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Implantieren bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Prof. Dr. Hendrik Terheyden zum aktuellen Stand

Wann und bei welchen Indikationen können Implantate bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Therapie eingesetzt werden und welche Risikofaktoren sind dabei zu beachten? Dieser Frage geht Prof. Dr. Hendrik Terheyden (Kassel) in seinem aktuellen Beitrag „Implantatversorgungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Indikation und Zeitpunkt“ in der Ausgabe 2/2018 der Zeitschrift „Implantologie“ nach (Implantologie 2018;26(2):115–122).


Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hendrik Terheyden, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, DRK Kliniken Nordhessen, Kassel (Foto: Quintessenz)

Infraokklusion und mögliche Schäden an Nachbarzähnen

Es ist spätestens seit 1999 durch die schwedische Arbeitsgruppe um Thilander bekannt, dass Zahnimplantate ankylotisch einheilen und deshalb nicht am Alveolarfortsatzwachstum teilnehmen. Damit geraten in der Wachstumsphase gesetzte Implantate im Vergleich zu den Nachbarzähnen mit der Zeit in Infraokklusion. Die Infraokklusion bedeutet zunächst nur eine zu kurze Krone, die im Bedarfsfall ausgewechselt werden kann. Eine schwerere Gesundheitsfolge kann aber an den gesunden Nachbarzähnen entstehen. Diese können bei ausgeprägter Infraokklusion des Implantats einen Attachmentverlust und Knochenabbau erleiden, was zu Taschenbildung, Rezession und Wurzelkaries führen kann, also einem iatrogenen Schaden.

Parameter Infraokklusion und Implantatüberleben

Anhand der beiden Parameter Infraokklusion und Implantatüberleben aus Literaturdaten werden im Beitrag Empfehlungen zur Indikation und zum Zeitpunkt von Zahnimplantaten bei Kindern und Jugendlichen gegeben und mögliche weitere Risikofaktoren betrachtet.


Messwerte zum Kieferwachstum über die Zeit nach Thilander und Mitarbeitern. Die Messwerte der Studie wurden auf das 5. Lebensjahr als Nullpunkt zurückgerechnet und die Kurven aus 6 Messzeitpunkten zu Vergleichszwecken interpoliert (Gipsmodellanalyse; rot: Jungen, blau: Mädchen). Das Kieferwachstum des anterioren Unterkiefers sistiert bereits mit etwa 10 Jahren noch vor dem pubertären Wachstumsschub und der Kiefer wird danach sogar wieder schmaler, bedingt durch die Mesialdrift der Zähne (a). Der Oberkiefer wächst anterior (b) und posterior (c) länger als der Unterkiefer bis etwa zum 15. Lebensjahr was mit dem pubertären Wachstumsschub korreliert. Danach sistiert das Gesamtwachstum im Oberkiefer. Nur die palatinale Höhe (Alveolarfortsatz bis Gaumenwölbung) nimmt auch jenseits des 16. Lebensjahrs bis zum 31. Lebensjahr weiter zu (d). Die leicht ansteigenden gestrichelten Linien zeigen an, dass dieses Wachstum durch weiteren kontinuierlichen Zahndurchbruch auch mit 31 Jahren nicht vollständig abgeschlossen ist.

Andere Risikofaktoren bei Kindern

Bei einer Implantation bei Kindern unter zwölf Jahren ist im Schnitt mit ca. 14 bis 17 Millimetern Infraokklusion (Maximum: 20 bis 24 Millimeter) und einem Implantatüberleben von 72 Prozent zu rechnen. Mit der Insertion von Implantaten in diesem Alter sind Risiken verbunden, die zum geringeren Implantatüberleben beitragen. So haben Kinder aufgrund ihrer Körpergröße weniger Implantationsvolumen im Alveolarfortsatz und der Knochen atrophiert bei fehlender okklusaler Belastung schneller als bei Erwachsenen. Bei Nichtanlagen ist der Knochen in den zahnlosen Abschnitten bei Kindern und Jugendlichen häufig sehr kortikalisiert und spröde und splittert bei der Implantation. Beides kann das Setzen von Implantaten sehr erschweren.

Keine Implantate zum Einzelzahnersatz in Zahnreihen

Zudem haben Kinder eine viel höhere Skelettumbaurate als Erwachsene, wodurch es zu einem schnelleren Abbau der Primärkontakte nach Implantation kommt, sodass ein Implantat noch in der Heilungsphase locker werden kann. Das gegenüber Erwachsenen viel aktivere Immunsystem der Kinder bedingt zudem generell eine geringere Toleranz von Fremdkörpern. Daher werden Implantate nicht zum Einzelzahnersatz in der Zahnreihe bei Kindern empfohlen, hier kommt eine Implantatversorgung eher bei schweren Hypodontien oder Anodontien infrage.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift Implantologie (Impact Factor [ISI]: 0.138 [2017]) ist es daher, dem Fortbildungsangebot in diesem Bereich durch praxisbezogene und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern.


Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich und bietet Übersichtsartikel, klinisch-wissenschaftliche Studien und Fallpräsentationen zu allen Themen des Fachgebiets. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Abonnenten haben kostenlosen Zugang zum digitalen Archiv seit 2003 und zur App-Version. Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und zum Bestellen eines kostenfreien Probeexemplars gibt es auf der Internetseite des Quintessenz-Verlags.


Bei Jugendlichen den pubertären Wachstumsspurt abwarten

Bei Adoleszenten (12 bis 18 Jahre) beträgt die Infraokklusion etwa drei Millimeter (Maximum: acht Millimeter) und die Implantatprognose 93 Prozent. Damit bestehe keine hohe Therapiesicherheit in dieser Altersgruppe. Bei Adoleszenten sollte daher die tradierte harte Grenze des 18. Lebensjahrs eher einer differenzierten Bewertung weichen und ersetzt werden durch das Abwarten des pubertären Wachstumsspurts. Die sicher auftretende Infraokklusion sollte aber therapeutisch antizipiert und wie die etwas reduzierte Implantatprognose den Patienten und Eltern mitgeteilt werden.

Deutliche Schwankungsbreite auch bei jungen Erwachsenen

Bei jungen Erwachsenen (18 bis 31 Jahre) wurde eine Infraokklusion anhand von Wachstumsstudien von 1,7 Millimeter (Maximum: 6 Millimeter) beobachtet bei einer Implantatprognose von 97,4 Prozent. Auch hier liegt die biologisch mögliche Schwankungsbreite über dem klinisch akzeptablen Maß und es besteht damit keine vollständige Therapiesicherheit, was bei der Aufklärung zu berücksichtigen ist, so Terheyden. Die tradierte Grenze von 18 Jahren biete eben keine Garantie gegen Infraokklusion, insbesondere nicht bei Männern, vertikalem Wachstumstyp und in der oberen Front.

Titelbild: Björn Ludwig, Bettina Glasl, Kieferorthopädische Aspekte bei Nichtanlage der oberen seitlichen Schneidezähne. Implantologie 2018;26(2):125–132
Quelle: Implantologie 2018;26(2):115–122 Implantologie

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