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Schrader kandidiert nicht erneut – Podiumsdiskussion zeigt keine echte Alternative zur GKV – Kritik an eigener Kampagne

Der neue FVDZ-Bundesvorstand (von links): Dr. Gudrun Kaps-Richter, drs. (NL) Hub. van Rijt, Prof. Dr. Thomas Wolf, Damian Desoi, Dr. Christian Öttl, Dr. Elisabeth Triebel, Dr. Jeannine Bonaventura, Dr. Frank Wuchold, Jasmin Mansournia, Dr. Kai-Peter Zimmermann, Anne Szablowski

(c) FVDZ/Jürgen Schwarz

Dr. Marion Marschall

Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte hat einen neuen Bundesvorstand. Neuer Bundesvorsitzender ist Dr. Christian Öttl aus Bayern. In seinem Vorstandsteam finden sich bekannte und neue Gesichter. Die Wahl erfolgte auf der Hauptversammlung des Verbands vom 12. bis 14. Oktober 2023 in Lübeck.

Der ursprünglich erwartete Wahlkampf fiel aus: Der bisherige Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ), ZA Harald Schrader, erklärte am Donnerstagabend schon nach dem ersten Tag der HV gegenüber Delegierten, dass er auf eine erneute Kandidatur für das Amt des Bundesvorsitzenden verzichten werde. Der bisherige stellvertretende Bundesvorsitzende Dr. Christian Öttl hatte bereits im Vorfeld der HV bei den Landesverbänden angekündigt, dass er gegen Schrader antreten werde.

Aber auch Schrader hatte bereits vor längerem durchblicken lassen, dass er nur wieder antreten werde, wenn die Delegierten seiner Linie folgen würden. Diese Sicherheit scheint er – auch nach dem ersten Tag der HV, in dessen Verlauf der Bericht des Bundesvorstands (BV) vorgestellt wurde – nicht mehr gehabt zu haben.

So stellte sich nur Dr. Christian Öttl, vorgeschlagen vom Präsidenten der Bundeszahnärztekammer und bayerischen Kollegen Prof. Dr. Christoph Benz, zur Wahl. Öttl wurde von den Delegierten mit überwältigender Mehrheit gewählt und erhielt 102 von 129 abgegebenen Stimmen (14 nein, 3 Enthaltungen). Das sind 79 Prozent. Mit großer Mehrheit wählten die Delegierten auch Prof. Dr. Thomas Wolf (Schweiz/Bern, 111 ja/12 nein/4 Enthaltungen) und Dr. Jeannine Bonaventura (Saarland, 98 ja/22 nein/ 5 Enthaltungen) als stellvertretende Vorsitzende in den Geschäftsführenden Bundesvorstand. Auch sie beide gehörten bereits dem BV an.

Ebenfalls in den FVDZ-Bundesvorstand gewählt wurden: Dr. Kai-Peter Zimmermann (Rheinland-Pfalz), Dr. Frank Wuchold (Thüringen), Dr. Gudrun Kaps-Richter (Baden- Württemberg), Dr. Elisabeth Triebel (Thüringen), Damian Desoi (Hessen), drs. (NL) Hub. van Rijt (Westfalen-Lippe), Jasmin Mansournia (Bayern) und Anne Szablowski (Niedersachsen). Zimmermann, Wuchold, Kaps-Richter und van Rijt gehörten bereits bislang dem BV an. Auch die Versammlungsleitung mit Versammlungsleiter Dr. Konrad Koch und seine Stellvertreter wurden im Amt bestätigt.

„Der neue Bundesvorstand ist eine gute Mischung aus erfahrenen Kolleginnen und Kollegen und jungen Talenten. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und die Pluralität“, sagte FVDZ- Bundesvorsitzender Öttl nach der Wahl.

Glückwünsche aus Bayern

Glückwünsche für den neuen BV, der bislang den Bereich Wirtschaftlichkeit und Unterstützung der Mitglieder/der Zahnärzteschaft vertreten hatte, kamen auch aus seinem Landesverband Bayern: Seine langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeiten als Delegierter und Vorstandsmitglied der Bayerischen Landeszahnärztekammer – darunter als Referent für Fortbildung – sowie als Delegierter der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns – hier von 2016 bis 2022 auch als stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung – beweisen sein großes Engagement für den Berufsstand. „Christian Öttl ist ein wichtiger Pfeiler der Standespolitik für die Kolleginnen und Kollegen in Bayern und deutschlandweit“, sagt Dr. Thomas Sommerer, stv. Landesvorsitzender in Bayern. „Er unterstützt die Zahnarztpraxen seit vielen Jahren mit seiner Erfahrung und seinem Wissen, insbesondere im Bereich der Abrechnung“, ergänzt der Landesvorsitzende Dr. Jens Kober.

Auch Jasmin Maonsournia aus Erlangen kommt aus dem Landesverband Bayern und habe ihren Weg über die FVDZ-Nachwuchsarbeit in die politische Arbeit unter anderem als Vorstandsmitglied der International Association of Dental Students (IADS) genommen.

Flut von Anträgen diskutiert

Die Wahl fand am Samstag, 14. Oktober, statt, nachdem die Delegierten bereits anderthalb Tage Berichte zur Verbandsarbeit gehört und viele Anträge diskutiert und verabschiedet hatten (alle politischen Beschlüsse werden auf der FVDZ-Homepage eingestellt). Mehr als 80 Anträge standen auf der Agenda, von denen viele allerdings wegen Dopplungen oder inhaltlicher Fehler korrigiert oder zurückgezogen wurden.

Ehrungen für verdiente Standespolitiker

Ebenfalls zu Beginn der HV in Lübeck ehrte der Bundesvorsitzende Schrader eine prominente Reihe von Verbandsmitgliedern mit dem Ehrenzeichen in Gold, allen voran den langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Wolfgang Eßer. Ebenfalls geehrt wurden Dr. Manfred Kinner, langjährig in Bayern, unter anderem in der KZV Bayerns, berufspolitisch aktiv, Dr. Peter Bührens aus Mecklenburg-Vorpommern, der lange Jahre auch für den Bundesvorstand aktiv war, und der langjährige Freiverband-Landesvorsitzende aus Thüringen, Johannes Wolf.


Podiumsdiskussion: kaum realistische Alternativen zur GKV

Zum Auftakt der HV gab es eine Podiumsdiskussion zu möglichen Alternativen für eine Zahnmedizin außerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Verband hatte dazu erneut Prof. Dr. Thomas Drabinski, Leiter des Instituts für Mikrodaten-Analyse, als Festreferenten eingeladen. Er benannte „als Gesundheitsökonom“ die aktuellen Faktoren, die auf die Praxen einwirkten, wie steigende Zinsen, Fachkräftemangel, Energiekosten etc. Drabinski legte zudem eine dramatisch anmutende Analyse zur wirtschaftlichen Perspektive der Praxen am Beispiel des Einnahmen-Überschusses für die Zahnarztpraxen bis 2024 vor – allerdings hatte er dafür die Zahlen des KZBV-Jahrbuchs 2021 für 2020 zugrunde gelegt. Der Einnahmen-Überschuss liegt nach den neuesten Zahlen aus dem Jahrbuch 2022 für das Jahr 2021 deutlich höher, damit stimmen die von ihm errechneten Rückgänge nicht mehr.

Private Basis-Versicherung für Zahnmedizin

Eine Weiterentwicklung des GKV-Systems werde nicht mehr funktionieren, so Drabinski. Er plädierte für ein neues Finanzierungs- und Vergütungssystem für ambulante Leistungen und wiederholte seinen schon vor mehr als zehn Jahren gemachten Vorschlag, die kompletten Zahnmedizin-Leistungen aus der GKV in eine sogenannte private Basis-Versicherung herauszunehmen, die von den Versicherten dann abgeschlossen werden müsste. Sozusagen eine von den Versicherungen kalkulierte Basis-Zahnprämie, mit der die Zahnmedizin finanzierungsseitig aus der GKV-Struktur ausgekoppelt würde. Wie und von wem der Leistungskatalog dann definiert und die Bewertung der Leistungen verhandelt werden soll, ließ er allerdings offen.

Drabinski-Modell ohne Chancen

In der anschließenden Diskussion mit dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), ZA Martin Hendges, Schrader, Drabinski und Ralf Hermes, Vorstand der IKK – Die Innovationskasse, wurde allerdings schnell deutlich, dass dieses Modell derzeit keine Chancen hat.

Hermes, der vor einigen Monaten mit einer Forderung nach Herausnahme der Zahnmedizin aus der GKV vorgeprescht war, relativierte diese und weitere Vorschläge schnell. Es wäre kein Problem damit gelöst, die Zahnmedizin aus der GKV herauszulösen: „Ich persönlich bin der Auffassung, das System ist von sich, von innen heraus, und damit meine ich auch die Krankenkassenvorstände, nicht mehr reformfähig. Das liegt vor allem an den Interessenlagen der Player“, so Hermes. Es gebe 96 Kassen und alle Vorstände hätten ein Ziel: „ihren Vorstandsposten zu erhalten“. Wenn sie über Bürokratieabbau redeten, werden sie dazu nicht in der Lage sein, denn dieses System produziere Bürokratie, und die Politik dazu.

De facto schon ein staatliches Gesundheitssystem

Hermes zeigte sich überzeugt davon, dass es nicht mehr Geld geben werde im Gesundheitswesen, für die Zahnmedizin schon gar nicht. Mit seinen Instituten, Ämtern und Behörden sei es ein staatliches Gesundheitssystem, in dem es keinen Wettbewerb gebe. Lauterbach habe einen Plan, darüber rede er aber nicht, „sonst wäre der Aufstand noch größer“, so Hermes. Die Idee sei ja gut, so Hermes, aber er sehe keine Chance, das umzusetzen.

Keinerlei Aussicht auf politische Unterstützung

Hendges und in der späteren Plenumsdiskussion auch sein Amtsvorgänger Dr. Wolfgang Eßer machten deutlich, dass es für diese und ähnliche Ideen derzeit in keiner Partei – weder in denen der Regierungs-Ampel noch in der Union – irgendeine Aussicht auf Unterstützung. Man löse sich mit einem solchen Prämienmodell aus dem Kollektivsystem, wo jede Praxis einzeln dastehe und dann am Ende Rechnungen schreibe und sehen müssen, wie er an sein Geld komme. Vom Festlegen des Leistungsanspruchs, des Leistungskatalogs, der Frage Sach- oder Geldleistung bis zum immer noch unveränderten Punktwert der GOZ – das müsse alles geklärt sein, „bevor man mit solchen Forderungen an die Öffentlichkeit geht“, so Hendges.

Ziel muss ein Regierungswechsel 2025 sein

„Wie können wir das umsetzen? Wo ist der politische Partner? Wie bekommen wir Freiheiten außerhalb des Systems, die uns die Politik aktuell schon im System weiter beschneidet?“, so Eßer. Es gebe eine ganz andere Aufgabe, „bevor wir über einen Ausstieg aus dem System reden“. Der Verband müsse politischer werden und daran arbeiten, „dass wir 2025 einen Regierungswechsel bekommen, mit denen wir wieder kreativ daran arbeiten können, um wieder Freiheiten und Verbesserungen in das System zu bekommen“, erklärte er in der Diskussion.

In den Verteilungskämpfen lauter werden

Prof. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, hatte in seinem Grußwort mit Blick auf die Insolvenzen bei den Krankenhäusern und die Krankenhausreformen darauf hingewiesen, dass die Verteilungskämpfe um die knappen Mittel im Gesundheitswesen neu geführt würden. Man müsse daher jetzt die ambulante Versorgung in den Blick nehmen und jetzt aktiv werden. „Wohin geht das Geld?“, so Benz. Es müsse im Interesse der Patienten in die ambulante Versorgung gehen, dafür müsse der Berufsstand „lauter werden“.

„Wir haben eines der einfachsten Start-ups. Das funktioniert erstaunlich gut und geht überall“, so Benz, und wiederholte unter Beifall seine Forderung, endlich damit aufzuhören, den eigenen Beruf schlechtzureden. Der Beruf Zahnarzt/Zahnärztin „hat Zukunft, wir müssen gemeinsam dafür kämpfen“, so Benz.

Deutliche Tendenz zur Zentralisierung und Schwächung der Selbstverwaltung

Martin Hendges hatte vor der Podiumdiskussion bereits in seinem Grußwort unter häufigem Beifall der Delegierten klar gemacht, in welch schwieriger Lage sich nicht nur die Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland befindet. „Da steht aktuell eine Regierungskoalition in der Verantwortung, die ganz offensichtlich weder ernsthaft den Willen hat, noch die Fähigkeit besitzt, die vielfach selbst verursachten Probleme einer konsequenten Lösung zuzuführen“, so Hendges. Debatten und Entscheidungen würden nicht von Expertise, Weitsicht, Faktenlage und Besonnenheit, sondern von ideologischem Denken geprägt. Sämtliche bereits verabschiedeten oder als Entwürfe vorliegende Gesetze im Gesundheitsbereich ließen deutliche Tendenzen zur Zentralisierung und zunehmenden Verstaatlichung des Gesundheitswesens erkenne, unter Schwächung der Selbstverwaltung und mit einer „unerträglichen Ignoranz“ gegenüber den Leistungsträger, den freiberuflich und selbstständig tätigen Zahnärzten und ihren Teams. Er hob dazu noch einmal auf die Situation der Parodontitistherapie unter der Budgetierung ab.

Eigene Kampagne des FVDZ in der Kritik

Der noch amtierende Bundesvorsitzende Schrader verteidigte am Freitag die von der Agentur Salz auch noch ausführlich vorgestellte eigene „Wertekampagne“ des FVDZ „Wir geben Deutschland das Lächeln zurück“, die mit dem Absender „Deutschlands Zahnarztpraxen“ als Initiative des FVDZ läuft. Trotzdem war offensichtlich für viele Delegierte nicht einleuchtend, warum der Verband eine eigene, teure Kampagne starten musste, anstatt die bereits von der KZBV initiierte Kampagne „Zähne zeigen“ zu unterstützen.

Das hatte auch Hendges in seinem Grußwort bereits angesprochen. Man müsse sich schon die Frage stellen, warum genau in dieser wichtigen Phase, in der parallel zur Evaluierung der PAR-Behandlungen der politische Handlungsdruck erhöht werden müsse, zusätzlich zur KZBV-Kampagne eine eigene Kampagne des FVDZ mit dem – „gerade in Zeiten von Budgetierung – skurrilen Motto ‚Wir gegen Deutschland das Lächeln zurück‘ für viel Geld auf die Beine gestellt wurde, anstatt sich als Bundesverband und Bundesvorstand mit voller Kraft hinter die KZBV zu stellen“, sagte Hendges unter viel Beifall eines Teils der Delegierten.

Dr. Marion Marschall, Berlin

Reference: Politik Menschen Nachrichten

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