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Seltene dentale Anomalie stellt Kieferorthopäden vor besondere Herausforderungen – eine Kasuistik

Die Zähne 33 und 34 wurden mit Brackets beklebt und ein thermoelastischer 0.012 Vollbogen einligiert. Zahn 32 wurde nun weiter in mesio­vestibuläre, Zahn 33 in distolinguale Richtung bewegt.

Die Transposition ist eine seltene dentale Anomalie, bei der zwei bleibende Zähne innerhalb eines Quadranten ihren Platz im Zahnbogen teilweise oder vollständig getauscht haben. Transpositionen stellen für den Kieferorthopäden eine anspruchsvolle Behandlungsaufgabe dar, bei der zwischen verschiedenen Therapiemöglichkeiten individuell entschieden werden muss. Als Therapieoptionen sind das Belassen der Transposition, die vollständige Umstellung der Transposition sowie die Extraktion von einem der beiden transponiert stehenden Zähne gegeneinander abzuwägen. ZA Julian Textor et al. zeigen an einem Patientenfall für die Kieferorthopädie 2/2022, wie durch Umstellung der Transposition mit konventionellen Mechaniken ein Erhalt beider Zähne sowie die vollständige funktionelle und ästhetische Rehabilitation des Kauorgans erzielt werden kann.

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Einleitung und Literaturdiskussion

Transpositionen wurden in der Literatur lange als Positionswechsel zweier benachbarter Zähne innerhalb eines Zahnbogens definiert1. In späteren Veröffentlichungen wurde die Definition dahingehend ergänzt, dass es sich zudem um die Entwicklung oder den Durchbruch eines Zahnes handeln kann, der in einer Position durchbricht, die im Normalfall von einem ihm nicht-­benachbarten Zahn besetzt ist2. Heutzutage wird simplifiziert jeder Positionstausch zweier Zähne innerhalb eines Quadranten als Transposition bezeichnet3. Die genaue Ursache für das Entstehen von ­Transpositionen ist unklar, jedoch scheint ein enger Bezug zum Persistieren von Milchzähnen, sowie genetischen und traumatischen Faktoren zu bestehen, welche zu einer Veränderung des Durchbruchsortes der bleibenden Zähne und der Zahnreihenfolge führen können3–5.

Es werden vollständige und unvollständige Transpositionen unterschieden. Während bei ­einer vollständigen Transposition sowohl Kronen als auch Wurzeln der Zähne vollständig ihren Platz im Zahnbogen getauscht haben, befinden sich bei einer unvollständigen Transposition ledig­lich die Kronen in transponierter Position1. Die Prävalenz von Transpositionen variiert je nach Studien­herkunft zwischen 0,38 und 0,60 Prozent innerhalb der Probandenkollektive4,6,7. Das Auftreten ist vorwiegend unilateral, zumeist auf der linken Seite der Betroffenen. Eine höhere Prävalenz ist bei Mädchen und Frauen zu finden2. Transpositionen treten im Unterkiefer seltener und in geringerer Diversität als im Oberkiefer auf8. Während im Oberkiefer von fünf verschiedenen Varianten der Transposition berichtet wird, treten im Unterkiefer in der Regel lediglich zwei Varianten auf5,9. Die am häufigsten vorkommende Transposition ist die des Eckzahnes und des ersten Prämolaren des Oberkiefers4

Peck, Peck und Kataja5 beschreiben im Unterkiefer zum einen die Transposition des lateralen Inzisivus mit einem Dens caninus, bei welcher der laterale Inzisivus einen ektopen, nach distal verlagerten Durchbruch aufweist, während der benachbarte Dens caninus weiter mesial durchbricht. Das Vorkommen in der Bevölkerung liegt bei ca. 0,03 Prozent. Das klinische Erscheinungsbild zeigt typischerweise eine stark ausgeprägte Distalkippung, Rotation und Verschiebung des lateralen Inzisivus, der in einem Bereich des Unterkiefers durchbricht, bei dem im eugnathen Gebiss der Dens caninus oder der erste Prämolar lokalisiert ist5

Bei der zweiten Transposition im Unterkiefer handelt es sich um eine Transmigration des Eckzahns. Die Transposition entsteht hierbei durch den ektopen Durchbruch eines impaktierten Eckzahns, der durch intraossäre Mesiomigration bis über die Symphyse des Unterkiefers gewandert ist5. Eine derartige Transposition bildet sich sehr selten aus, da weniger als ein Fünftel der betroffenen Eckzähne letztendlich durchbrechen. Zumeist verbleibt ein transmigrierter Eckzahn im Unterkiefer in einer retinierten und impaktierten Position10. Streng genommen wird dies per definitionem nicht mehr als eine Transposition bezeichnet, sondern als eine ektope Verlagerung, da es sich hierbei nicht um zwei Zähne innerhalb eines ­Quadranten handelt3.

In vielen Fällen sind Transpositionen mit weiteren dentalen Anomalien assoziiert. Bei betroffenen Patienten liegen häufig weitere Fehlbildungen wie verkleinerte, fehlende oder zapfenförmige laterale Inzisivi, Dilazerationen, massive Rotationen oder Verlagerungen weiterer bleibender Zähne, Zahnüber- oder unterzahl, ausbleibender Zahndurchbruch sowie das Persistieren von Milchzähnen vor1,4,11,12

Während früher bei einer vollständigen Transposition eines lateralen Schneidezahns und eines Eckzahns im Unterkiefer lediglich die Extraktion des transponierten Zahns oder ein Belassen der Transposition in Betracht gezogen wurde, ist heute die vollständige Umstellung der Transposition als Therapiemöglichkeit denkbar8,11,13. Die Umstellung der Transposition gilt als die Behandlungsoption, mit der das ästhetisch ansprechendste und funktionell beste Therapieergebnis erzielt werden kann11,14

Zur Erstellung eines Behandlungskonzepts ist die Bestimmung der genauen Lage der transponierten Zähne im Zahnbogen und zu wichtigen anatomischen Strukturen essenziell8. Die initiale Diagnostik bei einem Verdacht auf das Vorliegen einer Transposition sollte sowohl klinisch als auch röntgenologisch erfolgen. Bei frühzeitiger Feststellung der Symptomatik – wenn möglich bereits im Alter zwischen sechs und acht Jahren – kann durch interzeptive Maßnahmen, wie die Extraktion von persistierenden Milchzähnen, die Prognose verbessert werden. Vor allem transponierte, bleibende laterale Inzisivi im Unterkiefer können durch Extraktion von persistierenden Milchzähnen in ihre normale Position im Zahnbogen gelenkt werden1,15. Sollten im Unterkiefer ein lateraler Inzisivus und Dens caninus bereits vollständig in ihrer transponierten Position durchgebrochen sein, sollte keine Umstellung der Transposition mehr durchgeführt werden, um Schäden an der Zahnhartsubstanz und den umgebenden Struk­turen zu vermeiden1. Ein Kontakt des transponierten Zahns zu den Wurzeln von Nachbarzähnen muss vermieden werden, um das Risiko von Wurzelresorptionen zu minimieren. Eine ausführliche Röntgendia­gnostik in Form von beispielsweise exzentrischen Zahnfilmen und dreidimensionaler Bildgebung, wie der digitalen Volumentomo­grafie ist zur genauen Lokalisation der transponierten Zähne und für die Therapieentscheidung essenziell8. Entsprechend der individuellen Diagnose ist zwischen den ­Therapieoptionen zu wählen: Belassen der ­Transposition, Extraktion eines transponierten Zahnes oder die Umstellung der ­Transposition8,11

Im nachfolgenden Fallbericht soll gezeigt ­werden, wie durch die frühzeitige Umstellung einer vollständigen Transposition eines lateralen Inzisivus und eines Dens caninus im Unter­kiefer die vollständige funktionelle und ästhetische ­Rehabilitation des Kauorgans erzielt werden kann.

Kasuistik

Material und Methode

Eine Patientin im Alter von 9 Jahren und 3 Monaten stellte sich zur Erstberatung in unserer Praxis vor. Klinisch ergab sich der Verdacht auf einen Durchbruch des Zahns 32 in Regio 34. Zudem lag eine Milchzahnpersistenz der Zähne 72 und 73 vor. Die klinische Verdachtsdiagnose des Vorliegens ­einer Transposition der Zähne der 32 und 33 konnte durch Erstellung einer Panoramaschichtaufnahme bestätigt werden. Zur genauen Bestimmung der Lagebeziehung der Zähne 32 und 33 zueinander und zu den umgebenden anatomischen Strukturen wurde eine dreidimensionale Bildgebung in Form von digitaler Volumentomografie alio loco angefertigt. Hierbei zeigte sich Zahn 32 lingual des Zahnkeims 34, während sich Zahn 33 nach vestibulär verlagert in Regio 32 ­darstellte. Da die Lagebeziehung der Zähne 32 und 33 günstig für die notwendige Bewegung zur vollständigen Auflösung der Transposition erschien, entschloss man sich für diese Therapiemöglichkeit (Abb. 1 bis 4).

Es erfolgte eine ausführliche Aufklärung über mögliche Risiken und den langen Behandlungszeitraum. Die Therapie begann mit der Extraktion der persistierenden Milchzähne 72 und 73 alio loco, die Unterkieferfront in Regio 31-42 wurde mit Brackets beklebt, ein Lingualbogen mit zusätzlichem Hook eingesetzt und der transponierte Zahn 32 mit einem vestibulären und lingualen Knöpfchen versehen. Initial wurde ein 0.014 NiTi Utility-Bogen verwendet und Zahn 32 wurde durch Gummiketten entlang des Lingualbogens weiter nach mesial und lingual gezogen (Abb. 5). Zahn 33 wurde alio loco freigelegt und durch
einen 0.018 x 0.025 TMA-Teilbogen nach ­vestibulär und distal bewegt (Abb. 6). Nach Korrektur der Transposition (Abb. 7 bis 9) erfolgte die Entfernung der festsitzenden Teilapparatur. Während des weiteren Zahnwechsels wurde eine funktionskieferorthopädische Behandlung mit einem Aktivator zur Korrektur der sagittalen und vertikalen Dimension durchgeführt (Abb. 10 und 11). Nach Durchbruch aller bleibenden Zähne erfolgte die weitere Behandlung zur Feinjustierung der Zahnpositionen und der Okklusion mit einer konventionellen Multibracketapparatur (Abb. 12 bis 14). Nach Entbänderung erfolgte die Insertion eines Retainers sowohl im Ober- als auch Unterkiefer von Eckzahn zu Eckzahn, anschließend wurden Retentionsplatten eingesetzt (Abb. 15).

Ergebnis

Durch die Auflösung der Transposition der Zähne 32 und 33 konnte ein gutes funktionelles und ­ästhetisches Ergebnis erzielt werden. Die Extraktion eines bleibenden Zahnes sowie das Beschleifen/Umformen der bleibenden Zähne konnte durch das hier gezeigte Vorgehen ­vermieden ­werden.

Diskussion

Das dargestellte Patientenbeispiel soll eine Therapiemöglichkeit zur Behandlung der selten vorkommenden vollständigen Transposition eines lateralen Inzisivus und eines Dens caninus im Unterkiefer aufzeigen. Der laterale Inzisivus weist hierbei einen ektopen, nach distal verlagerten Durchbruch auf, während der benachbarte Dens caninus weiter mesial durchbricht. In der Literatur wird über ein Vorkommen dieser Anomalie in der Bevölkerung von ca. 0,03 Prozent berichtet5. Das klinische Erscheinungsbild entsprach den von Peck, Preck und Kataja5 beschriebenen Merkmalen, die für diese Art der Transposition typisch sind. Klinisch imponierte eine stark ausgeprägte Distalkippung, Rotation und Verschiebung des lateralen Inzisivus, der in einem Bereich des Unterkiefers durchbrach, in dem im eugnathen Gebiss der Dens caninus oder erste Prämolar lokalisiert ist. Die Therapiekonzepte sind in interzeptive und definitive Behandlungsmaßnahmen zu unterteilen, wobei der Übergang hierbei fließend ist3. Rein interzeptive Maßnahmen sind lediglich möglich, wenn die Entwicklung einer Transposition im Anfangsstadium erkannt wird16.

Als optimaler Zeitpunkt für interzeptive Maßnahmen wird das Alter von sechs bis acht Jahren genannt. Die Extraktion von persistierenden Milchzähnen kann die Prognose verbessern. Vor allem transponierte, bleibende laterale Inzisivi im Unterkiefer können durch Extraktion von persistierenden Milchzähnen in ihre reguläre Position im Zahnbogen gelenkt werden1,15. Ab einem Alter von zehn Jahren wird der Nutzen von interzeptiven Maßnahmen von Peck, Peck und Hirsh17 kritisch gesehen, da sich die transponierten Zähne in diesem Stadium weiter in Richtung der transponierten Position bewegen. Den idealen Zeitraum zur Extraktion der persistierenden Milchzähne hatte die Patientin zum Zeitpunkt der Erstvorstellung bereits überschritten, jedoch konnte durch die Entfernung der persistierenden Milchzähne 72 und 73 bereits ein gutes Platzangebot für die notwendigen Bewegungen zur Überstellung der Transposition geschaffen werden. Sollte eine Transposition bereits vollständig ausgebildet sein, so ist die Bestimmung der genauen Wurzel­positionen der transponierten Zähne für die Therapieentscheidung essenziell16. Da der transponierte Zahn 32 bei Erstvorstellung der Patientin bereits durchgebrochen und eine rein interzeptive Behandlung somit nicht ausreichend war, entschloss man sich dazu, die genaue Lokalisation der Zahnwurzeln mithilfe von digitaler Volumentomografie zu bestimmen. 

Im Rahmen der definitiven Behandlung der Transposition sind stets drei Therapieoptionen in Betracht zu ziehen und gegeneinander abzu­wägen: Das Belassen der Transposition, die vollständige Umstellung der Transposition, sowie die Extraktion eines der beiden transponiert stehenden Zähne8,11,13. Sollten die beteiligten Zähne bereits in ihrer transponierten Position vollständig durchgebrochen sein, ist eine Umstellung der Transposition nicht empfohlen, da ein hohes ­Risiko der Beschädigung der Zähne und ihrer umgebenden Strukturen besteht. In diesem Fall sollten die Zähne in der transponierten Position belassen werden und eine zahnärztliche Umformung der Zähne erfolgen. Bei starkem Platzmangel im betroffenen Kiefer oder bei einem Vorliegen von ausgeprägten kariösen Läsionen im Bereich der transponierten Zähne ist in den meisten Fällen hingegen eine Extraktion von einem der transponierten Zähne die Therapie der Wahl1. Im dargestellten Behandlungsbeispiel wies die Patientin eine ausgezeichnete Mundhygiene und Com­pliance auf, zudem lag keine der zuvor genannten Bedingungen vor, die gegen eine Umstellung sprechen. 

Wir entschlossen uns somit für die vollständige Umstellung der Transposition, da durch die ­dreidimensionale Bildgebung eine Lagebeziehung der transponierten Zähne und ihrer Wurzeln zueinander festgestellt werden konnte, die für die notwendige Bewegung günstig erschien. Die Umstellung der Transposition gilt als die Behhandlungsoption, mit der das ästhetisch ansprechendste und funktionell beste Therapieergebnis zu erzielen ist11,14. Als Risiken des Prozederes sind der lange ­Behandlungszeitraum, die Gefahr der Beschädigung benachbarter Strukturen und das Auftreten von Wurzelresorptionen zu nennen1,8. Dennoch rechtfertigen die möglichen funktionellen und ästhetischen Verbesserungen die komplexe und langwierige Behandlung1

Das Beschleifen beziehungsweise die Extraktion von gesunden Zähnen konnte durch das aufgezeigte Verfahren vermieden und ein gutes funktionelles sowie ästhetisches Ergebnis erzielt werden.

Ein Beitrag von ZA Julian Textor, Dr. Jörg Seiferth, Dr. Verena Schmidt, Dr. Leonie Graßmann, Mainz

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Kieferorthopädie 02/2022 Kieferorthopädie Zahnmedizin

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