Krebsgeschwulste dürfte es im Grunde gar nicht geben, denn das Immunsystem ist prinzipiell in der Lage, veränderte Zellen zu erkennen und zu zerstören, bevor sie zu einem Tumor heranwachsen. Diese Abwehr zu unterstützen, ist das Ziel sogenannter Immuntherapien. Auf verschiedene Weise stärken sie die gegen Krebszellen gerichteten Abwehrsysteme und helfen, den Tumor für die Immunzellen besser sichtbar zu machen.
Welche Formen der Immuntherapie es gibt, wie sie wirken und wie sie speziell gegen Tumoren im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt werden können, diskutieren Experten auf der Pressekonferenz anlässlich der 89. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO KHC), die vom 9. bis 12. Mai 2018 in Lübeck stattfindet.
Rauchen, Viren, Alkohol
Kopf-Hals-Tumoren stehen auf der Liste der weltweit häufigsten Tumorerkrankungen an sechster Stelle. Ihre Entstehung wird besonders durch Tabakrauch, den übermäßigen Konsum von hochprozentigen Alkoholika und humane Papillomviren gefördert. Aufgrund ihrer Nähe zu lebenswichtigen Strukturen können Tumoren im Kopf- und Halsbereich nicht immer vollständig operativ entfernt werden. Auch bei einer Bestrahlung kann das umliegende Gewebe in Mitleidenschaft gezogen werden. „Gerade in diesem Bereich ist die Entwicklung von Immuntherapien, die spezifisch gegen den Tumor vorgehen, besonders wichtig“, sagt Prof. Dr. med. Stephan Lang, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Essen im Vorfeld der 89. Jahresversammlung.
Im Fokus der Immuntherapie stand lange Zeit der Versuch, das Immunsystem stärker zu aktivieren. „Seit einigen Jahren hat man jedoch erkannt, dass auch die Lösung von Blockaden eine wichtige Rolle spielt“, erläutert Lang. Denn Krebszellen weichen der Immunabwehr oft aus, indem sie den Immunzellen eine Art molekulares Stoppschild entgegenhalten. Treten diese Stopp-Signale in Kontakt mit passenden Rezeptoren auf der Oberfläche der Immunzellen, dann werden diese deaktiviert – die Immunabwehr kommt zum Erliegen. Spezifische Antikörper gegen die tumoreigenen Stopp-Signale können diese Blockade durchbrechen und sind zum Teil schon zur Tumortherapie zugelassen. Als Beispiel nennt der Experte den Antikörper Nivolumab, der verhindert, dass Stopp-Signale den so genannten PD-1-Rezeptor auf T-Zellen erreichen. „Dieser wird zurzeit nur bei fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren eingesetzt, die auf andere Therapien nicht mehr ansprechen“, erklärt Lang. Hier habe er das weitere Wachstum der Tumoren verlangsamen und die Überlebenszeit der Patienten leicht erhöhen können.
Chimärer Antigenrezeptor
Ein weiterer immuntherapeutischer Ansatz ist es, das Immunsystem auf bestimmte Tumorantigene „scharf zu stellen“ und den Tumor so besser angreifbar zu machen. Das kann über eine Art Impfung geschehen, aber auch über eine gezielte Veränderung von T-Zellen, die den Patienten zuvor entnommen wurden. „Mithilfe molekularbiologischer Methoden werden die T-Zellen mit einem speziellen Rezeptor ausgestattet, dem so genannten CAR“, sagt Lang. Das Kürzel steht für „chimärer Antigenrezeptor“ – denn der künstliche Rezeptor ist aus mehreren Teilen zusammengesetzt: Ein Teil ist für die Erkennung spezieller Tumormoleküle zuständig, ein anderer dafür, die T-Zellen zusätzlich zu aktivieren. Solchermaßen aufgerüstete T-Zellen konnten in einer britischen Phase-1-Studie bei rund der Hälfte der Patienten das weitere Wachstum fortgeschrittener Kopf-Hals-Tumoren aufhalten. „Ein erster vielversprechender Ansatz, der noch weiter erforscht werden muss“, so Lang.
Die verschiedenen Ansatzpunkte der Immuntherapie sowie die therapeutischen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, wird Prof. Lang auf der Pressekonferenz am 8. Mai in Lübeck sowie im Symposium der Jahresversammlung „Aktuelle Gebiete der Forschung, die die Zukunft der HNO-Heilkunde verändern werden“ am 10. Mai vorstellen.
Literatur:
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