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Dank Computersimulationen zum Invar-Effekt konnten konkrete Vorhersagen über die Zusammensetzung erzielt und umgesetzt werden

Normalerweise dehnen sich Metalle aus, wenn sie erhitzt werden.

(c) TU Wien

Die meisten Metalle dehnen sich aus, wenn ihre Temperatur ansteigt. Der Eiffelturm etwa ist aufgrund seiner Wärmeausdehnung im Sommer um rund 10 bis 15 Zentimeter höher als im Winter. Bei vielen technischen Anwendungen ist dieser Effekt aber äußerst unerwünscht. Daher sucht man schon lange nach Materialien, die unabhängig von der Temperatur immer die gleiche Länge haben. So ist etwa Invar, eine Legierung aus Eisen und Nickel, für seine extrem geringe Temperaturausdehnung bekannt. Wie sich diese Eigenschaft aber physikalisch erklären lässt, war bisher nicht völlig klar.

Nun gelang durch eine Kooperation aus theoretischer Forschung an der TU Wien und Experimenten an der Beijing University of Technology ein entscheidender Durchbruch: Mit aufwändigen Computersimulationen konnte man den Invar-Effekt im Detail verstehen, und dadurch einen sogenannten Pyrochlor-Magneten entwickeln – eine Legierung, die noch bessere Temperatur-Ausdehnungs-Eigenschaften hat als Invar: Über einen extrem breiten Temperaturbereich von über 400 Grad ändert sich ihre Länge pro Grad nur um rund ein Zehntausendstel von einem Prozent.

Temperaturausdehnung und ihr Gegenspieler

„Je höher die Temperatur in einem Material, umso stärker bewegen sich die Atome – und wenn sich die Atome stärker bewegen, brauchen sie mehr Platz, der durchschnittliche Abstand zwischen ihnen nimmt zu“, erklärt Dr. Sergii Khmelevskyi vom Vienna Scientific Cluster (VSC) Forschungszentrum an der TU Wien. „Dieser Effekt ist die Basis der Wärmeausdehnung, er lässt sich nicht verhindern. Aber man kann Materialien herstellen, in denen ein anderer, entgegengesetzter Effekt die Wärmeausdehnung fast exakt ausgleicht.“

Khmelevskyi entwickelte mit seinem Team aufwendige Computersimulationen, mit denen man das Verhalten von Materialien auf atomarer Ebene analysieren kann. „Wir konnten dadurch die Ursache des Invar-Effekts besser verstehen, der dazu führt, dass sich bestimmte Eisen-Nickel-Legierungen kaum ausdehnen“, sagt Khmelevskyi. „Es liegt daran, dass bestimmte Elektronen bei steigender Temperatur ihren Zustand ändern. Die magnetische Ordnung im Material nimmt ab, und zwar so, dass sich das Material dadurch zusammenzieht. Dieser Effekt hebt die übliche Wärmeausdehnung fast exakt auf.“

Computersimulationen zeigten Wege auf

Dass die magnetische Ordnung im Material verantwortlich für den Invar-Effekt ist, war schon bisher bekannt. Aber erst mit den Computersimulationen aus Wien konnte man die Details dieses Vorgangs so genau verstehen, dass nun auch Vorhersagen für andere Materialien möglich wurden. „Zum ersten Mal steht eine Theorie zur Verfügung, die konkrete Vorhersagen für die Entwicklung neuer Materialien mit verschwindender Wärmeausdehnung machen kann“, sagt Khmelevskyi.

Der Pyrochlor-Magnet

Um diese Vorhersagen in der Praxis zu testen, arbeitete Khmelevskyi mit dem Team von Xianran Xing und Ass. Prof. Yili Cao von der Beijing University of Technology zusammen. Nun konnte das Ergebnis dieser Kooperation vorgestellt werden: Der sogenannte Pyrochlor-Magnet.

Originalpublikation:

S. Khmelevskyi und S. Steiner, Predictive Theory of Anomalous Volume Magnetostriction in Fe–Ni Alloys: Bond Repopulation Mechanism of the Invar Effect, The Journal of Physical Chemistry C 128/1

Im Gegensatz zu bisherigen Invar-Legierungen, die nur aus zwei verschiedenen Metallen bestehen, hat der Pyrochlor-Magnet gleich vier Komponenten: Zirkonium, Niob, Eisen und Kobalt. „Daraus entstand ein Material mit einem extrem niedrigen Wärmeausdehnungskoeffizienten – und zwar über einen bisher unerreicht großen Temperaturbereich hinweg“, sagt Yili Cao.

Legierung mit heterogener Struktur

Dieses bemerkenswerte Temperaturverhalten hat damit zu tun, dass es sich beim Pyrochlor-Magnet nicht um eine perfekte, sich immer auf dieselbe Weise wiederholende Gitterstruktur handelt. Die Zusammensetzung des Materials ist nicht an jeden Punkt gleich, es ist heterogen. Manche Bereiche enthalten etwas mehr Kobalt, manche etwas weniger. Beide Teilsysteme reagieren unterschiedlich auf Temperaturänderungen. Dadurch kann man die Details der Materialzusammensetzung Punkt für Punkt so ausbalancieren, dass sich insgesamt eine Temperaturausdehnung von fast genau null ergibt. Das Material könnte besonders in Anwendungen mit extremen Temperaturschwankungen oder präzisen Messtechniken von Interesse sein, wie etwa in der Luftfahrt, der Raumfahrt oder in hochpräzisen elektronischen Bauteilen.

Quelle: TU Wien Materialien Bunte Welt

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