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Ein unterstützendes diagnostisches Verfahren mit optischen Vergrößerungshilfen, dass sich hervorragend für Kariesdiagnostik, Pulpadiagnostik und anatomisch-morphologische Diagnostik eignet
Ein 64-jährige männlicher Patient klagte über ausstrahlende, reizüberdauernde Schmerzen auf Wärme in Regio 16. Röntgenografisch lagen keine pulpanahen Kavitäten vor. Apikal lag kein pathologischer Befund vor.
Die intrakoronale Befundaufnahme ermöglicht unter Nutzung einer optischen Vergrößerung die systematische Erhebung spezieller zahnbezogener Befunde, sodass Verdachtsdiagnosen überprüft und eine adäquate Therapie bestimmt werden können. Grenzen und Möglichkeiten der endodontischen Therapie können anhand der jeweiligen Praxiskompetenzen ermittelt werden, um so Komplikationen für den Patienten zu vermeiden. Eine Überweisung an Praxen, die auf endodontische Problemfälle spezialisiert sind, kann damit rechtzeitig im Interesse der Patienten erwogen werden. Der vorliegende Beitrag von Autor Dipl. Stom. Michael Arnold stellt die Methode und die aktuellen Möglichkeiten der Befundaufnahme und Diagnostik für das Fachgebiet der Kariologie und Endodontologie vor.
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Einleitung
Eine exakte Diagnostik ist an die Erhebung aller relevanten Befunde und deren Interpretation gebunden. Anamnestische Angaben des Patienten werden dazu mit den klinischen und radiologischen Befunden in Beziehung gesetzt, um Verdachtsdiagnosen abzuleiten. Der Prozess der erfolgreichen Differenzialdiagnostik unter Vermeidung von Fehldiagnosen ist häufig vom aktuellen Wissensstand, von der klinischen Erfahrung und vom Training des Behandelnden abhängig.
Neue diagnostische Hilfsmittel und Verfahren können die Befundaufnahme und Diagnostik in der Zahnmedizin weiter erleichtern und verbessern. Neben der Einführung neuer digitaler radiologischer Verfahren haben die Hilfsmittel zur optischen Vergrößerung entscheidenden Einfluss auf die qualitative Verbesserung in der Zahnmedizin genommen. Aktuell können Intraoralkameras, Lupenbrillen und Dentalmikroskope unter koaxialer schattenfreier Lichtzufuhr in der Praxis genutzt werden. So gelingt es in den vergangenen Jahren besser, Details in der Mundschleimhaut oder der Zahnhartsubstanz zu erkennen und neue minimalinvasive Therapieverfahren anzuwenden.
Erstmals wurde vor zehn Jahren die Einführung der intrakoronalen Befundaufnahme und Diagnostik (IKD) als ein neues unterstützendes diagnostisches Verfahren vorgestellt2. Die Indikationen erstrecken sich von der Kariesdiagnostik über die Pulpadiagnostik bis hin zur anatomischen und morphologischen Diagnostik.
Indikationen der IKD
Karies: Ausdehnung des mikrobiell infizierten Dentins anhand der farblichen Strukturveränderung des Dentins und Dentinkanälchen; gleichzeitig interne Kontrolle auf eine Sekundärkaries
schrittweise Kariesentfernung zur Erhaltung der Pulpa
Pulpabefund: Differenzialdiagnostik partielle Pulpanekrose; reversible versus irreversible Pulpitis
Ermittlung der Ursache für interne Zahnverfärbung und Bestimmung der geeigneten Therapie
Ausdehnung und Lokalisation von Dentinrissen und Abschätzung der Prognose
Pulpasteine und Mineralisationen der Pulpa: Unterscheidung reparativer Hartgewebeneubildungen von Dentin vor der Freilegung von Wurzelkanaleingängen
Wurzelkanaleingänge und Isthmen: Bestimmung der Lage, Anzahl und Querschnitte zur Ermittlung einer adäquaten Erweiterung und Reinigung
Differenzierung von Wurzelkanälen und Perforationen
Ermittlung der Art von Wurzelkanalfüllungsmaterial zur Bestimmung der geeigneten Entfernungsmethode
Resorptionen: Bestimmung von Lage und Ausdehnung; Differenzialdiagnostik externe versus interne Resorption
Reevaluation nach regenerativen endodontischen Therapieverfahren
Methodisches Vorgehen
Zur Abklärung der Erhaltungsfähigkeit des betroffenen Zahns und zur Auswahl einer adäquaten Therapie kann die IKD im Rahmen der zahnärztlichen Tätigkeit genutzt werden. In Abhängigkeit von Symptomatik und Vitalität der Pulpa erfolgt eine lokale Anästhesie. Der Zahn wird unter absoluter Trockenlegung isoliert von der Mundhöhle, um eine zusätzliche mikrobielle Infektion zu vermeiden.
Es wird die endodontische Zugangskavität präpariert in Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung. Es kann erforderlich werden, dass alte Füllungsmaterialien vollständig entfernt und ersetzt werden müssen, damit eine sekundäre Karies einen aseptischen Zugang nicht kompromittiert. Die Anwendung der IKD ist nur unter Nutzung einer optischen Vergrößerung (Intraoralkamera, Lupenbrille, Dentalmikroskop) zu empfehlen2.
Die Befunddaten werden schriftlich dokumentiert. Wurden digitale Bilder oder Videoaufzeichnungen angefertigt, werden diese zum Patienten eingespeichert und können auf Wunsch für eine mögliche Weiterbehandlung zur Verfügung gestellt werden. Nach Entfernung der Füllungsmaterialien kann das Dentin in der Farbe und Beschaffenheit beurteilt werden. Bei vitaler Pulpa kann in Abhängigkeit von Symptomatik und Alter des Patienten entschieden werden, ob eine schrittweise Kariesentfernung, eine partielle oder vollständige Pulpotomie erfolgen soll.
Wird eine Wurzelkanalbehandlung erforderlich, erfolgt die vollständige Abtragung des Pulpakammerdachs. Nach der Freilegung der Wurzelkanaleingänge erfolgt eine vertiefende Präparation (tertiäre Zugangskavität), damit die Wurzelkanäle und das Dentin hinsichtlich pathologischer Veränderungen beurteilt werden können. Die Anfertigung von Fotografien zur Dokumentation kann erforderlich werden, damit eine adäquate Therapie im Verlauf einer konsiliarischen Erörterung, eine prognostische Beurteilung und eine Erfolgskontrolle ermöglicht werden kann.
Kariesdiagnostik und schrittweise Kariesentfernung
Die Nutzung einer optischen Vergrößerung verbessert signifikant die Genauigkeit in der Kariesdiagnostik8. Bei tiefer Karies an symptomlosen Zähnen ermöglicht die schrittweise Kariesentfernung die Erhaltung einer vitalen Pulpa4,11. Die zweizeitige schrittweise Kariesentfernung ohne Nutzung einer optischen Vergrößerung zeigt eine erhöhte Gefahr einer nachfolgenden infizierten Pulpanekrose, da nur 65 Prozent aller Behandlungen nach 12 Monaten erfolgreich waren10 (Abb. 1a bis c). Erst mit der Verwendung von chemomechanischen Hilfsmitteln unter Anwendung einer optischen Vergrößerung konnte der Erfolg nach 12 Monaten auf 90 Prozent in Anwendung einer einzeitigen Therapie verbessert werden1.
Abb. 1a Der 64-jährige männliche Patient klagte über ausstrahlende, reizüberdauernde Schmerzen auf Wärme in Regio 16. Röntgenografisch lagen keine pulpanahen Kavitäten vor. Apikal lag kein pathologischer Befund vor.
Abb. 1b Nach Entfernung der okklusalen Füllung ließ sich distal kariös verfärbtes Dentin bis zur Pulpakammer erkennen. Eine Unterfüllung und Kompositfüllung verschloss die Kavität ohne unter Vergrößerung erkennbare Randspalten, sodass eine sekundäre Infektion ausgeschlossen werden konnte.
Abb. 1c Nach der Eröffnung des Pulpakammerdachs lag eine Nekrose der Kronenpulpa vor und bestätigte den Verdacht einer irreversiblen Pulpitis nach unvollständiger Kariesentfernung.
Pulpitisdiagnostik
Nach den bisherigen Untersuchungen gelingt es nicht sicher, den Grad der Schädigung der Pulpa zu ermitteln. Die Symptomatik und die Sensibilitätstests geben erste Hinweise auf den Grad der Schädigung. Nach einer histologischen und histopathologischen Untersuchung konnte bestätigt werden, dass es in den meisten Fällen gelingt, eine gesunde Pulpa von einer entzündeten zu unterscheiden21.
Der Grad der Kariesausdehnung im Dentin ist nicht allein verantwortlich für irreversible Schäden der Pulpa. Die Diffusion von Biomolekülen, die Apoptose von Odontoblasten und der Zerfall von Pulpagewebe kann bereits bei einer ersten mikrobiellen Besiedlung des Dentins nachgewiesen werden9,17,20. Gelingt es der Pulpa nicht, den Defekt mit mineralisiertem Hartgewebe zu versiegeln, können Stoffwechselprodukte oder Mikroorganismen selbst einen Entzündungsprozess induzieren, der mit Nekrosen und weitergehender mikrobieller Infektion einhergehen kann.
Im Fall einer bis in die Pulpakammer ausgedehnten Karies ist von einem oberflächlich irreversiblen Gewebeschaden der Pulpa auszugehen. Die Tiefe der Schädigung innerhalb der Pulpa kann enzymatisch ermittelt werden. Dazu werden Blutproben aus dem Pulpagewebe auf die Konzentration von Matrix-Metalloproteinasen (MMP) 9 untersucht16. Die irreversibel geschädigte Pulpa kann durch besonders hohe Konzentrationen an MMP 9 identifiziert werden27. Für den klinischen Einsatz stehen noch keine praktikablen Testverfahren zur Verfügung.
Abb. 2a Zahn 26 einer 34-jährigen Patientin mit pulpitischen Beschwerden. Der periapikale radiologische Befund ist unauffällig. Koronal lässt sich eine pulpanahe Füllung vermuten.
Abb. 2b Während der Freilegung des Kavitätenbodens wird mesiobukkal eine ehemals eröffnete Pulpakammer im kariesfreien Dentin sichtbar. Mineralisiertes Reparaturgewebe hat teilweise zum Verschluss des Pulpakammerdachs beigetragen. Es besteht der Verdacht auf eine partielle Pulpanekrose.
Abb. 2c Nach der Entfernung des Pulpakammerdachs lässt sich durchblutetes Pulpagewebe erkennen. Der bukkale Anteil der Pulpa erscheint inhomogen und mit degenerativem Gewebe durchsetzt. Palatinal lässt sich am Wurzelkanaleingang ein Gewebezerfall mit putrider Einlagerung erkennen.
Abb. 3a Die symptomlose Patientin bestätigte ein dentales Trauma und eine zunehmende Verfärbung der Zähne 11 und 21.
Abb. 3b Mit Blick auf die Röntgenaufnahme besteht der Verdacht auf eine interne Resorption. Apikal lag bei beiden Zähnen kein pathologischer Befund vor.
Abb. 3c und d An beiden Zähnen mit negativem Sensibilitätstest bestätigte sich während der intrakoronalen Befundaufnahme und Diagnostik (IKD) eine vollständige Pulpanekrose. Verbliebene Blutbestandteile führten zu einer Verfärbung des Dentins.
Die IKD kann zur unmittelbaren visuellen Beurteilung der Entzündung der Pulpa genutzt werden. Nach Freilegung kann das Gewebe auf den Einschluss von Fettgewebe, mineralisierter Einlagerungen, fibrosierter Gewebe, nekrotischer Gewebeanteile mit Pus oder intrapulpaler Einblutungen als Reaktion auf einen akuten Entzündungsprozess beurteilt werden (Abb. 2 und 3). Zur Differenzierung des Gewebes empfiehlt sich eine mindestens 8- bis 16-fache Vergrößerung, sodass nicht mehr erhaltungsfähiges Gewebe besser erkannt und selektiv entfernt werden kann.
Mit der differenzialdiagnostischen Beurteilung kann eine reversible von einer irreversiblen Pulpitis besser unterschieden und eine nach Möglichkeit minimalinvasive The-ra-pie bestimmt werden (Abb. 4a bis d). Aktuell werden vitalerhaltende Therapien mit guter Prognose empfohlen6,7.
Dentinrisse
Risse im Schmelz und Dentin können das Ergebnis einer akuten oder chronischen funktionellen Überbelastung eines Zahns oder mehrere Zähne sein12. Bei sehr langsamem Verlauf kann die Pulpa Reparaturgewebe produzieren, das ein Eindringen von Mikroorganismen in die Pulpa erschwert. Werden Risse nicht rechtzeitig erkannt und adäquat versorgt, dehnen sie sich aus und ermög-lichen eine mikrobielle Besiedlung mit der Folge einer Infektion der Pulpa und des Parodonts. Grundsätzlich können „Dentinal cracks“ von vertikalen Wurzelfrakturen unterschieden werden.
Abb. 4a Die 34-jährige Patientin klagte über reizgebundene Schmerzen am Zahn 46. Das Dentin war distal erweicht bis zur Pulpakammer. Es bestand der Verdacht auf eine reversible Pulpitis.
Abb. 4b Nach einer Aufbaufüllung mit Komposit wurde das kariöse Dentin vollständig entfernt und die eröffnete Pulpa partiell angefrischt mit einem kugelförmigen Diamanten unter Wasserkühlung.
Abb. 4c Nach der Desinfektion mit Natriumhypochlorit (NaOCl) und 5-minütiger Wartezeit mit einem in Natriumchlorid (NaCl) getränkten Wattepellet kam es zu keiner weiteren Blutung der Amputationswunde. Die Verdachtsdiagnose einer reversiblen Pulpitis hatte sich damit bestätigt.
Abb. 4d 9 Jahre nach partieller Pulpaamputation ist der Zahn 46 radiologisch unauffällig und reagiert auf den Sensibilitätstest positiv.
Abb. 5a Der 54-jährige männliche Patient klagte über reizüberdauernde Schmerzen auf Wärme am Zahn 36. Auf der Röntgenaufnahme liegt apikal kein pathologischer Befund vor. Eine pulpanahe röntgendichte Füllung lässt eine direkte Pulpaüberkappung vermuten.
Abb. 5b Das Dentin am Kavitätenboden war bräunlich verfärbt. Von mesial nach distal ließ sich ein Dentinriss erkennen mit einer Ausdehnung bis zur Pulpakammer (Pfeile).
Abb. 5c Nach Entfernung des Pulpakammerdachs ließ sich eine homogene Kronenpulpa erkennen mit Ablösung von der Dentinwand und kontinuierlicher Blutung aus dem mesiolingualen Wurzelkanal. Es wurde eine auf die mesiale Pulpa begrenzte irreversible Pulpitis diagnostiziert.
„Dentinal cracks“
„Dentinal cracks“ dehnen sich meist von okklusal nach apikal aus. Die prognostische Beurteilung war bislang nur eingeschränkt möglich. Dabei wurde die Prognose nur dann als schlecht beurteilt, wenn sich bereits pathologische Taschen gebildet hatten15. Tatsächlich sind Risse durch den Kontakt mit dem Mundhöhlenmilieu immer mikrobiell infiziert22. Im Verlauf der IKD kann die genaue Ausdehnung der Risse ermittelt werden (Abb. 5a bis c). Erreichen die Risse den Boden der Pulpakammer oder die Zugänge zum Wurzelkanalsystem, ist der langfristige Erhalt des betroffenen Zahns gefährdet. Eine rechtzeitige Extraktion kann helfen, hohe Folgekosten zu vermeiden. Erreichen die Risse nur das Dentin ohne Beteiligung der Pulpa oder enden oberhalb der Wurzelkanaleingänge, ist der Erhalt des Zahns uneingeschränkt möglich. Die Bestimmung des Umfangs der restaurativen Versorgung kann adäquat zu den vorgefundenen Hartgewebefrakturen erfolgen13.
Vertikale Wurzelfrakturen
Vertikale Wurzelfrakturen haben ihren Ursprung im apikalen Wurzeldentin und dehnen sich nach koronal aus. Erreichen die Risse das marginale Parodont, werden sie mikrobiell infiziert und eine eng begrenzte, sondierbare Tasche deutet auf den irreversiblen Defekt mit schlechter Prognose hin. Nicht immer lassen sich die vertikalen Einbrüche sondieren. Liegen die Risse im Bereich der Furkation oder noch subkrestal, sind die sonst typischen sondierbaren Taschen nicht erkennbar. Während der IKD kann das Dentin und das Wurzeldentin meist bis in das mittlere Wurzeldrittel beurteilt werden (Abb. 6a und b).
Abb. 6a Nach einer Füllungsfraktur wurde eine endodontische Revision der infizierten Wurzelkanalfüllung mit dem Ziel einer Überkronung des Zahns 35 geplant. Es lagen keine pathologischen Sondierungswerte vor.
Abb. 6b und c Während der Darstellung des Wurzelkanaleingangs und nach vertiefender Präparation ließ sich bukkal und lingual ein vertikaler Dentinriss erkennen (Pfeile). Die Diagnose Vertikalfraktur wurde gestellt.
Obliterationen der Pulpakammer und der Wurzelkanäle
Häufig können bereits auf Röntgenaufnahmen erste Hinweise auf eine Obliteration der Pulpakammer oder der Wurzelkanäle vermutet werden. Damit kann die Schwierigkeit einer erforderlichen Wurzelkanalbehandlung abgeschätzt werden. Projektionsbedingte Überlagerungen oder Aufteilungen von Wurzelkanälen können aber auch das Phänomen einer radiologischen Obliteration vortäuschen.
Abb. 7a Zahn 36 mit partieller Obliteration und apikaler Aufhellung.
Abb. 7b Unter 20-facher Vergrößerung lässt sich der obliterierte mesiolinguale Wurzelkanal am sklerosierten Dentin vom Sekundärdentin differenzieren.
Abb. 7c Die weitergehende vertiefende Präparation ermöglichte das Auffinden und Eröffnen des Wurzelkanals.
Abb. 7d Zwei Jahre nach Abschluss der Wurzelkanalbehandlung hat sich die ausgedehnte periapikale Aufhellung vollständig zurückgebildet.
Abb. 8 Mehrere bernsteinfarbene Pulpasteine innerhalb der Kronenpulpa des Zahns 17.
Mit der IKD lässt sich der Grad einer Obliteration ermitteln (Abb. 7a bis d). Pulpasteine können radiografisch die Pulpakammer scheinbar vollständig ausfüllen. Bei der direkten Sicht in die Pulpakammer können die Hart- und Weichgewebe gut differenziert werden, sodass der Zugang zum Wurzelkanalsystem freigelegt werden kann. Die Differenzierung von dentinähnlichen Pulpasteinen gelingt während der IKD anhand der Farbwidergabe. Durch den Einschluss von Blutgefäßen erscheinen Pulpasteine meist goldgelbbernsteinartig (Abb. 8). Je mehr Gewebeeinschlüsse in diesem mineralisierten Gewebe integriert wurden, um so dunkler können Pulpasteine erscheinen (Abb. 9a und b). Pulpasteine werden größtenteils durch Fibroblasten der Pulpa produziert und liegen deshalb meist lose in der Pulpakammer. Sie können aber auch im Verlauf der Sekundärdentinbildung der Odontoblasten in das Dentin integriert werden und adhärieren. Der Gewebespalt zwischen Sekundärdentin und Pulpastein lässt sich unter vergrößerter Sicht und trockener Präparation mit einem Rosenbohrer darstellen. So kann der Gewebespalt nachFreilegung in toto luxiert oder mit dem Rosenbohrer in Teilen entfernt werden (Abb. 10a bis d).
Abb. 9a Zahn 36 mit apikaler Aufhellung und nahezu vollständig mineralisierter Pulpakammer.
Abb. 9b Während der IKD konnte der braungelbliche Pulpastein freigelegt und luxiert werden. Erst nach der Entfernung gelang die Darstellung der Wurzelkanaleingänge.
Abb. 10a Zahn 16 mit scharf begrenzter apikaler Aufhellung und Markierung des Fistelkanals mit einem Guttaperchastift. Die Pulpakammer erscheint vollständig obliteriert zu sein.
Abb. 10b Nach der Eröffnung der Pulpakammer lässt sich der goldgelbe Pulpastein von Sekundärdentin am Gewebespalt bei 8-facher Vergrößerung sicher entfernen.
Abb. 10c Mineralisierte Pulpagewebe sind bis in das mittlere Wurzeldrittel zu erkennen und erfordern eine sorgfältige Strategie zur Überwindung.
Abb. 10d Sechs Monate nach Abschluss der Therapie ist die Fistel abgeheilt und die periapikale Aufhellung deutlich verkleinert.
Diagnostik einer Perforation oder Wurzelkanal mit Pulpagewebe
Mit der Trepanation der Pulpakammer und Darstellung der Wurzelkanaleingänge können Blutungen am Boden der Pulpakammer Hinweise auf Wurzelkanäle mit verbliebenem Pulpagewebe sein. Es kann sich aber auch um eine Perforation als Folge einer Resorption oder vorangegangenen invasiven Therapie handeln25. Perforationen treten an 2 bis 10 Prozent aller wurzelkanalbehandelten Zähnen auf25. Um weitere parodontale Schäden zu vermeiden, kann zur Lokalisierung und Orientierung eine vorhandene digitale Volumentomografie (DVT) genutzt werden29. Während der IKD können Perforationen von Wurzelkanaleingängen bereits unterschieden werden, indem Dentinstrukturen und die Anatomie des Zahns analysiert werden (Abb. 11 und 12). Der Verlauf von Dentinkanälchen oder Dentinfarben geben wichtige Hinweise zur Orientierung. Die Absicherung der Diagnose Perforation gelingt am sichersten mit der Elektrometrie. Die sofortige Apex-Anzeige bei Berührung des vermeintlichen Wurzelkanals weist die Kommunikation der Perforation mit dem Parodont nach.
Abb. 11a Nach dem Versuch einer Revision am Zahn 26 bestand der Verdacht auf einen zusätzlichen Wurzelkanal mit vitaler Pulpa. Der präparierte Pulpakammerboden ließ allein keine Orientierung mehr zu. Die fehlende Begrenzung des scheinbaren Wurzelkanals von Sekundärdentin deutete jedoch auf eine Perforation hin.
Abb. 11b Die Extension der Zugangskavität nach distobukkal ermöglichte die Freilegung des distobukkalen Wurzelkanals. Eine weitere Manipulation der Perforation konnte vermieden werden.
Abb. 12 Intrakoronale Befundaufnahme am Zahn 17. Nach einem ersten Versuch, die stark verengten Wurzelkanäle aufzufinden, wurden drei artifizielle Kanäle präpariert (*). Die Lage der präparierten Kanäle passte nicht zur Begrenzung des Sekundärdentins. Erst nach erweiterter Entfernung des überlagernden Sekundärdentins ließen sich alle Wurzelkanäle darstellen (siehe Pfeile; P = palatinaler Wurzelkanal, DB = distobukkaler Wurzelkanal). Die mesiobukkalen Kanäle (MB) 2 und 3 wiesen dabei noch sensibel reagierendes Pulpagewebe auf (siehe gelbe Pfeile).
Bestimmung der Methoden zur Entfernung von Aufbau- und Verschlussmaterialen
Seit Einführung der Dentinadhäsive wird nach Abschluss einer Wurzelkanalbehandlung der dentinadhäsive Verschluss der Wurzelkanaleingänge mit Komposit als bakteriendichter Verschluss genutzt28. Zusätzlich können verschiedene Stiftsysteme zum Einsatz kommen, die einen erneut notwendigen Zugang zum Wurzelkanalsystem erschweren (Abb. 13a bis c). Komposite lassen sich innerhalb der endodontischen Zugangskavität nur schwer ohne optische Vergrößerung vom Dentin differenzieren3,14. Je tiefer der adhäsive Verschluss in die Wurzelkanäle appliziert wurde, desto größer ist die Gefahr einer Perforation der Präparation während der Entfernung. Stiftsysteme können aktiv oder passiv im Dentin verankert sein, sodass die geeignete Entfernungsmethode bestimmt werden muss, um Rissbildungen während der Entfernung zu vermeiden.
Während der IKD kann bei 8- bis 16-facher Vergrößerung die Verbundgrenze zwischen Dentin und Komposit ermittelt werden. Damit gelingt es, tief applizierte Komposite und die unterschiedlichen Arten von Stiftsystemen zu differenzieren (Abb. 14a bis c).
Die minimalinvasive Entfernung ist entscheidend für den Erhalt der natürlichen Zahnhartsubstanz und kann die Prognose für den Langzeiterhalt verbessern.
Abb. 13a Am Zahn 11 mit inhomogener Wurzelkanalfüllung und apikaler Aufhellung wird eine Revision erforderlich. Es besteht der Verdacht auf einen tiefen dentinadhäsiven Verschluss mit Komposit.
Abb. 13b Sicht in die Zugangskavität am Zahn 11 mit verschiedenen Gewebearten und Füllungsmaterialien.
Abb. 13c Ausschnittvergrößerung mit Darstellung des Wurzelkanals (Pfeil), eingeengt von mineralisiertem Pulpagewebe (MPG). Die Abgrenzung zwischen dem Sekundärdentin (SD) und dem MPG ist deutlich durch eine Konturlinie zu erkennen. Weiter palatinal wurde ein Glasfaserstift (GFS) mit Komposit (K) inseriert.
Abb. 14a Am Zahn 35 wurde eine Sekundärkaries diagnostiziert. Eine Neuüberkronung und Korrektur der unvollständigen Wurzelkanalfüllung wurden erforderlich.
Abb. 14b Der konfektionierte Stift wurde mit Komposit befestigt. Das Erkennen der Grenze zwischen Komposit und Dentin ermöglichte eine substanzschonende Entfernung.
Abb. 14c Die Revision gelang trotz adhäsiver Stiftbefestigung minimalinvasiv.
Ermittlung der Art und Beschaffenheit von Wurzelfüllungen
Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte wurden unterschiedliche Füllungsmaterialien und -techniken für den Verschluss der Wurzelkanäle genutzt. Im Fall einer Revisionsbehandlung kann es erforderlich sein, Alpha- oder Beta-Guttapercha, Silberstifte mit unterschiedlichsten Sealern, kunststoffträgerbasierte thermoplastische Füllungen, Zemente, Silikon und biokeramische Werkstoffe zu entfernen (Abb. 15 und 16). Zur Entfernung sind unterschiedliche Techniken und Hilfsmittel notwendig5,24. Auf einer Röntgenaufnahme kann an der Form und anhand des Röntgenkontrasts abgeschätzt werden, welche Retention und welches Material zu erwarten ist. Nicht selten stellen sich röntgenografisch scheinbar vollständige Wurzelfüllungen während der IKD als lockere Einstiftfüllung in einem mikrobiell infizierten und zerfallenem Sealer dar (Abb. 17a und b). Radiografisch unvollständige oder inhomogene Wurzelfüllungen sind wiederum kein Beweis für eine leichte Entfernbarkeit. So kann es sich anstatt weicher Guttapercha um rot eingefärbte Kunststoffstifte in Zinkphosphatzementoder aber auch um formaldehydhaltige rotbräunliche Zemente wie zum Beispiel Russian Red handeln, die häufig mit zusätzlichen Obliterationen der Wurzelkanäle assoziiert sind26 (Abb. 18a und b).
Abb. 15a Zahn 37 nach Wurzelspitzenresektion mit periapikaler Aufhellung. Der starke Röntgenkontrast der Wurzelkanalfüllung deutet auf die Verwendung von Silberstiften hin.
Abb. 15b Der IKD-Befund bestätigt die Verwendung von drei korrodierten Silberstiften. Beim Versuch der Entfernung frakturierten die im Isthmus der mesialen Wurzel eingeklemmten Stifte.
Abb. 16a Die Patientin verspürte nach Abschuss der Wurzelkanalbehandlung am Zahn 27 weiterhin Schmerzen auf Wärmereize. Zahn 27 mit radiografisch vollständiger Wurzelkanalfüllung.
Abb. 16b Nach der Entfernung der Aufbaufüllung konnten drei mit Thermafil gefüllte Wurzelkanäle ermittelt werden.
Abb. 16c Im unbehandelten MB 2 ließen sich durchblutetes entzündetes Pulpagewebe (Pfeil) und die Ursache für die persistierenden Beschwerden nachweisen.
Um beurteilen zu können, wie aufwendig eine Entfernung werden wird, kann im Verlauf der IKD das vorhandene Material anhand der Farbe und Härte mit einem Micro-Opener ( Dentsply-Maillefer, Schweiz) geprüft werden. Schwer entfernbare Zemente lassen sich rechtzeitig identifizieren, sodass die geeigneten Hilfsmittel zur Entfernung zum Einsatz kommen können oder auch eine Überweisung in eine Spezialpraxis erwogen werden kann23.
Abb. 17a Zahn 46 mit einer röntgenografisch vollständigen und wandständigen Wurzelkanalfüllung mit apikaler Aufhellung.
Abb. 17b IKD-Befund: schwarze Infiltration des Dentins von Sealer-Bestandteilen, Isthmus mit nekrotischem Pulpagewebe, drei in Einstifttechnik mit Guttapercha gefüllte Wurzelkanäle ohne Wandständigkeit.
Abb. 18a Die Revision der unvollständigen Wurzelkanalbehandlung am Zahn 26 erscheint röntgenografisch einfach.
Abb. 18b Nach optimaler Gestaltung der Zugangskavität fällt die Orientierung im rotbräunlich verfärbten Dentin schwer. Die Wurzelkanäle sind teilweise obliteriert und gefüllt mit einer Resorcin-Formaldehyd-Paste.
Diskussion
Die Nutzung einer optischen Vergrößerung zur Aufnahme der IKD-Befunde ist obligat. Die Kombination von Vergrößerung und koaxialer Lichtzufuhr ermöglicht es innerhalb der endodontischen Zugangskavität, dentales Gewebe und anatomische Besonderheiten differenzieren zu können18. Problemstellungen und Risiken für die Therapie können rechtzeitig erkannt und gelöst werden19,31.
Die Interpretation der ermittelten Bildinformation orientiert sich an dem bisher erworbenen Wissen aus der Anatomie, Histologie und klinischen Erfahrung und kann deshalb individuell abweichen. Insbesondere die Beurteilung von Pulpagewebe hinsichtlich seines Entzündungszustands zur Differenzierung einer irreversiblen Schädigung erfordert Training zur Objektivierung der Befunde. Eine hohe Sicherheit in der Pulpadiagnostik wird dadurch erreicht, sowohl Symptomatik als auch intraorale und radiologische Befunde in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen21.
Die Dokumentation der visuell erfassten Informationen und Befunde ist erforderlich, um die getroffenen Entscheidungen in der Diagnosestellung nachvollziehbar zu machen. Eine zusätzliche fotografische Dokumentation verbessert die objektive Befunddokumentation. Retrospektive Fallauswertungen und die Suche nach beeinflussenden Faktoren für den Erfolg, Misserfolg oder die Praktikabilität einer Therapie werden durch fotografische Dokumentationen erleichtert und können für das Qualitätsmanagement der Praxis genutzt werden30. Der erhöhte zeitliche und technische Aufwand sollte in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation Berücksichtigung finden.
Ein Beitrag von Dipl.Stom. Michael Arnold, Dresden
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