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DVT im posterioren Oberkiefer unter besonderer Berücksichtigung des Sinus maxillaris


Prof. Dr. Michael M. Bornstein

Die Kieferhöhle ist ein symmetrisch angelegter, pyramidenförmiger Hohlraum des Gesichtsschädels, der regelmäßig bei der Anfertigung zahnärztlicher Röntgenaufnahmen im Oberkiefer abgebildet wird. Für zahnärztliche Indikationen hat sich die dreidimensionale Darstellung der Kieferhöhle mittels digitaler Volumentomografie (DVT) besonders vor einer geplanten Implantattherapie mit/ohne Sinusbodenelevation etabliert. Hier ist die Darstellung des Ostium naturale auf dem entsprechenden FOV (field of view) wünschenswert, aber nicht zwingend. Autor Prof. Michael Bornstein gibt in seinem Beitrag für die Implantologie 1/2018 dem Leser im Hinblick auf eine präimplantologische Abklärung im Oberkiefer eine Übersicht über Normvarianten und Pathologien der Kieferhöhle und diskutiert die Frage nach der richtigen Einstellung bei der 3-D-Bildgebung mittels DVT – also der Fenstergröße (FOV).

Kenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen in der zahnärztlichen Diagnostik helfen dem Zahnarzt zielgerichtete Entscheidungen zu treffen und unnötige bildgebende Maßnahmen zu vermeiden. Kieferhöhlenveränderungen sind häufig und weisen ein breites Spektrum auf, das von harmlosen anatomischen Variante bis zur bösartigen Neoplasie reicht. Während erstere keine weitere Behandlung erfordert, müssen andere regelmäßig nachkontrolliert oder auch baldmöglichst chirurgisch therapiert werden. Das oft klinisch stumme Wachstum raumfordernder Prozesse in der Kieferhöhle unterstreicht die Bedeutung einer ­initialen, umfassenden klinischen und radiologischen Befundung, speziell auch im Hinblick auf zahnärztlich-chirurgische Eingriffe in der Kieferhöhle. Weiterführende diagnostische Maßnahmen und radiologische Verfahren sollten dem Spezialisten vorbehalten sein.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.


Einleitung

Im Prinzip sollten alle anatomischen Strukturen im Kieferbereich vor einer invasiven zahnärztlichen Maßnahme in angemessener Weise radiologisch abgeklärt werden. Bei der Wahl der geeigneten diagnostisch-radiologischen Technik bestimmt vor allem die Antwort auf die Frage, ob die zusätzliche Diagnostik den Therapieplan beeinflusst, das Ausmaß und den Aufwand der weiterführenden Bildgebung1,2. In der posterioren Maxilla reichen die zahnärztlich-radiologischen Op­tionen von einer intraoralen 2-D-Aufnahme vor einer Wurzelkanalbehandlung eines Oberkieferseitenzahns bis hin zur 3-D-Bildgebung der ganzen Kieferhöhle bei Verdacht auf eine dentogene Sinusitis maxillaris. Die diagnostische 3-D-Bildgebung mittels digitaler Volumentomografie (DVT) hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten in vielen Gebieten der Zahnmedizin als adjuvante diagnostische Methode in der zahnärztlichen Radiologie etabliert3,4. Besonders vor einer geplanten Implantation mit zweizeitiger oder auch simultaner Sinusbodenelevation (SBE) wird eine präoperative Abklärung mittels DVT von vielen internationalen implantologischen Fachgesellschaften empfohlen5–8. Dabei soll neben der eigentlichen Planung und Abklärung bezüglich Knochenangebot und Implantatdimensionen auch abgeklärt werden, ob in der betroffenen Kieferhöhle gegebenenfalls Pathologien vorhanden sind. Dies kann je nach ­Dignität der Veränderung von großer Bedeutung für den Patienten sein9. Die aktuelle s2k-Leitlinie „Dentale digitale Volumentomographie“ empfiehlt zwar auch eine DVT-Abklärung zur Detektion und Differenzierung von Pathologien der Kieferhöhle, wenn mittels 2-D-Röntgenverfahren keine Abklärung möglich oder unwahrscheinlich erscheint10. Jedoch erklärt die Arbeitsgruppe, dass eine generelle Forderung zur Anfertigung einer präoperativen DVT-Aufnahme nicht erhoben werden sollte.

Andererseits sind die juristischen Folgen von auf zahnärztlich angefertigten 3-D-Bildern nicht erkannten malignen Neoplasien noch kaum abzuschätzen. Daher gehören heute fundierte Grundlagenkenntnisse über die Kieferhöhlen in ihrem gesunden, physiologischen und auch erkrankten Zustand zum Rüstzeug von Zahnärzten, die regelmäßig DVT-Bilder im Bereich der posterioren Maxilla anfertigen oder auch befunden11,12.

Anatomie und Physiologie des Sinus maxillaris

Die enge topografische Beziehung zwischen Sinus maxillaris und der posterioren Maxilla erfordert vom Zahnarzt Kenntnisse über die Anatomie und Physiologie der Kiefer- und anderen Nasennebenhöhlen. Die Funktion der Kieferhöhlen ist noch nicht in allen Details geklärt. Eine Rolle bei der Luftkondi­tionierung (Feuchtigkeit und Temperatur) sowie als Resonanzraum und als Schutz des Gehirns bei Traumata ist dokumentiert. Für die Nasennebenhöhlen wird zudem eine durch die Pneumatisierung resultierende Gewichtsreduktion des Schädelknochens diskutiert11.

Beim Erwachsenen kann die Kieferhöhle als eine quer liegende Pyramide mit abgerundeten Kanten beschrieben werden. Diese weist folgende Merkmale auf: 

  • Pyramidenbasis medial, entspricht der seitlichen Nasenwand.
  • Pyramidenspitze lateral im Jochbein (sogenannter Recessus zygomaticus).
  • Untere Basiskante im Alveolarfortsatz, wo häufig eine direkte Beziehung mit den Zahnwurzeln besteht (sogenannter Recessus alveolaris).
  • Die untere Basiskante geht mit einer individuell variablen Neigung meistens distal der Eckzahnwurzel in die anteriore Basiskante (in den sog. Recessus lacrimalis) über.
  • Dorsale Basiskante am Os pterygoideus (Recessus pterygopalatinus), wo eine direkte anatomische Beziehung zur Fossa pterygopalatina besteht.
  • Die Basis medial und die Spitze im Jochbein bilden zusammen mit den 3 schrägen Kanten eine Pyramide mit drei schrägen Flächen, die anterior zur Fossa canina, kranial zum Orbitaboden und dorsal zur Fossa pterygopalatina zu liegen kommen.

Abb. 1 Darstellung des Ostium naturale (gelber Pfeil) im rechten Sinus maxillaris mittels DVT (koronaler Schnitt). Das Ostium befindet sich an der kranialen Kante der medialen Sinuswand, wo diese mit dem Orbitaboden zusammenkommt und mündet in den mittleren Nasengang unterhalb der mittleren Nasenmuschel.

Der Recessus alveolaris wird auch Sinusboden genannt und liegt meistens einen Zentimeter unterhalb des Nasenbodens. Das Ostium naturale ist die einfach angelegte Öffnung zur Nasenhöhle und liegt an der kranialen Kante der medialen Sinuswand, wo diese mit dem Orbitaboden zusammenkommt (Abb. 1). Das Ostium liegt somit etwa 4 cm höher als der Sinusboden und befindet sich mittig in der anteroposterioren Ausdehnung13. Das Ostium mündet in den mittleren Nasengang unterhalb der mittleren Nasenmuschel. Die Region wird als ostiomeataler Komplex bezeichnet. In dieser anatomischen Schlüsselzone drainieren auch die Ausführungsgänge von Stirnhöhlen und vorderen Ethmoidalzellen. 

Da die Kieferhöhle embryonal und in den ersten Lebensjahren in Form einer Ausstülpung aus der Nasenhöhle entsteht, ist ihre Knochenwand von einer respiratorischen Mukosa ausgekleidet. Im Rahmen der zirkadianen An- und Abschwellungszyklen von Nasen- und Sinusmukosa kann die Schneider’sche Membran physiologisch verdickt sein. Allgemein korrelieren das männliche Geschlecht und ein Alter über 60 mit einer verdickten Membran14,15. Die Zilien sind in einen mukösen Schutzfilm eingebettet, der – wie die meisten Flüssigkeiten – in einer DVT-Aufnahme vom umgebenden Weichgewebe nicht unterschieden werden kann. Die Zilien schlagen wellenförmig und in Richtung des Ostium naturale. Dieser Reinigungseffekt wird mukoziliäre clearance genannt und bewirkt eine aktive Drainage von Mikro­organismen und Fremdkörpern zusammen mit den Sekreten durch das Ostium naturale und zum Nasopharynx hin16. 

Möglichkeiten der radiologischen Bildgebung in der Praxis

Eine partielle Darstellung des Recessus alveolaris, des eigentlichen Sinusbodens, wird häufig bereits mit apikalen Röntgenaufnahmen der Oberkieferseitenzähne erzielt. Eine vollständige Darstellung beider Kieferhöhlen in zwei Dimensionen ist mittels Schädel-p.a.-Aufnahme (okzipitomentaler Strahlengang nach Waters17) und der Panoramaschichtaufnahme (PSA) möglich. Eine zuverlässige radiologische Analyse und Abgrenzung von Hart-, Weichgewebe und Fremdkörper beziehungsweise Flüssigkeiten im Sinus maxillaris ist aber nur mittels 3-D-Bildgebung möglich. Dazu zählen die DVT, die Computertomografie (CT) und die Magnetresonanztomografie (MRT). Die CT wird bis heute in der medizinischen Fachliteratur (vor allem Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde/HNO) als Goldstandard für die Nasennebenhöhlendiagnostik beschrieben, während die MRT für spezifische Indikationen als Ergänzung beigezogen wird18.

Für zahnärztliche Zwecke ist hingegen die DVT bei nahezu allen Indikationen der CT vorzuziehen. Die großen Vorteile der DVT sind eine geringere Strahlendosis für den Patienten und eine bessere Auflösung im Vergleich zur CT19,20. Auf der anderen Seite bieten CT und MRT Vorteile wie die differenzierte Darstellung von Flüssigkeiten und Weichgeweben. Die Verordnung beziehungsweise Anwendung einer CT beziehungsweise MRT-Abklärung bei Kiefer-/Nasennebenhöhlenerkrankungen sollte jedoch dem Facharzt und/oder Spezialisten vorbehalten sein21,22. Bei der Anfertigung einer DVT-Aufnahme sollten generell folgende Punkte berücksichtigt werden:

  1. Anamnese und klinischer Befund sind vor der Aufnahme sorgfältig erhoben worden.
  2. Die Anfertigung einer strahlenarmen 2-D-Aufnahme oder auch das Heranziehen älterer Röntgenbilder kann zur Übersicht und zugleich zur Wahl des geeigneten Aufnahmevolumens (FOV) initial sinnvoll sein.
  3. Das kleinstmögliche FOV wird für die adjuvante 3-D-Bildgebung gewählt.
  4. Die mittels DVT erworbenen Zusatzinformationen sind entscheidend für die Wahl der weiteren Vorgehensweise.
  5. Die zu vermutenden Befunde sind mittels DVT abschließend beurteilbar Beziehungsweise ihre Darstellung erfolgt nicht besser mittels CT- oder MRT-Aufnahme.
  6. Das ganze FOV wird von einer entsprechend trainierten Fachperson sorgfältig analysiert.

Während die Wahl des kleinstmöglichen FOVs zur Strahlenminimierung bei DVT-Abklärungen in der Zahnmedizin generell empfohlen wird, ist die Festlegung der minimalen Ausdehnung des FOVs bei zahnärztlich indizierten DVT-Abklärungen im Bereich der posterioren Maxilla beziehungsweise des Kieferhöhlenbodens umstritten23. Die beiden am meisten diskutierten Fragen sind dabei:

  1. ob der ostiomeatale Komplex durch die Wahl eines größeren FOVs aufgenommen bzw. mit eingeschlossen werden muss, und
  2. ob beide Kieferhöhlen radiologisch dargestellt werden sollten, auch wenn nur auf einer Seite eine Insertion von Implantaten geplant ist?

Dies führt unweigerlich zu teils komplexen und klinisch relevanten Folgefragen. Sollte man beispielsweise bei Verschattung des Sinus maxillaris innerhalb des sichtbaren Volumens – ohne Darstellung des ostiomeatalen Komplexes – nicht eher zur weiteren Abklärung direkt an einen HNO-Spezialisten überweisen? Wenn beide Kieferhöhlen ganz, also symmetrisch, dargestellt werden sollten, was bedeutet dies für die Orbita, die durch das größere FOV unweigerlich beidseits ins Strahlenfeld gerät?

In der Literatur finden sich teils Empfehlungen, dass man den ostiomeatalen Komplex im Volumen bei einer radiologischen Kieferhöhlenabklärung möglichst einschließen sollte24,25. Neuere Publikationen zeigen aber, dass bei rein zahnärztlichen Indikationen und fehlender Symptomatik auf Patientenseite das kleinstmögliche Volumen für eine DVT-Aufnahme empfohlen werden kann (Abb. 2 bis 6). Dabei ist die Darstellung des ostiomeatalen Komplexes nicht zwingend, das heißt also eine indikationsspezifische Wahl des FOVs und keine Screening-Abklärung aller Patienten22,23. Aktuelle Untersuchungen zeigen zudem, dass eine Strahlenexposition der Orbita negative Folgen haben kann. Schon bei geringen Strahlendosen kann es dabei nämlich in der Linse zu einer Kataraktbildung kommen26–28. Somit ist eine routinemäßige Darstellung beider Kieferhöhlen oder auch einer ganzen Kieferhöhle unter Einschluss des ostiomeatalen Komplexes – und dadurch auch zumindest eine teilweise Exposition der Orbita ein- oder beidseitig – nicht gerechtfertigt22. Bei sichtbarer Sinuspathologie im limitierten FOV mit entsprechender Symptomatik sollte daher eine frühzeitige Zuweisung zum HNO-Arzt und nicht die Anfertigung weiterer radiologischer Aufnahmen mit größerem FOV erfolgen. Vor einer weiteren Schichtbildgebung – meist mittels CT – wird beim Spezialisten in der Regel zuerst eine Nasenendoskopie zur Basisdiagnostik durchgeführt.

Klassifikation der Pathologien des Sinus maxillaris 

Krankheitsprozesse im Bereich des Sinus maxillaris zeichnen sich durch zwei Besonderheiten aus. Zum Einen ist aufgrund des beträchtlichen Volumens des Kieferhöhlenhohlraums eine klinisch stumme Ausdehnung des Prozesses möglich, wodurch die Symptomatik und die Diagnose der entsprechenden Pathologie nicht selten erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung erfolgt. Zum Anderen können sich aufgrund der dünnen Knochenabgrenzung zu anatomischen Nachbarstrukturen pathologische Veränderungen mitunter relativ rasch von der Kieferhöhle in benachbarte anatomische Regionen wie Nasenhöhle, Orbita, Fossa pterygopalatina oder auch zur Mundhöhle hin ausbreiten. Veränderungen der Kieferhöhlen werden nach ihrer Dignität und Pathogenese in harmlose anatomische Varianten, in traumatische, infektiöse/entzündliche und neoplastische (benigne versus maligne) Prozesse eingeteilt. Radiologisch lassen sich bei Pathologien der ossären Strukturen der Kieferhöhle hyperdense (Verdickung/Volumenzunahme), hypodense (lytische) oder gemischte (hyper- und hypodense) Veränderungen erkennen. Das Weichgewebe reagiert auf Reize meistens mit einer Verdickung oder einem vermehrten Flüssigkeitsaustritt12,14.

Morphologische Veränderungen der Kieferhöhle

Morphologische Anomalien der Kieferhöhlen können im Rahmen des Wachstums oder unabhängig davon als Folge eines operativen Eingriffs oder eines Traumas entstehen. In den meisten Fällen wird diesen Veränderungen kein Krankheitswert zugeordnet. Eine Hypoplasie der Kieferhöhle im Sinne einer Miss- beziehungsweise Fehlbildung ist selten. Eine Nichtanlage des Sinus maxillaris (Aplasie) oder eine sekundäre Implosion im Erwachsenenalter (Silent Sinus Syndrome) gelten als Raritäten29,30. Häufiger werden auf Röntgenaufnahmen Kieferhöhlen vorgefunden, die aufgrund eines Traumas oder chirurgischer Eingriffe in der Region Abweichungen von der Norm in ihrer Morphologie aufweisen.

Die Schleimhautverdickungen der Kieferhöhle (der sogenannten Schneider‘schen Membran) sind meistens flacher oder halbkugeliger Gestalt und können einzeln, multipel oder generalisiert vorkommen (Abb. 7 und 8). Eine Dicke der Mukosa ab 2 mm gilt als leicht erhöht und ab 4 mm als deutlich erhöht14,31,32. Flache Verdickungen sind unspezifisch, da es bereits im Rahmen der zirkadianen An- und Abschwellungszyklen von Nasen- und Sinusmukosa zu unterschiedlich ausgeprägten, asymmetrischen Verdickungen der Schneider‘schen Membran kommen kann11,12. Homogene, halbkugelige Membranverdickungen ohne Auflösung beziehungsweise Verdrängung der Nachbarstrukturen und ohne direkten Kontakt mit den Zahnwurzeln können Polypen, Pseudozysten oder Schleimretentionszysten der kleinen Drüsen der Sinusmukosa sein (Abb. 9 bis 11)33. Diese Membranverdickungen haben ohne Symptomatik keinen Krankheitswert. Sie bedürfen nur dann einer weiterführenden Abklärung beim Spezialisten, wenn ihre Ausdehnung übermäßig ist und eine mechanische Verlegung des Ostium naturale – auch im Hinblick auf eine geplante Sinusbodenelevation – möglich scheint34–36. 

Entzündliche und infektiöse Veränderungen 

Die Schneider‘sche Membran schützt sich beziehungsweise reagiert bei Kontakt zu Noxen mit einer Verdickung und/oder einem pathologischen Flüssigkeitsaustritt. Bei anhaltendem, langfristigem Einfluss von Noxen kann das Periost der Membran reaktiv eine osteogene Aktivität entfalten und zusätzlich intramurale Verkalkungen bilden37,38. Ein wichtiger Vertreter dieser Gruppe von Pathologien ist die Rhinosinusitis. Als Rhinosinusitis wird eine in der Regel beidseitige Nasennebenhöhlenentzündung viraler, bakterieller oder allergischer Genese bezeichnet, die durch rhinogene Keimausbreitung entsteht (Abb. 12 bis 17). Nicht selten ist das Geschehen aber nicht primär rhinogen bedingt, sondern hat einen dentogenen Ursprung39,40. Interessanterweise spielt die Mukosadicke im 3-D-Röntgenbild aufgrund ihrer inter- und intraindividuellen Variabilität bei der Diagnostik einer Sinusitis nur eine untergeordnete Rolle. Gelegentlich lassen sich eine Spiegelbildung (Luft-Flüssigkeitsspiegel) oder eine totale Verschattung der Kieferhöhle mit oder ohne Einschluss von Luftblasen erkennen. Letztere gelten, nach Ausschluss eines unmittelbaren Gesichtstraumas, als die zwei einzigen und sicheren Zeichen einer Flüssigkeitsansammlung und einer akuten Rhinosinusitis in zahnärztlichen Röntgenaufnahmen18. Daher wird heute die Diagnose einer Sinusitis mit den erwähnten, seltenen Ausnahmen primär aufgrund klinischer Kriterien gestellt41.

Eine dentogene Sinusitis zeigt die gleichen klinischen und radiologischen Merkmale wie die rhinogene, kann jedoch aufgrund ihres unilateralen Auftretens vor Anfertigung einer Röntgenaufnahme auf der Basis der entsprechenden Klinik bereits vermutet werden (Abb. 18 bis 20). Sie weist außerdem eine eindeutige dentogene Ursache im angrenzenden Alveolarfortsatz auf, meist eine periapikale Infektion, einen (infizierten) dentogenen Fremdkörper oder eine Mund-Antrum-Verbindung. Die Beseitigung der dentogenen Ursache ist hier die Therapie der Wahl. 

Mukozelen und Pyozelen sind expansiv wachsende, destruktive Veränderungen und werden durch eine vollständige Blockade des Drainageweges (Ostiumverschluss) verursacht. Die ganze Kieferhöhle wird zu einer pathologisch abgeschlossenen Höhle und die Druckzunahme verursacht Schmerzen und auch Knochenarrosionen (Drucknekrosen). Im Röntgenbild imponiert eine vollständig verschattete (radioopake) Kieferhöhle. Der Inhalt von Mukozelen besteht aus Schleim und abgeschilferten Epithelzellen, während Pyozelen superinfizierte Mukozelen darstellen und mit Eiter gefüllt sind. Symptome sind zunächst ein Druckgefühl in der Wange, im fortgeschrittenen Zustand dann ausgeprägte Schmerzen bis hin zu Visusstörungen und Doppelbildern mit Durchbruch in die Orbita12. 

Neoplastische Veränderungen

Das luftgefüllte Lumen von Nase und Nasennebenhöhlen bietet auch Neoplasien die Möglichkeit für eine heimtückisch asymptomatische Ausdehnung. Zudem ist die Frühsymptomatik eines Tumors nicht immer von einer chronischen Rhinosinusitis abzugrenzen. Alarmsymptome für ein Malignom (Anosmie, Sehstörungen, Nervenausfälle, Gesichts- und Halsschwellungen, Zahnlockerungen) kommen erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium zum Vorschein18,42. Alle unklaren, fortgeschrittenen, unilateralen Verschattungen der Kieferhöhle, die im Volumen einer DVT-Aufnahme möglicherweise als Zufallsbefund erkannt wurden, sollten daher von einem HNO-Arzt genauer abgeklärt und im Bedarfsfall behandelt werden. Beim Vorhandensein einer Verdrängung oder Auflösung (Lyse) des umliegenden Knochens ohne Bezug zu einem dentogenen apikalen Infekt ist die HNO-ärztliche Abklärung auch bei wenig ausgedehnten Prozessen obligat. 

Osteome sind die häufigsten gutartigen Tumoren im sinonasalen Gebiet. In der 3-D-Aufnahme erscheinen sie als verdrängend wachsende Verschattung mit knochendichtem bis milchglasartigem Inhalt. Als bösartige Tumoren finden sich in der Kieferhöhle am häufigsten Plattenepithel- und Adenokarzinome39. Alle Kieferhöhlenmalignome erscheinen im 3-D-Röntgenbild als eine unregelmäßig (zur Luft) und unscharf (zum Knochen) begrenzte Raumforderung mit Arrosion oder Umbau des umliegenden Knochens. Odontogene Tumoren weisen im Allgemeinen die gleichen klinischen Merkmale wie die nichtodontogenen Neoplasien auf. Aufgrund ihrer Lage im Alveolarfortsatz können aber Zahnlockerungen, Okklusionsstörungen, Ulzerationen der Mundschleimhaut und Fistelbildungen bereits als frühe Symptome auftreten. Folgende gutartigen odontogenen Tumoren stehen wegen ihrer Häufigkeit im Vordergrund: Odontome, odontogene Myxome und ­Ameloblastome12.

Iatrogene Veränderungen

Korrekt durchgeführte Elevationen des Sinusbodens im Rahmen implantologischer Therapien oder die endodontologische Überinstrumentation verursachen nicht selten eine Reaktion in Form einer vorübergehenden Blutung und Anschwellung der Schneider‘schen Membran (Abb. 21 bis 24)43,44. Voraussetzung dafür ist aber, dass Infekte, ein Verschluss des ostiomeatalen Komplexes oder der Fremdkörper im Lumen der Kieferhöhle nicht persistieren. Ist dies nicht gewährleistet, ist ein persistierender oder gar ein sich verschlechternder Krankheitszustand zu erwarten. Darüberhinaus kann es bei einfachen Extraktionen von Prämolaren oder Molaren im posterioren Oberkiefer oder auch bei einer chirurgischen Entfernung der Weisheitszähne zu einer akzidentellen Eröffnung der Kieferhöhle kommen, was bei einem ausbleiben des zügigen Verschlusses zu einer Sinusitis führen kann (Abb. 25 und 26).

Die akzidentelle Verlagerung von Fremdmaterial in die Kieferhöhle bei zahnärztlichen Eingriffen ist eine häufig beschriebene Komplikation. Bei diesen Fremdkörpern handelt es sich um Zahnwurzeln, Wurzelfüllmaterialien, Amalgam und Abdruckmaterialien. In den vergangenen 20 Jahren wurde aber zunehmend auch über Zahnimplantate berichtet, die in die Kieferhöhle verlagert wurden45–47. Das eingedrungene Material verursacht im besten Fall keine Veränderung der umliegenden Strukturen oder lediglich eine Verkalkung (Antrolithiasis). Häufiger ist jedoch mit einem Infekt zu rechnen. Die Infektion tritt in den meisten Fällen als eine dentogene Sinusitis maxillaris in Erscheinung. Gelegentlich, vor allem beim Eindringen von größeren Mengen von Wurzelfüllmaterialien, entwickelt sich eine extramukosale Pilzinfektion um den Fremdkörper herum. Solche Veränderungen werden mit den Synonymen Aspergillome, Myzetom und fungus ball bezeichnet und erscheinen in Röntgenaufnahmen als weichgewebige Proliferationen um eine (in der Regel röntgendichte, hyperdense) Masse. Kleinere Fremdkörper ohne reaktive Gewebeveränderung, wie eine leichte Überfüllung eines Wurzelkanals, dürfen belassen und nachkon­trolliert werden. Größere Fremdkörper und Aspergillome sollten zunächst im Sinus genau lokalisiert und danach entfernt werden12.

Schlussfolgerungen

Kieferhöhlenveränderungen sind häufig und weisen ein breites Spektrum auf, das von einer harmlosen anatomischen Variante bis zu einer bösartigen Neoplasie reicht. Während erstere keine weitere Behandlung erfordern, müssen andere regelmäßig nachkontrolliert oder auch baldmöglichst chirurgisch therapiert werden. Das oft klinisch stumme Wachstum raumfordernder Prozesse in der Kieferhöhle unterstreicht die Bedeutung einer initialen umfassenden klinischen und radiologischen Befundung bei Patienten speziell auch im Hinblick auf zahnärztlich-chirurgische Eingriffe in der Kieferhöhle. Dies ist besonders vor elektiven Eingriffen wie der Implantation mit/ohne Sinusbodenelevation im posterioren Oberkiefer von Bedeutung. Hier ist die 3-D-Bildgebung mittels DVT vor einem geplanten implantologischen Eingriff zur Diagnosestellung (physiologisch versus pathologisch) und Therapieplanung empfehlenswert. Die Darstellung des Ostium naturale auf dem entsprechenden FOV ist dabei zwar wünschenswert, aber nicht zwingend. Somit genügt für präimplantologisch-radiologische Abklärungen mittels DVT im posterioren Oberkiefer in der Regel ein kleines bis mittleres FOV, das oft nur einen (basalen) Ausschnitt der Kieferhöhle zeigt.

Ein Beitrag von Prof. Dr. med. dent. Michael M. Bornstein, damals Hong Kong, mittlerweile Universität Basel, Schweiz, Dr. med. dent. Simone F. M. Janner, Bern, Schweiz, und Andy W. K. Yeung, Hong Kong, China

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Quelle: Implantologie, Ausgabe 1/18 Implantologie Zahnmedizin

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