Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Herbst 2017 ist politisch von der Bundestagswahl geprägt. Ich habe das sogenannte Kanzlerduell im Fernsehen gesehen und weiß nicht, ob ich da in vier Jahren erneut einschalte – das war mir zu weit an den Menschen vorbeigeredet. Dabei bin ich beim Thema Bundestagswahl selbst gespalten. Ich schreibe dieses Editorial wegen des Redaktionsschlusses noch vor der Wahl, aber deren genauer Ausgang spielt für meine hier geäußerten Gedanken auch gar keine Rolle.
Nehmen wir die Novelle der zahnärztlichen Approbationsordnung, welche in meinen Augen ein Paradebeispiel für politische Vorgänge ist. Da wurde 2016 ein angestaubter Entwurf von vor 10 Jahren ausgegraben und präsentiert. Hierauf folgten innerhalb kurzer Zeit massive Einwände vonseiten der Universitäten, der Fachgesellschaften und nicht zuletzt auch vom Medizinischen Fakultätentag. Nun wurde ein überarbeiteter Entwurf vorgelegt, der die meisten der vorher artikulierten Fakten einfach ignorierte. Trotzdem passierte der neue Entwurf zumindest das Bundeskabinett, wenn auch im Bundesrat wohl nicht mehr in dieser Legislaturperiode darüber abgestimmt wird. Für mich als Wähler stellt sich aber dann doch die Frage, was der Politik wichtiger ist – klar und ausführlich formulierte Einwände ernst zu nehmen oder einfach etwas noch durchzupeitschen, weil es gut in den Wahlkampf passt. Wenn Sie mich fragen: So geht das nicht.
Oder nehmen wir das Beispiel Finanzierung der Universitäten. Bitte missverstehen Sie mich nicht, da geht es nicht um mein Gehalt. Mir fehlt es materiell an nichts, ich kann mein Auto betanken und meine Miete bezahlen. Aber warum regnet es bei uns in der Anatomie durch die Decke? Warum stehen in meinem Kons-Kurssaal noch die Schränke von 1964? Der bauliche Zustand vieler Universitätsgebäude ist vor allem nördlich des Mains in einem oft haarsträubenden Zustand. Auch hier muss die Politik endlich einsehen, dass es gute Bildung nicht umsonst gibt. Es ist längst wissenschaftlich bewiesen: Wo ordentlich Geld hineingesteckt wird, kommt am Ende auch etwas heraus. Ich habe ja im Juni an dieser Stelle geschrieben, dass meine Abteilung 22 % ihrer Stellen einsparen soll. Es sind jetzt zwar „nur“ 10 % geworden, aber so ist es an allen Ecken und Enden. Wenn nicht bald mehr Geld in die Universitätsmedizin fließt, sparen wir uns kaputt.
Ich glaube nicht, dass diese Probleme von einer Partei besser gelöst werden als von einer anderen. Da muss ein fundamentales Umdenken her – aber warum nicht die Bundestagswahl zum Anlass nehmen, den Finger zu heben? Wieder einmal bin ich froh, Chefredakteur der „Quintessenz“ zu sein, denn hier wird nicht gespart. Ganz im Gegenteil: Auch im Oktober bekommen Sie ein Füllhorn der modernen Zahnmedizin präsentiert! Viel Spaß bei der Lektüre.
Ihr
Prof. Dr. Roland Frankenberger
Chefredakteur
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