Die 97 gesetzlichen Krankenkassen haben in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres ein nahezu ausgeglichenes Finanzergebnis erzielt, obwohl die Leistungsausgaben, auch für zahnärztliche Leistungen und Zahnersatz, gegenüber dem Vorjahresquartal 2021 gestiegen sind. Hierzu habe wesentlich der in diesem Jahr einmalig ergänzende Bundeszuschuss von 14 Milliarden Euro beigetragen, so das Bundesministerium für Gesundheit.
Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Quartalsende 9,9 Milliarden Euro beziehungsweise 0,4 Monatsausgaben und entsprachen damit dem Zweifachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve in Höhe von 0,2 Monatsausgaben. Das gab das BMG am 24. Juni 2022 mit der Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen bekannt.
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach erklärte dazu: „Das ausgeglichene Finanzergebnis im 1. Quartal zeigt, dass der im letzten Herbst beschlossene ergänzende Bundeszuschuss von 14 Milliarden Euro die Beitragssätze und die GKV-Finanzen wirksam und zielgenau gestützt hat. Auch über 2022 hinaus werden wir für eine stabile Finanzierung der GKV sorgen."
Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 71,7 Milliarden Euro standen Ausgaben in nahezu gleicher Höhe gegenüber. Das Defizit betrug etwa 16 Millionen Euro. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,05 Prozent einen Zuwachs von 6,3 Prozent. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz zum Quartalsende lag mit 1,36 Prozent leicht oberhalb des Ende Oktober 2021 für das Jahr 2022 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 1,3 Prozent.
Unterschiedliche Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten
Die Ortskrankenkassen erzielten einen Überschuss von 81 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen von 64 Millionen Euro und die Knappschaft von 17 Millionen Euro. Die Ersatzkassen (minus 199 Millionen Euro) und Betriebskrankenkassen (minus acht Millionen Euro) erzielten hingegen Defizite. Die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse verbuchte einen Überschuss von 29 Millionen Euro.
Ergebnis des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 17. Januar 2022 über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 7,9 Milliarden Euro verfügte und die aufgrund gesetzlich geregelter Sonderzahlungen im Jahresverlauf um 2,1 Milliarden Euro sinken wird, verzeichnete im 1. Quartal 2022 ein Defizit von 2,2 Milliarden Euro. Dieses sei saisonüblich und lasse keinen Rückschluss auf die Entwicklung im weiteren Jahresverlauf zu. Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,0 Prozent. „Vor dem Hintergrund der aktuell erheblichen wirtschaftlichen Risiken bleibt die Gesamtjahresentwicklung abzuwarten“, so das Ministerium.
Hohe Kosten für Pandemie-Maßnahmen wieTests
Zur Bewältigung der Corona-Pandemie trägt der Bund weiterhin einen Großteil der Ausgaben für pandemiebedingte Zahlungsverfahren, die aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vorfinanziert werden. Hierunter fallen unter anderem Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser, Aufwendungen für Corona-Tests und für Impfungen gegen Covid-19. Insgesamt wurden rund 9,6 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt und vom Bund refinanziert.
Ausgaben: niedriges Vorjahresquartalsniveau beachten
Die Krankenkassen verzeichneten im 1. Quartal 2022 einen Zuwachs für Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 6,3 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 5,7 Prozent, die Verwaltungskosten um 18,5 Prozent. „Zu berücksichtigen ist, dass die Rate bei den Leistungsausgaben auf einer Corona-bedingt niedrigen Basis des Vorjahresquartals aufsetzt und daher mit Blick auf die Entwicklung im weiteren Jahresverlauf mit Vorsicht zu interpretieren ist. Der sehr deutliche Anstieg der Verwaltungskosten ist maßgeblich auf die Bildung von hohen Altersrückstellungen einer einzelnen Krankenkasse im ersten Quartal zurückzuführen und dürfte sich im weiteren Jahresverlauf deutlich abflachen“, erläutert das BMG.
Vergütungs- und Preisanpassungen bei Heilmitteln
Überproportional stark gestiegen sind die Ausgaben im Bereich der Heilmittel (21,6 Prozent) sowie bei Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (16,7 Prozent). Bei den Heilmitteln wirken neben Vergütungsanpassungen zum Beginn dieses Jahres auch weiterhin die hohen unterjährigen Preisabschlüsse des Vorjahres. Zudem dürfte auch eine Normalisierung der Leistungsmengen für die Dynamik verantwortlich sein. Im Bereich der Rehabilitation und Vorsorge ist die Entwicklung im starken corona-bedingten Einbruch des Vorjahresquartals begründet.
Die Arzneimittel wachsen mit 6,5 Prozent weiterhin überproportional stark und weisen im Vergleich mit den zwei anderen großen Ausgabenbereichen der GKV (Krankenhaus und Ärzte) die höchste Dynamik auf.
Anstieg bei Krankenhäusern, Zahnarzt- und Arztpraxen
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. Quartal um 2,7 Prozent gestiegen. „Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gesetzliche Korrekturmaßnahmen derzeit ausgabendämpfend wirken, um ungewollte Doppelfinanzierungen für besondere ärztliche Leistungen nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz zu korrigieren“, heißt es in den Erläuterungen zu den Zahlen.
Die Ausgaben für die zahnärztliche Behandlung ohne Zahnersatz sind um 6,23 Prozent oder 195 Millionen Euro gegenüber dem 1. Quartal 2021 gestiegen. Da von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung eine gute Inanspruchnahme der neuen PAR-Leistungen gemeldet wird, dürfte ein Teil der Mehrausgaben auf diese Leistungen entfallen. Die Ausgaben für Zahnersatz stiegen um 2,38 Prozent oder 22 Millionen Euro. Damit machen zahnärztliche Behandlungen (5 Prozent) und Zahnersatz (1 Prozent) weiterhin nur rund 6 Prozent der Gesamtausgaben der Krankenkassen aus.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind um 4,3 Prozent gestiegen. „Vor dem Hintergrund der pandemiebedingt sehr niedrigen Basis des Vorjahresquartals fällt dieser Anstieg moderat aus. Zusätzlich unterstützte der Bund die Krankenhäuser weiterhin mit Steuermitteln für freigehaltene Betten im ersten Quartal 2022 in Höhe von drei Milliarden Euro und mit Versorgungsaufschlägen für die stationäre Behandlung von Corona-Patienten in Höhe von 870 Millionen Euro. Weiter an Bedeutung gewinnen die Ausgaben für Pflegepersonalkosten, die 2020 aus den DRG-Pauschalen ausgegliedert wurden. Diese Ausgaben wuchsen im 1. Quartal um 11 Prozent, nachdem die Krankenkassen bereits im Jahr 2021 14 Prozent höhere Ausgaben für Pflegepersonalkosten als noch 2020 verbuchten“, erklärt das BMG.
Anstieg beim Kinderkrankengeld
Die Krankengeldausgaben stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,7 Prozent. Besonders dynamisch entwickelten sich dabei die Aufwendungen für Kinderkrankengeld (+12,9 Prozent). Dies zeigt, dass die Erweiterung des Anspruchs auf Kinderkrankengeld für Eltern, die ihre Kinder pandemiebedingt zu Hause betreuen müssen, angenommen wird und einen Beitrag zur Unterstützung von Familien während der Pandemie leistet.
Bei der Interpretation der Daten des 1. Quartals ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen.
Endgültige Jahresrechnung für 2021 weist 6,7 Milliarden Euro Defizit aus
Nach den endgültigen Jahresrechnungsergebnissen für 2021 erzielten die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr ein Defizit von 6,7 Milliarden Euro. Somit ist das Defizit der Krankenkassen rund 1 Milliarden Euro höher als in den vorläufigen Rechnungsergebnissen für 2021 ausgewiesen. Ursächlich sind insbesondere höhere Leistungsausgaben, vor allem für Pflegepersonalkosten im Krankenhaus.
Generell sei bei der Interpretation des Defizits der GKV in 2021 zu berücksichtigen, dass die Krankenkassen im vergangenen Jahr gesetzlich verpflichtet wurden, einen Teil ihrer bis dato sehr hohen Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abzuführen. Dieser Beitrag der Kassen in Höhe von acht Milliarden Euro war wesentlich, um den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz stabil zu halten und höhere Belastungen der Beitragszahlenden zu verhindern.