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Finanzentwicklung der GKV im 1. Halbjahr 2020 – Überschüsse bei den Krankenkassen und Defizit beim Gesundheitsfonds

Für das 1. Halbjahr 2020 verzeichnen die 105 gesetzlichen Krankenkassen einen Einnahmenüberschuss von rund 1,3 Milliarden Euro. Einer der Gründe ist die verringerte Inanspruchnahme von Leistungen durch die Corona-Pandemie – auch bei Zahnärzten und Zahnersatz.

Im 1. Quartal hatten die Kassen noch ein Defizit von 1,3 Milliarden Euro ausgewiesen. Der Gesundheitsfonds verbuchte in den Monaten Januar bis Juni ein Defizit von 7,2 Milliarden Euro. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte: „Weil Patienten in der ersten Jahreshälfte weniger zum Arzt und ins Krankenhaus gegangen sind, sind die Ausgaben der Krankenkassen vor allem in den Monaten April bis Juni gesunken. Aber das ist nur eine Momentaufnahme. Wie sich das weitere Jahr entwickelt, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Krankenkassen und den Gesundheitsfonds haben wird, werden wir erst im Herbst einschätzen können.“


Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands. (Foto: GKV-Spitzenverband)

Und auch die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer, mahnte an, dass die Ausgaben der Kassen wieder steigen werden – bei gleichzeitig rückläufigen Beitragseinnahmen: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Ausgaben für die medizinische Versorgung auch ohne Corona-Effekte weiter ansteigen werden, während die Einnahmesituation ab dem kommenden Jahr aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr schwierig wird. Deshalb bedarf es einer großen gemeinsamen Anstrengung aller Akteure im Gesundheitswesen und der Politik, um die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung auch im kommenden Jahr zu sichern.“ Insgesamt habe sich gezeigt, dass die gesetzlichen Krankenkassen trotz der Corona-Pandemie noch über stabile Finanzen verfügen. Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds sorgten im laufenden Jahr für zuverlässige Einnahmen. „Für die gesetzlichen Krankenkassen bedeutet das rund 1,3 Milliarden Euro an Einnahmeüberschüssen, für den Gesundheitsfonds hingegen ein Minus von rund 7,2 Milliarden Euro. Per Saldo hat damit die gesetzliche Krankenversicherung im ersten Halbjahr, so die vorläufigen Zahlen, 5,9 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Aus diesen Zahlen lässt sich allerdings keine Prognose für das Gesamtjahr ableiten. Beispielsweise ist der extreme Rückgang der Krankenhausausgaben während der Monate des Lockdowns ein Sondereffekt, der sich so wohl kaum wiederholen wird.“

Von Selbstverwaltung getragenes System von Vorteil

Zugleich verwies sie auf die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems und der Selbstverwaltung: „Die gesetzliche Krankenversicherung hat gezeigt, dass sie auch unter schwierigsten Rahmenbedingungen durch das Miteinander von Ärzten, Kliniken, Krankenkassen, der Politik und vieler weiterer im Gesundheitswesen Tätigen die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen kann. Wir können froh sein, dieses von der Selbstverwaltung getragene System in Deutschland zu haben“, so Pfeiffer.

Entwicklungen bei den Ausgaben

Bei den Krankenkassen gab es im 1. Halbjahr 2020 einen absoluten Ausgabenzuwachs für Leistungen und Verwaltungskosten von 2,3 Prozent, nachdem der Zuwachs im 1. Quartal noch bei 5,6 Prozent lag. Die Leistungsausgaben stiegen um 2,2 Prozent, die Verwaltungskosten um 5,8 Prozent, so der Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit Allerdings sei bei der Interpretation der Daten grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen. Der Rückgang des Ausgabenanstiegs im 1. Halbjahr sei vor allem auf eine verringerte Inanspruchnahme von Leistungen in verschiedenen Leistungsbereichen im zweiten Quartal zurückzuführen. Er sei nur eine Momentaufnahme, auf deren Basis keine Rückschlüsse auf den weiteren Verlauf der Ausgaben gezogen werden sollten.

Ausgabenrückgänge bei Zahnärzten/Zahnersatz

Als Folge der Corona-Pandemie ist es in einer Reihe von Leistungsbereichen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu Ausgabenrückgängen bei den Krankenkassen gekommen. „Der Rückgang bei planbaren Leistungen hat bei den Krankenhausausgaben im 1. Halbjahr zu einem Minus von 2,4 Prozent geführt. Bei Vorsorge- und Reha-Maßnahmen gab es einen Rückgang 15,2 Prozent, bei zahnärztlicher Behandlung von 3,6 Prozent, beim Zahnersatz von 9,0 Prozent und bei Heilmitteln von 1,8 Prozent“, so das BMG. Für zahnärztliche Behandlungen insgesamt gaben die Kassen nach den vorläufigen Zahlen damit im 1. Halbjahr 2020 365 Millionen Euro weniger aus als im 1. Halbjahr 2019.

Hohe zweistellige Zuwachsraten gab es hingegen bei den Krankengeldausgaben, die einen zweistelligen Anstieg von 14,2 Prozent verzeichneten. Bei den Ausgabenzuwächsen für ärztliche Behandlung von 4,5 Prozent sei zu berücksichtigen, dass den Krankenkassen für das 1. Halbjahr noch keinerlei Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen vorliegen.

Finanzlage der Kassen in 1. Halbjahr 2020

Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 129,9 Milliarden Euro standen im 1. Halbjahr Ausgaben von rund 128,6 Milliarden Euro gegenüber. Damit sind die Einnahmen der Krankenkassen, die sie in erster Linie durch vorab festgelegte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, um 4,2 Prozent gestiegen. Die Finanzreserven der Krankenkassen konnten durch den Überschuss bis Ende Juni auf rund 20,8 Milliarden Euro steigen.

Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten

Bis auf die Knappschaft Bahn See (KBS), die ein Defizit von rund 50 Millionen Euro erzielte, verbuchten alle Krankenkassenarten Überschüsse: die Ersatzkassen erzielten ein Plus von 908 Millionen Euro, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) von 320 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 50 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen (IKK) von 46 Millionen Euro und die landwirtschaftliche Krankenversicherung (LKV) von 21 Millionen Euro.

Ergebnis des Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2020 über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 10,2 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. Halbjahr 2020 ein Defizit von rund 7,2 Milliarden Euro. Dieses Defizit ist neben saisonalen Effekten maßgeblich auf konjunkturbedingte Mindereinnahmen sowie auf Ausgleichszahlungen an Leistungserbringer zurück zu führen.

Für die Ausgleichszahlungen für freigehaltene Krankenhausbetten sowie zum Ausgleich von Belegungsrückgängen von Vorsorge – und Rehabilitationseinrichtungen, den Ausbau von Intensivbetten, sowie zum Ausgleich von Einkommenseinbußen für Heilmittelerbringer und die Zuschüsse für Sozialdienstleister wurden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bis Ende Juni insgesamt 7,25 Milliarden Euro ausgezahlt. Davon hat der Bund als Kompensation für die Ausgleichszahlungen aufgrund von Belegungsrückgängen in Krankenhäusern für das 1. Halbjahr rund 5,73 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds zurück überwiesen.

Der Zuwachs der Beitragseinahmen blieb mit lediglich 1,8 Prozent - trotz der Stabilisierung der Sozialversicherungseinnahmen durch die Regelungen beim Kurzarbeitergeld - erheblich hinter den Veränderungsraten der Vorjahre von durchschnittlich deutlich über vier Prozent zurück

Weitere Entwicklung und Entscheidungen im Herbst

Mit dem am 17. Juni vom Bundeskabinett beschlossenen Nachtragshaushalt wurde der gesetzlichen Krankenversicherung ein zusätzlicher Bundeszuschuss von 3,5 Milliarden Euro für 2020 zur Verfügung gestellt, der zum 15. Juli dem Gesundheitsfonds zufloss. Damit wird die Einnahmeentwicklung der GKV und die Liquiditätssituation des Gesundheitsfonds in der 2. Jahreshälfte verbessert. Ferner tragen die zusätzlichen Mittel zum Erhalt der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve des Gesundheitsfonds im Jahr 2020 bei.

Obergrenze für Sozialabgaben bei 40 Prozent

Die Bundesregierung hat sich in Ihrem Konjunkturprogramm ferner darauf verständigt, dass zur Vermeidung einer Belastung von Arbeitnehmern und Betrieben die Sozialversicherungsabgaben in den Jahren 2020 und 2021 eine Grenze von 40 Prozent der Löhne und Gehälter nicht überschreiten sollen. „In welchem Umfang dafür im Jahr 2021 zusätzliche Bundesmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung bereitgestellt werden müssen, wird im Herbst zu entscheiden sein“, so das BMG. Zunächst werde man mit dem GKV-SV und den Krankenkassen die aktuelle Entwicklung analysieren und die weiteren Perspektiven zur Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds für dieses und das kommende Jahr erörtern, heißt es.

Quellen: Finanzbericht des BMG/GKV-Spitzenverband

Titelbild: Foryoui3/shutterstock.com
Reference: Quintessence News Politik Nachrichten Wirtschaft

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