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Tipps für den Praxisalltag mit vielen patien­tenbezogenen Faktoren


Dr. Katharina Anne Mausbach

Im Praxisalltag gibt es viele patien­tenbezogene Faktoren, die eine Behandlung erschweren können – sei es aufgrund anatomischer Situationen oder gar anamnestischer Besonderheiten. Eine Besonderheit, die vor allem bei der prothetischen Behandlung von Patienten hervorzuheben ist, ist der extreme Würgereiz. Dr. Katharina Mausbach stellt in ihrem Beitrag im Quintessenz Team Journal 12/17 Ursachen sowie Strategien und Methoden vor, um in der Praxis auch diese Patientenklientel behandeln zu können.

Der Würgereiz ist ein vom Körper eingerichteter, völlig normaler Schutzmechanismus, der bei Berührung des weichen Gaumens, dorsalen Zungenrückens oder des Rachenraumes ausgelöst wird, um ein Eindringen von Fremdkörpern in die Atemwege zu vermeiden6,8.

Den Erfordernissen einer modernen Zahnarztpraxis entsprechend, wendet sich das „Quintessenz Team-Journal“ an das gesamte zahnärztliche Team - die Behandler und die Mitarbeiter, vom Auszubildenden bis zur Dentalhygienikerin. Neben dem Basiswissen für die Auszubildende sorgen Beiträge aus dem klinischen Bereich für ein Kompetenz-Plus. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.


Bei dem extremen Würgereiz wird der Würgereiz jedoch auch ohne diese Trigger ausgelöst. Er fungiert hier im Sinne eines Vermeidungsreflexes, beispielsweise bei Berührungen der vorderen Mundhöhlenabschnitte6. Darüber hinaus können allerdings auch visuelle, akustische oder olfaktorische Reize einen Würgereiz auslösen2.

Das Auftreten eines extremen Würgereizes während einer zahnärztlichen Behandlung wird in den wenigen in der Literatur vorhandenen Studien kontrovers beschrieben. Während bei Otto et al. 1,84 Prozent der Patienten einen ex­tremen Würgereiz aufwiesen, geben Sewerin et al. diesen mit 10–25 Prozent an bei Patienten, die in dieser Untersuchung als zahnärztliche Maßnahme ein Röntgenbild angefertigt bekamen. Bei Patienten, die einen Zahnersatz tragen, leiden laut Daneshkazemi et al. sogar 44 Prozent der Patienten an einem extremen Würgereiz2,4,7.

Ursachen des extremen Würgereizes

Grundsätzlich sind die Gründe für einen extremen Würgereiz multikausal. Trotzdem werden in der Literatur zwei verschiedene Patientengruppen angegeben: Patienten, bei denen der Würgereiz eine somatogene Ursache besitzt, und Patienten, bei denen der Würgereiz eine psychogene Komponente aufweist1,2.

Bei der somatogenen Form wird der Würgereiz durch rein physikalische Reize ausgelöst, wohingegen bei der psychogenen Form der Würgereiz durch psychische Reize induziert wird. Ätiologisch sind lokale und systemische Erkrankungen als Ursache des Würgereizes von anatomischen, psychologischen und iatrogenen Faktoren zu differenzieren1,8.

Neben katarrhalischen Entzündungen (Sinusitis, Pharyngitis) bildet die Gruppe der gastorintestinalen Erkrankungen (Morbus Chron, Gastritis) die Hauptursache für den extremen Würgereiz.  Als anatomische Ursachen werden eine unzureichende Adaption der Zunge an den weichen Gaumen sowie ein hyperaktiver Vagus diskutiert1. 

Weitaus häufiger als die bereits genannten Ursachen sind jedoch psychische, insbesondere psychosomatische Faktoren als Ursache eines extremen Würgereizes zu benennen. Diese erwirbt der Patient oftmals aus vorangegangenen Erfahrungen im Sinne einer klassischen und operanten Konditionierung1,8.

Bei der klassischen Konditionierung wird der Würgereiz des Patienten, der ursprünglich durch einen realen anatomischen Reiz ausgelöst wurde, wie er zum Beispiel durch den Druck des Abformmaterials bei einem zu vollen Löffel auf die Uvula ausgeübt wird, bereits beim bloßen Anblick eines Abformlöffels ausgelöst. Der Patient hat gelernt, den Abformlöffel mit dem Würgereiz zu verknüpfen. 

Bei der operanten Konditionierung hat der Patient hingegen gelernt den Würgereiz so zu ins­trumentalisieren, dass er damit die für ihn stressige Situation – die Behandlung – unterbrechen kann, um so vor ihr zu fliehen.  Zahnärztlicherseits existieren ia­trogene Faktoren wie zum Beispiel ein überfließendes Abformmaterial, falsche Saugtechniken seitens der Helferinnen oder überextendierte und nicht kongruente Prothesen8.

Charakteristika des Patientenklientels 

Patienten, die einen extremen Würgereiz aufweisen, gehen häufig nicht regelmäßig zum Zahnarzt. Dies geht in vielen Fällen einher mit einem vernachlässigten Gebiss mit einer hohen Behandlungsbedürftigkeit. Haben diese Patienten sich dann endlich überwunden zum Zahnarzt zu gehen, verlangen sie oftmals eine Behandlung in Narkose und sind in der Regel für eine reguläre Behandlung nicht zugänglich. Darüber hinaus weisen diese Patienten oftmals einen vermehrten Speichelfluss auf. 

In einigen Fällen wird als Grund für den extremen Würgereiz auch ein Alkoholabusus genannt. Hornecker et al. geben an, dass bei Alkoholikern oftmals ein solcher vorliegt. Dies sei der Grund dafür, dass 10 Prozent dieser Patienten keine Prothesen tragen3.

Strategien gegen den Würgereiz 

Zunächst einmal ist es wichtig, das eigentliche Problem zu erfassen, also die Gründe für den vorhandenen extremen Würgereiz zu erkennen. Von der Ätiologie und natürlich der Intensität des Würge­reizes wird dann die weitere Behandlung maßgeblich beeinflusst. 

Hierzu ist ein patientenzugewandtes, ruhiges Assessment unerlässlich. Der Patient sollte dazu detailliert über das geplante Vorgehen informiert werden und damit einverstanden sein. Es sollte eine ruhige Atmosphäre aufgebaut werden, angst- und stressauslösende sowie iatrogene Faktoren sollten gänzlich vermieden werden. Hierzu wäre es ratsam zunächst das eigentliche Triggererlebnis auszumachen, um dieses nach Möglichkeit zu umgehen oder aber gezielt darauf eingehen zu können1.

Die meisten Patienten haben den extremen Würgereiz erworben – sie haben gelernt „zu leiden“. Daher setzen die meisten Therapien gegen den extremen Würgereiz an dieser Stelle an6. Der Behandler muss nun zusammen mit dem Patienten den „Lernprozess“ wieder umkehren. 

Hierbei helfen vor allem eine Ablenkung und eine Beruhigung beziehungsweise Entspannung des Patienten. Dies kann durch ein bewusstes Anspannen bestimmter Muskulaturen erfolgen, wie dies beispielsweise bei dem gezielten Anheben und Hochhalten eines Beines des Patienten während der Abformung geschieht8.

Des Weiteren kann versucht werden mittels spezieller Akkupressurtechniken den Würgereiz eines Patienten, zumindest kurzzeitig, einzudämmen. Hierbei beruht das Prinzip zum einen ebenfalls auf der Ablenkung des Patienten, da er selbst die Akkupressurpunkte während der Behandlung gedrückt halten soll. Zum anderen stammen diese Akkupressurtechniken aus der traditionellen chinesischen Medizin und gelten als äußerst wirksam. Es gibt zahlreiche Akkupressurpunkte im Körper, die unterschiedlichste Wirkungen auf den Patienten haben8. Als wirksame Akkupressurpunkte gegen den Würgereiz gelten jedoch vor allem Punkte im Gesicht und an der Hand, wie zum Beispiel: 

  • der „Chengjiang“ (er liegt in der Mitte der Mentolabialfalte;  Abb. 1), 
  • der „Neiguan“ (er sitzt ca. 1 bis 2 cm hinter dem Handgelenk) Abbildung 2 und
  • der „Hegu“ (zwischen dem 1. und 2. Mittelhandknochen in der Mitte der Konkavität; Abb. 3).

Diese Punkte sollten am besten bereits einige Minuten vor dem eigentlichen Reiz gedrückt und der Stimulus natürlich während der Therapie aufrechterhalten werden. Die Fingerkuppe wird dabei auf den Akkupressurpunkt gelegt und dieser anschließend mit kreisenden Bewegungen im Uhrzeigersinn gedrückt8,9.


Abb. 4 Patient, der sein „errorless learning“ mittels Abformlöffel übt.

Eine weitere Möglichkeit den Würgereiz eines Patienten einzudämmen kann mittels gezielter Desensibilisierung erfolgen: über ein sogenanntes „errorless learn­ing“. Dabei kann der Patient angeleitet werden, z. B. mittels mitgegebenen Abformlöffels, gezielt seinen Würgereiz zu trainieren (Abb. 4).

Der Patient soll dabei mehrmals täglich mit seinem Löffel trainieren. Und zwar indem er Stück für Stück versucht den Löffel mehr und mehr in den Mundraum einzubringen, ohne dass der Würgereiz ausgelöst wird1. Dies kann natürlich gleichermaßen auch mittels eigener Zahnbürste trainiert werden, indem der Patient lernt die Zahnbürste zunehmend in Richtung Gaumen zu lenken und letztlich versucht damit den Gaumen sanft zu massieren8.

Gelingt es nicht den Würgereiz mit diesen einfachen Techniken einzudämmen, so kann als weitere Möglichkeit die Behandlung des Patienten mittels spezieller Hypnosetechniken in Betracht gezogen werden8.


Abb. 5 Oberflächenanästhetikum zum Sprühen.

Bei der Behandlung eines Patienten in Hypnose können die unterschiedlichsten Hypnosetechniken (Turboinduktion, Drei-Worte-Induktion etc.), abhängig vom Patienten und Behandler, eingesetzt werden. Jede dieser Techniken zielt darauf ab, den Patienten in einen Bewusstseinszustand zu bringen, in dem er von der Außenwahrnehmung zur Innenwahrnehmung gekehrt wird (Trance). In diesem Zustand ist der Patient entspannter und auch weniger schmerzempfindlich5. Diese Techniken sollten jedoch nur von entsprechend ausgebildeten Kollegen angewendet werden8. Erzielt man mit diesen Methoden keine Verbesserung des Würgereizes, stehen darüber hinaus pharmakologische Techniken zur Verfügung. Neben der Anwendung von lokalen Anästhesien, zum Beispiel Oberflächenanästhesien (Abb. 5) zum Sprayen oder als Gel sowie gezielten Anästhesien in den weichen Gaumen, ist ebenfalls noch an eine milde Sedierung zu denken. Zur Verfügung stehen hierbei zentral wirkende Beruhigungsmittel wie zum Beispiel Tavor Expidet 1mg (Lorazepam), das kurz vor der Behandlung verabreicht werden sollte, oder aber Lachgas. Diese Behandlungsformen sollten natürlich nur kontrolliert erfolgen, nach vorausgegangener Abklärung der Anamnese1,8.

Sitzt die Ursache des Würgereizes allerdings so tief, dass die beschriebenen Techniken nicht erfolgsversprechend sind, muss zur weiteren zahnärztlichen Behandlung des Patienten eine begleitende psychotherapeutische Behandlung im Sinne einer kognitiven Verhaltenstherapie oder Konfrontationstherapie erfolgen. Denn grundsätzlich sollte es das Ziel sein jeden Patienten unter Lokalanästhesie behandeln zu können1.

Fazit

Zur Behandlung von Patienten mit einem extremen Würgereiz stehen zahlreiche Methoden und Techniken sowohl aus dem zahnärztlichen-allgemeinmedizinischen als auch aus dem psychotherapeutischen Bereich zu Verfügung. Die Aufgabe des Zahnarztes liegt dabei in der Erkennung und Erfassung des eigentlichen Problems des Patienten und der damit verbundenen richtigen Auswahl der Therapie des Würgereizes. 

In jedem Falle sollte eine umfassende Aufklärung des Patienten bezüglich der Ätiologie seines Würgereizes und der notwendigen Therapie erfolgen, damit der Patient lernen kann, dass eine zahnärztliche Behandlung nicht grundsätzlich einen Würgereiz auslösen muss. 

Damit verbunden sollte die Behandlung auf den Patienten abgestimmt werden und möglichst stress- und angstfrei für den Patienten gestaltet werden. Ist es nicht möglich den Patienten in diesen Zustand zu bringen, ist eine interdisziplinäre Behandlung mit einem Psychotherapeuten ratsam.

Ein Beitrag von Dr. Katharina Anne Mausbach, Gießen

Literatur


Bassi GS, Humphris GM,Longmann LP. The etiology and mangement of gagging: A review of the literature. J Prosthet Dent 2004;91:459–467.


Daneshkazemi A, Daneshkazemi P, Davoudi A , Badrian H, Firouzabadi HVP. Is acupuncturing effective in controlling the gag reflex during dental practices? A literature review. Anesth Essays Res 2016;10(2):173–177.


Hornecker E, Mausberg RF, Muuß TH, Ehrenreich H. Schwerst Alkoholkranke in Deutschland. ZWR 2003;112(9):387–394.


Otto B. Psychosomatik in der allgemein-zahnärztlichen Praxis unter besonderer Berücksichtigung des übersteigerten Würgereizes und der Prothesenunverträglichkeit. Münster: Inaugural-Dissertation, 1987.


Ramírez-Carrasco A, Butrón-Téllez Girón C, Sanchez-Armass O, Pierdant-Pérez M. Effectiveness of Hypnosis in Combination with Conventional Techniques of Behavior Management in Anxiety/Pain Reduction during Dental Anesthetic Infiltration. Pain Res Manag 2017;2017:1434015.


Ramsay DS, Weinstein P, Milgrom P, Getz T. Problematic gagging: principles of treatment. J AM Dent Assoc 1987;114(2):178–183.


Sewerin I. Gagging in dental radiography. Oral Surg Oral Med Oral Pathol 1984;58(6):725–772.


Stark H. Ätiologie und Therapie des Würgereizes, www.zahnheilkunde.de/beitragpdf/pdf_2518.pdf (14.10.2017).


Zehner G. Sanfter Druck mit großer Wirkung, www.zwp-online.info/fachgebiete/prophylaxe/prophylaxe/sanfter-druck-mit-grosser-wirkung (14.10.2017).


Titelbild: shutterstock.com/Phovoir
Reference: Quintessenz Team-Journal, Ausgabe 12/17 Patientenkommunikation Team Aus dem Verlag

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