Darauf sollte man jedoch nicht in jedem Fall zurückgreifen. Viele Hersteller lassen den Anwender zunächst einen Ganzkieferscan mit offenen Implantatschrauben (Abb. 7) durchführen, um das Emergenzprofil aufzuzeichnen. Anschließend schneidet der Scanner entsprechende Areale für einen Scan der Scanbodys aus. Im zweiten Schritt werden jetzt die Scanbodys gescannt und der Scanner rechnet diese in den vorhandenen Erstscan ein. Dies mag bei zahnbegrenzten Einzelzahnsituationen gut funktionieren. Liegen allerdings Freiendsituationen von Brücken oder zahnlose Kiefer vor, sollte von diesen Methoden Abstand genommen und ein Ganzkieferscan der entsprechenden Situation durchgeführt werden. Leider liegen zu dieser Thematik noch keine Studien vor.

Ein besonderer Vorteil des digitalen Workflows gegenüber der analogen Abformung ist vor allem bei Sofortversorgungen gegeben. Nach Einbringen des Implantats ist es möglich, die Situation direkt mit dem Intraoralscanner und dem entsprechenden Scanbody digital abzuformen. Die Daten werden ins zahntechnische Labor übermittelt und die Herstellung des provisorischen Zahnersatzes kann beginnen. Nach kurzer Zeit kann der Patient so versorgt werden. Ein entsprechendes Vorgehen ist mit analogen Mitteln nicht möglich.

Zusammenfassung

Die digitale Abformung bietet gerade bei der Implantatabformung unzählige Vorteile. Wie bei allen intraoralen Tätigkeiten sind jedoch auch hier eine entsprechende Lernkurve und eine ausreichende Kenntnis der Prozesse notwendig. Hat man diese Technik allerdings erfolgreich in die tägliche Praxis integriert, erleichtert sie die Abformung von Implantatsituationen deutlich. Es lässt sich dabei kein allgemeingültiger Ratschlag für den Kauf des „richtigen“ oder „besten“ Intraoralscanners geben. Wichtig ist, die infrage kommenden Scanner im realen Einsatz am Patienten zu testen, um das Handling im Praxisalltag beurteilen zu können. Zudem kann man anhand einer Prioritätenliste das für einen persönlich am besten passende Gerät finden. Klar ist allerdings, dass sich jeder Zahnarzt heute mit diesem Thema befassen muss. Intraoralscanner sind keine Technologie der Zukunft, sondern bieten schon heute unübertroffene Vorteile für die Qualität der Behandlung und das Wohl der Patienten.

Ein Beitrag von Dr. Ingo Baresel, Cadolzburg

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Implantologie

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