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Wann geht es endlich wieder los? – Ein Blick auf internationale Hilfseinsätze nicht nur in Zeiten der Pandemie

(c) Diano

Internationale Hilfseinsätze hat die Corona-Pandemie – wie könnte es auch anders sein – so gut wie vollständig zum Erliegen gebracht. Im März 2020 mussten alle Teilnehmer von Auslandseinsätzen – Studierende genauso wie zahnärztliche Kolleginnen und Kollegen – auf mehr oder minder dramatische Weise heimgeholt werden. Doch das hält viele Interessenten an einem Hilfseinsatz nicht davon ab, bereits jetzt wieder einen Auslandseinsatz zu planen.

Die Ferne lockt, und dies wahrscheinlich mehr denn je. Für nicht wenige waren dieses in die Ferne schweifen ein Lichtblick in dunklen Zeiten mit Ausgangssperre und Lockdown, schließlich sind die Reisevorbereitungen immer schon ein fester Bestandteil einer jeden Reise! Erst im Frühsommer beteiligten sich gut 600 Interessierte an einem Online-Informationsabend des Zahnmedizinischen Austauschdiensts. Derzeit gibt es einen regelrechten Boom bei den Online abgehaltenen Infoveranstaltungen – und alle eint die eine brennenden Fragen: Wann geht es endlich wieder los?

Doch damit sind wir höchstwahrscheinlich direkt bei der schwierigsten Frage gelandet: Wenn uns die Pandemie zumindest eines gelehrt hat, dann die Tatsache, dass es im Zusammenhang mit Corona nichts gibt, was langfristig vorausgesagt werden kann. Geschweige denn, dass es eine solide Grundlage für eine langfristige Vorausplanung gibt. Leider wissen wir nur zu gut: Was heute noch gilt, kann morgen schon wieder vollkommen überholt sein!

Für Projekte mitunter verlorene Zeit

Trotzdem – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – wird intensiv geplant und nach geeigneten Wegen zur Umsetzung der Pläne gesucht. Für viele Organisationen sind die fehlenden Reisemöglichkeiten zu ihren Projekten mehr als eine verlorene Zeit, schließlich steht und fällt so manches Projekt mit der Unterstützung und den regelmäßigen Besuchen von Seiten der Trägerorganisation. Diesen sind aber derzeit die Hände gebunden.

Dennoch gibt es Hoffnungsschimmer – dazu zählen steigende Impfquoten und nicht zuletzt das schon lange herbeigesehnte Ende der Pandemie. Manche Partnerschaft hat sich in diesen schweren Zeiten intensiviert und ist wesentlich fester geworden. Es gibt aber auch das Risiko, dass einzelne Projekte die Pandemie nicht überstehen werden.

Abhängig von der Einsatzregion

Grundsätzlich hängt die Möglichkeit eines internationalen Einsatzes sehr stark davon ab, in welche Himmelsrichtung es gehen soll. Viele Regionen wie Indien sind nach wie vor komplett gesperrt. Gleiches gilt für Südamerika, vor allem Brasilien, wobei Peru, Argentinien und Ecuador kaum bessergestellt sind, so dass sich der Kontinent mutationsbedingt zwischenzeitlich weitestgehend in eine No-go-Area verwandelt hat. Und in vielen anderen Erdteilen sieht es derzeit hinsichtlich eines Hilfseinsatzes nicht viel besser aus. Die Lage ändert sich rasch – was letzte Woche noch frei zu bereisen war, ist plötzlich Hochrisikogebiet oder beschränkt die Einreise aus Deutschland.

Allenfalls könnten sich derzeit einzelne Nischen für einen Einsatz auftun. Nach intensiver Nachfrage wurde anhand von einzelnen Ländern wie etwa Dominikanische Republik oder Haiti exemplarisch geprüft, ob sich eine Möglichkeit für Auslandseinsätze in Corona-Zeiten bietet. In Haiti spielte Covid lange keine Rolle, dafür machen die dortige Sicherheitslage und Naturkatastrophen wie das jüngste Erdbeben das Land nicht gerade zu einem empfehlenswerten Reiseziel. Die Dominikanische Republik dagegen galt lange Zeit über nicht als Risikogebiet, doch dies hatte sich ganz schnell wieder geändert. Kaum war die Überprüfung in einem Lande beendet, schnellten die Inzidenzwerte wieder in die Höhe. Und dieser volatile Zustand wird uns noch eine ganze Weile begleiten.

Keine Infektionen von außen einschleppen

Allerdings gibt es auch in den Nichtrisikogebieten so manches zu beachten: Schattenseiten, wie sie in vielen anderen Regionen der Welt in ähnlicher Form auftreten. Für die Hilfsorganisationen ist die Lage mehr als unbefriedigend, denn einerseits wissen sie über den Zustand in den von ihnen betreuten Stationen und Ländern genau Bescheid, andererseits verbindet sie ein sehr verantwortungsbewusster und fürsorglicher Umgang mit den Menschen in den jeweiligen Ländern, so dass aus Deutschland geplante Einsätze nur nach sehr strengen Kriterien durchgeführt werden. Keinesfalls sollte das Risiko von außen eingeschleppten Infektionen eingegangen werden.

Regeln für studentische Hilfseinsätze überarbeiten

Doch nicht nur in dieser Hinsicht wird es in Sachen Hilfseinsätze für Studierende eine ganze Reihe von Änderungen ergeben. Durch das immens gestiegene Interesse an Auslandseinsätzen im Rahmen des klinischen Teils des Studiums hat sich nach Auswertung der Einsatzberichte ein großer Bedarf an einer Überarbeitung der bisherigen Regelungen ergeben. Gleich von mehreren Seiten gibt es Ansätze, die bisherige Praxis zu analysieren und neu zu definieren. Gleichzeitig wurde angeregt, dass sich die Hilfsorganisationen untereinander abstimmen und möglichst einheitliche Regelungen für die Durchführung von Hilfseinsätzen entwerfen. (Die Koordinierungskonferenz der Hilfsprojekte bei der Bundeszahnärztekammer hat das Thema bereits aufgegriffen, Anm. d. Red.)

Insgesamt werden Hilfseinsätze komplizierter, aufwendiger und damit auch teurer. Hinzu kommt ein immer größerer bürokratischer Aufwand, um überhaupt in einem anderen Land arbeiten zu dürfen. Mit dem Rucksack irgendwo hinzureisen, um mit dem Bohrersatz aus der Seitentasche zu behandeln und sich für den Rest des Tages an den Strand zu legen – diese Zeiten dürften bald vorbei sein.

Trend zur professionell organisierten Tour aus den USA

Dieser Trend hatte sich schon seit längerem angekündigt, und es war vorauszusehen, dass es auch in Deutschland zu Entwicklungen kommt, die sich in anderen Ländern schon vor längerer Zeit eingestellt hatten. Vor allem in den USA werden Hilfseinsätze schon seit vielen Jahren als große Gruppenreisen organisiert – umfassende Betreuung und perfekte Organisation inbegriffen!

Noch sieht es bei den Freiwilligeneinsätzen ab Deutschland anders aus. Hier sind es überwiegend kleine Teams und eine nicht unbeträchtliche Zahl an Einzelreisenden, die das Gros der Hilfseinsätze stellen. Dagegen sind Hilfseinsätze, die als Gruppenreise mit 20 und mehr Personen organisiert waren, bislang eher die Ausnahme und konnten sich nicht im großen Stil durchsetzen.

Nicht ohne Grund machen in den USA die im großen Stil organisierten Gruppenreisen vor allem unter Studierenden und jungen Kollegen den überwiegenden Anteil der Hilfseinsätze aus. Diese Entwicklung kommt allerdings nicht von ungefähr, sondern hat sich nach und nach im Laufe vieler Jahre durchgesetzt. Man ist fast geneigt zu sagen, dass es sich hier um eine marktbedingte Entwicklung handelt. Durch die steigenden Kosten für Hilfseinsätze muss immer mehr Zeit für das Sammeln von Spenden aufgewendet werden, und dafür braucht man im Grunde einen professionellen Stab.

Viele Hilfsorganisationen begannen einst als kleines, improvisiertes Projekt mit viel Herzblut und entwickelten sich nach und nach zu etwas Größerem. Mit den in der Zeit gesammelten Erfahrungen steigen die Ansprüche und letztlich auch die Anforderungen und die Vorstellung, den Menschen eine den hiesigen Anforderungen genügende Behandlung zuteil werden zu lassen.

Immer mehr kommerzielle Anbieter, veränderte Einstellung bei vielen Freiwilligen

Ähnliches gilt – wenn auch auf andere Ebene – für den Umgang mit jungen, meist studentischen Freiwilligen. Auch hier lernen die Hilfsorganisationen jedes Jahr dazu. Wobei sich auch hier im Laufe der Jahre sehr viel geändert hat, so dass es leicht nachzuverfolgen ist, wie sich Hilfseinsätze unter Beteiligung studentischer Gruppen immer mehr zu einer gut durchorganisierten Reise mit Eventcharakter entwickelten. Da verwundert es nicht, dass es immer mehr kommerzielle Anbieter gibt, für die das Organisieren von Hilfseinsätzen ein Geschäftsmodell ist.

Was nicht vergessen werden darf und letztlich auch zu dieser Entwicklung beitragen hat, ist die veränderte Einstellung vieler Freiwilliger. Sie sind sich nicht immer ganz bewusst, dass der Status „Entwicklungsland“ fast immer mit einer etwas anderen Sicherheitslage einhergeht und damit eine deutlich erhöhte Wachsamkeit erfordert, wodurch sich letztlich erst die Versicherungs- und Haftungsfragen ergeben.

„Outreach Mission Programm“ mit festem Platz

Für US-amerikanische Universitäten ist ein internationales Hilfsprogramm Teil der Reputation und das Outreach Mission Programm hat seinen festen Platz im akademischen Jahreskalender. Oft sind es klassische Programme, die der Selbstfindung im gleichen Umfang wie der Lehre dienen. Bestes Beispiel sind handwerklich ausgelegte Projekte, die im Rahmen einer langfristig angelegten Projektarbeit zum Beispiel Entwicklung eines Dorfs in einem mittelamerikanischen Land über einen längeren Zeitraum begleiten. Hier etwa sind die Semestergruppen am Bau einer Brücke oder der Wasserversorgung fachübergreifend beteiligt.
Für die beteiligten Studierenden – manchmal sind bereits Schüler dabei – sind dies ganz wichtige Lebenserfahrungen: es wird ein Projekt umgesetzt, bei dem körperlicher Einsatz und manuelles Geschick erforderlich sind. Als Belohnung gibt es eine Vielfalt an Eindrücken und nicht selten Lebenserfahrung garniert mit persönlichen Erfolgserlebnissen, etwas Außerordentliches geschafft zu haben.

Zahnmedizinische Hilfe besonders begehrt

Universitäten mit einer zahnmedizinischen Fakultät in ihren akademischen Mauern können guten Gewissens als privilegiert bezeichnet werden, denn dieser unser Fachbereich ist besonders begehrt – zumal die zahnmedizinische Versorgung in so gut wie jedem Drittweltland äußerst miserabel ist. Da hat sich das Angebot einer kostenlosen zahnmedizinischen Versorgung schon so manches Mal als Türöffner erwiesen.

Auch die Kooperation auf wissenschaftlicher Ebene mit festen gemeinsamen Einrichtungen ist ein wesentliches Merkmal internationaler Hilfsprojekte. Die Creighton Universität aus Omaha/Nebraska hat mit dem ILAC – Institute for Latin American Concern eine eigene Niederlassung in der Dominikanischen Republik. Damit ist die jesuitisch geprägte katholische Privatuniversität sehr gut aufgestellt. Allein am Creighton Sommerprogramm nehmen jedes Jahr 120 Studierende der medizinischen Fächer teil, wobei ergänzt werden muss, dass Pflege und Physiotherapie in den USA eigene Studienfächer sind. Die Teilnehmer werden in zehn Gruppen aufgeteilt und auf viele Dörfer in ländlich abgeschiedener Höhenlage verteilt. Dort machen sie für sechs Wochen „clinic“, und dies unter Aufsicht von Ärzten und mindestens einer „registered Nurse“. Aufwand und körperlicher Einsatz sind teilweise extrem hoch, aber noch größer ist die Erlebnisvielfalt, die so ein Aufenthalt mit sich bringt. Der Zugewinn an clinic skills ist praktisch unbezahlbar und obendrauf gibt es noch viele Gemeinschaftserlebnisse, die man lebenslang nicht mehr vergessen wird. Es ist unvorstellbar, was so eine karibische Insel an Naturschauplätzen zu bieten hat: Ein bisschen davon sehen wir gelegentlich in großen Hollywoodproduktionen, denn die Filmteams sind regelmäßige Gäste auf den Inseln. Viele Vietnamfilme wurden hier abgedreht, genauso wie „Jurassic Parc“ oder – wie fast zu erwarten – „Fluch der Karibik“.

Zum Teil hohe Kosten und großer Aufwand

Allerdings hat das Ganze auch seinen Preis: 3.000 US-Dollar kostet ein sechswöchiger Aufenthalt, wobei die Flüge noch nicht einmal enthalten sind. Und dies ist noch günstig, denn andere Anbieter nehmen bereits für ein fünftägiges Programm 1.000 US-Dollar, und auch hier sind Flüge nicht enthalten! Dagegen sind Unterbringung und Verpflegung häufig landestypisch einfach, wobei es durchaus auch mal ein hochpreisiges Luxushotel sein kann, das seine Zimmer den Freiwilligen zur Verfügung stellt.

Für die Organisationen ist es ein Teil des Sponsorings, denn die Kosten für eine Gruppenreise sind ebenfalls enorm, was nicht zuletzt an dem sehr hohen technischen Aufwand liegt. Eine Zahnklinik oder einen OP-Trakt in die unberührte Wildnis zu bringen, kann es durchaus mit einem militärischen Einsatz aufnehmen – und in der Tat gibt es immer wieder Bilder, wenn die Materialien per Hubschrauber ins Zielgebiet gebracht werden.

Deutsche Teams oft klein und effizient

So verwundert es kaum, dass unsere kleinen deutschen Teams, die mit akkubetriebenem Bohrer, Rucksäcken und Reisetaschen anreisen, ein müdes Lächeln entgegengebracht wird, wenn kurz zuvor eine amerikanische Organisation im Rahmen einer Landeoperation der US-Marines eingeflogen wurde. Damit soll aber keinesfalls einem martialischen Auftritt das Wort geredet werden – nicht überall ist man willkommen, wenn man gleich mit der Tür ins Haus fällt! Im Gegenteil, unsere kleinen und sehr effizient arbeitenden Teams überzeugen stets im Stillen – allein durch ihr Tun!

Gratwanderung zwischen hoher Belastung und geänderten Ansprüchen

Allerdings sollte nicht verschwiegen werden, welche Gratwanderungen hier bewältigt werden müssen. Einerseits das oftmals erschlagende Patientenaufkommen, wodurch nicht selten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet wird, andererseits die den Zeitgeist geschuldeten Ansprüche, die letztlich darin mündeten, dass immer mehr Organisationen dazu übergegangen sind, sich vor Reiseantritt eine Vereinbarung unterzeichnen zu lassen, die ethische und moralische Prinzipien genauso wie den Respekt vor den Kulturen des bereisten Landes enthält.

Die Kostenumlage könnte durchaus für Diskussionsbedarf sorgen: Sind die Studierenden aus Nordamerika stets mit einem gehobenen vierstelligen Betrag dabei, darf es in Deutschland nichts kosten: die Reisekosten deckt der DAAD, und für den Rest kommen Sponsoren auf.

So ist es nicht einfach, im Angesicht der derzeitigen Lage auf der Welt konkrete Empfehlungen für eine zukünftige Teilnahme an einem Hilfsprojekt zu geben. Man müsste Prädikate wie „unvorhersehbar“ oder „unplanbar“ verteilen, um korrekt zu sein.

Frühzeitig anfragen und planen lohnt sich

Trotzdem kommt man um eine umfassende Planung und ausführliche Vorbereitung auf den Hilfseinsatz nicht herum, zumal die jeweiligen Partner in den entsprechenden Ländern ebenfalls lange im Voraus planen. Es könnte sich allerdings durchaus als Vorteil erweisen, jetzt mit den Planungen zu beginnen, um mit bei den ersten zu sein, die wieder zu einer Station reisen können. In der Vergangenheit war es häufig ein Problem, dass beliebte Stationen sehr überlaufen waren und sich die Einsatzkräfte gegenseitig auf den Füßen gestanden sind. Dies ist derzeit nicht zu erwarten.

Im Gegenteil, da die Nachfrage insgesamt noch deutlich hinter den Vorjahren zurückliegt, haben die Partnereinrichtungen effektiv mehr Zeit, auf Anfragen zu reagieren, womit die individuelle Betreuung intensiver sein dürfte. Ein klein bisschen dürfte dies allerdings wieder dadurch ausgeglichen sein, dass viele Stationen komplett geschlossen sind und gar nicht auf Anfragen reagieren und sich so die geringeren Anfragen auf ebenfalls weniger Stationen konzentrieren.

Intensive Vorbereitung und individuelle Entscheidung

Dass diese intensive Vorbereitung – ebenfalls unter den derzeitigen Prämissen – nicht verkehrt ist, dürfte ebenfalls einsichtig sein, zumal jegliche Risikoabwägung bei jedem selbst liegt. Allein die Lage vor Ort sollte einer eingehenden Recherche unterzogen werden. Wie man bewertet und welche Schlüsse daraus gezogen werden, ist mehr als individuell. Auch kann von niemand anderem als jedem einzelnen selbst entschieden werden, welches Risiko er einzugehen bereit ist. Einzig die intensive Beschäftigung im Rahmen der Vorbereitung hilft hier weiter. Und die Chancen, dass eine umfangreiche Einarbeitung belohnt wird, sind wiederum nicht schlecht. Manchmal hilft es einfach, diese gewisse eine Nasenlänge voraus zu sein.

Tobias Bauer, Singen

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