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Fortschritte durch digitale Verfahren in Praxis und Labor – ein Erfahrungsbericht

Gefräste definitive (links) und additiv gefertigte Testprothesen (rechts).

Dr. Sabine Hopmann

In Deutschland geht die Zahl der zahnlosen Patienten seit Jahren kontinuierlich zurück. Es gibt aber immer noch 3,4 Millionen Menschen, die im Unterkiefer zahnlos sind. Während die Versorgung des zahnlosen Oberkiefers mit einer Totalprothese für den Patienten meistens zufriedenstellend gelöst werden kann, gibt es im Unterkiefer häufig Probleme mit der Adaptation. Dadurch kommt es nicht selten zu Auswirkungen auf die Gesundheit und das allgemeine psychische und soziale Wohlbefinden der Patienten7.

Eine gut sitzende, den Regeln der Funktion und der Ästhetik entsprechende Totalprothese kann die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern und so einen wesentlichen Beitrag zur Wiederherstellung der sozialen Kompetenz leisten. In diesem Beitrag, der zuerst in der QZ Quintessenz Zahntechnik 12/21 erschienen ist, soll dargestellt werden, welche Fortschritte bei der Herstellung einer funktionsgerechten Totalprothese durch die Digitalisierung in Praxis und Labor erzielt werden können2.

Die Quintessenz Zahntechnik, kurz QZ, ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für alle Zahntechniker und zahntechnisch interessierte Fachleute, die Wert auf einen unabhängigen und fachlich objektiven Informationsaustausch legen. Im Vordergrund der Beiträge und Berichterstattung steht die Praxisrelevanz für die tägliche Arbeit. In dieser Zeitschrift finden sich Zahntechniker, Dentalindustrie und die prothetisch orientierte Zahnarztpraxis mit ihren Anliegen nach einer hochwertigen Fortbildung gleichermaßen wieder. Zur Online-Version erhalten Abonnenten kostenlos Zugang. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Implantatgetragener Zahnersatz

Seit mehr als 40 Jahren gehört die Implantologie zum Behandlungsspektrum in vielen Zahnarztpraxen. Während die totale Prothese im Oberkiefer von den Patienten in der Regel problemlos akzeptiert wird, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) im zahnlosen Unterkiefer die Insertion von zwei oder vier Implantaten zur Stabilisierung der Prothese. Diese Maßnahme erfordert operative Interventionen, die nicht selten zu erheblichen körperlichen und finanziellen Belastungen der Patienten führen. Für multimorbide Patienten mit zum Beispiel Bisphosphonat-Therapie ist eine Implantatinsertion eher kontraindiziert. Patienten, bei denen Implantate durch eine Periimplantitis verloren gegangen sind, entscheiden sich nicht selten gegen einen erneuten operativen Eingriff. 

Bei der Planung eines implantatgetragenen Zahnersatzes im zahnlosen Kiefer empfiehlt sich ein Backward Planning mit funktionsgerechten Totalprothesen, um die funktionell und ästhetisch richtige Position der Zähne im Vorfeld der Versorgung zu erarbeiten. So kann auch die Entscheidung für festsitzenden oder abnehmbaren Zahnersatz bereits vor der Insertion der Implantate gefällt werden.

Die Herstellung von totalen Prothesen gehört in vielen Praxen nicht mehr zum Behandlungsspektrum, wodurch das geballte Wissen um die Funktion, die Phonetik und die Ästhetik in den Hintergrund gedrängt wird. Seit dem Einzug der CAD/CAM-Technologie gibt es zahlreiche Behandlungsschritte, die dem ganzen Team die Therapie vereinfachen und gleichzeitig zu einem präziseren Behandlungsergebnis führen3–5,9

Behandlungsablauf

Wenn der Patient bereits Totalprothesenträger ist, können vorhandene Daten verwendet werden, um eine erste funktionelle Abformung am Patienten zu vermeiden (Abb. 1). Dafür werden die vorhandenen Prothesen eingescannt und es können individuelle Löffel gedruckt werden, die nicht nur die Funktionsränder, sondern auch schon die Zahnreihen beinhalten. Falls nötig, können diese Löffel nach den Angaben des Behandlers bereits in Richtung des angestrebten Ergebnisses korrigiert werden. Beispielhaft sei hier die Korrektur der Zahnlänge und der vertikalen Bissrelation genannt. Außerdem wird die Basis des Funktionslöffels mit Stops versehen und der Löffel zwei Millimeter hohl gelegt, um so Platz für das Abformmaterial zu schaffen (Abb. 2). Die Funktionsränder sollten über die muko-gingivale Grenze hinaus bis in die bewegliche Schleimhaut reichen, um dort durch leichte Kompression einen Unterdruck zu erzeugen. Die funktionelle Abformung des zahnlosen Kiefers erfolgt herkömmlich mit RS Resi-Line light der Fa. R-Dental (Hamburg). Ein intraoraler Scan empfiehlt sich nach Meinung der Autoren nicht, da die bewegliche Schleimhaut so nicht in Funktion abgeformt werden kann.

Liegen keine verwertbaren Ausgangsdaten vor, so muss mit einer individuellen Erstabformung begonnen werden, um die Ausdehnung des Prothesenlagers zu erfassen; die Werte für die Position der Zähne müssen zunächst ermittelt werden, um einen Bisswall aus Kunststoff korrekt zu positionieren. Dieser muss dann am Patienten während der definitiven Funktionsabformung individualisiert werden. Während dieser Funktionsabformung werden zunächst die Ränder der individuellen Löffel mit lichthärtendem Kunststoff korrigiert und dann der Funktionsrand mit GC Compound (Fa. GC, Leuven, Belgien) aufgetragen. Nach der Abformung mit RS Resi-Line wird im Oberkiefer noch die A-Linie markiert und mit Aluwachs im Mund adaptiert (Abb. 3 und 4).

Nachdem die individuellen Löffel die Zahnreihen bereits beinhalten, kann in der gleichen Sitzung noch eine Kieferrelationsbestimmung vorgenommen werden (Abb. 5). Die Relation der Kauebene zur Bipupillarlinie und zur Camperschen Ebene wird entweder mit einem Gesichtsscan oder herkömmlich mit dem Bakker-Lineal erarbeitet. Im PlaneFinder der Fa. Zirkonzahn (Gais, Italien) werden die natürliche Kopfposition (Natural Head Position, NHP) und der Okklusionslinienwinkel erfasst (Abb. 6). Im Labor können dann durch ein erweitertes Materialangebot sowohl der Zahnkranz als auch die Prothesenbasis in den entsprechenden Farben gedruckt werden. 

Die Testprothesen enthalten bereits alle Merkmale der definitiven Prothesen und können von dem Patienten Probe getragen werden. Dies kann Zahnarzt und Zahntechniker wichtige Informationen liefern. Während dieser Probezeit können Funktionsränder korrigiert, Druckstellen entfernt und Remontagen zur Okklusionskorrektur vorgenommen werden. Falls die Position der Zähne aus funktionellen Gründen noch wesentlich korrigiert werden muss, empfiehlt es sich, eventuell eine weitere Testprothese herzustellen, um umfangreiche Änderungen an den endgültigen Prothesen zu vermeiden (Abb. 7 und 8).

Herstellung der totalen Prothesen im Labor

Die endgültigen Prothesen werden im Labor mithilfe von CAD/CAM-Technologie hergestellt. 
Zunächst werden die Prothesenbasis in der Fräsmaschine grob „vorgeschrubbt“ und die finalen Zahnpositionsgaragen bereits fein ausgefräst. Gleichzeitig wird der Zahnkranz hergestellt, der von basal ebenfalls fein ausgefräst wird, um ein Zusammenfügen der Basis und des Zahnkranzes zu ermöglichen. Die beiden Komponenten werden jeweils mit Ivobase CAD Bond (Fa. ­Ivoclar ­Vivadent, Schaan, Liechtenstein) verbunden und bei 50 Grad und 2 bis 5 Bar im Drucktopf ausgehärtet (Abb. 9).

Anschließend werden die Prothesen erneut in die Fräsmaschine eingespannt und die Basis und der Zahnkranz werden ­final ausgearbeitet (Abb. 10 und 11). Eine Individualisierung der Zähne ist möglich mithilfe der Cut-back-Technik und anschließender individueller Komposit-Schichtung oder mit Maltechnik beziehungsweise mit Optiglaze, um so den Frontzähnen einen individuellen Charakter verleihen zu können. Auch individuell hergestellte Keramikzähne können mit der Basis verklebt werden (Abb. 12 und 13). Die Positionierungshilfe für das Einkleben der Zähne kann ebenfalls additiv hergestellt werden (Abb. 14).

Fazit

Die Herstellung von Totalprothesen mithilfe der CAD/CAM-Technologie bringt viele Vorteile für das Behandlungsteam und den Patienten. Im Vergleich zu herkömmlich hergestellten Prothesen fällt die Polymerisationsschrumpfung deutlich geringer aus, was eine höhere Passgenauigkeit der Prothese zur Folge hat. Die Basis ist bei gleicher Materialstärke deutlich stabiler und damit weniger bruchanfällig. Eine gegebenenfalls reduzierte Stärke der Basis führt zu erhöhtem Komfort für die Patienten. Es können zwei absolut baugleiche Prothesen hergestellt werden, was die Sicherheit im Alltag für die Patienten erhöht. Der deutlich verringerte Restmonomergehalt sollte zu einem niedrigeren Allergiepotenzial für die Patienten führen1,8. Außerdem wird nach Erfahrung der Autoren die Plaqueaffinität der Prothesen durch das homogene, industriell polymerisierte Material deutlich reduziert, was auch das Auftreten von Druckstellen minimiert.

Den größten Vorteil der CAD/CAM-Technologie sehen die Autoren jedoch in der additiv hergestellten Testprothese, die es dem Patienten und dem Behandlerteam ermöglicht, notwenige Korrekturen an den Prothesenbasen, der Zahnaufstellung und der Okklusion vorzunehmen, bis der Patient zufriedenstellend mit den Prothesen essen und sprechen kann6. Zusätzlich kann jederzeit auf die gespeicherten Daten zurückgegriffen werden und eine verlorene oder gebrochene Prothese kann sehr einfach ersetzt werden. Insgesamt betrachtet wird der zeitliche Aufwand zur Herstellung einer totalen Prothese in der Praxis deutlich reduziert und gleichzeitig eine höhere Präzision des Ergebnisses erzielt. Das ergibt einen großen Vorteil für die Patienten, das Behandlerteam und auch den Zahntechniker.

Die Möglichkeiten der Digitalisierung in Praxis und Labor tragen wesentlich zum Behandlungserfolg bei der Herstellung einer totalen Prothese bei und es gibt sicher für die Zukunft noch viele weitere Möglichkeiten und Ideen, wie die additive Fertigung und die CAD/CAM-Technologie erfolgreich in den Behandlungsablauf integriert werden können.

Ein Beitrag von Dr. Sabine Hopmann, ZA und ZT Alexander Schem, beide Lemförde, und ZTM Christian Hannker, Hüde

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahntechnik 12/21 Zahntechnik Prothetik Digitale Zahnmedizin Digitale Zahntechnik

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