Das diesjährige Nationale Osteology Symposium Anfang Mai widmete sich den besonderen Herausforderungen der Weich- und Hartgewebsregeneration bei Parodontitis und Periimplantitis. Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause erwarteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer neue wissenschaftliche Erkenntnisse und deren Übersetzung in die Praxis.
„Linking Science with Practice in Regeneration“ war die Mission, die Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen und Prof. Dr. Frank Schwarz sich und den Referentinnen, Referenten und Moderatoren des wissenschaftlichen Programms aufgetragen hatten. Und am Ende des spannenden Kongresstags konnten sie mit „Mission erfüllt“ schließen.
Grundlage waren die neuen internationalen Leitlinien in der Parodontologie sowie aktuelle, zum Teil noch nicht publizierte Studienergebnisse. Hier flossen auch die Ergebnisse von Forschungsprojekten ein, die von der Osteology Foundation gefördert wurden. Schwarz und Jepsen legten ebenso wie Prof. Dr. Dr. Robert Sader, Moderator der zweiten Session, den gestandenen und ebenso den erfreulich vielen jungen Teilnehmenden die Mitgliedschaft in der Foundation und die Bewerbung um die Forschungsgrants ans Herz.
Chirurgische Technik und Schmelzmatrixproteine
Die erste Session widmete sich der regenerativen PAR-Chirurgie nach den neuen Leitlinien. Prof. Dr. Dr. Anton Sculean berichtete über den Stand bei vertikalen und Furkationsdefekten bei Parodontitis im Stadium III. Die gute Nachricht: Es geht mehr Regeneration und besser als früher, desmodontales Gewebe bildet sich neu – vorausgesetzt, die chirurgische Technik stimmt und die natürlichen biologischen Prozesse der Geweberegeneration werden gefördert. So sind ein papillenerhaltendes Lappendesign und eine adäquate Nahttechnik (Befestigen einer Kollagenmembran mit tiefen Matratzennähten, passiver Verschluss der Papille etc.) mit einem speicheldichten Nahtverschluss unabdingbar, auch um Narbenbildungen und Narbenzüge zu vermeiden. Die Nähte sollten 14 Tage belassen werden. Schmelzmatrixproteine sind gerade bei großen, komplexen Defekten erfolgreich und bewährt. Grundsätzlich gilt: Je komplexer der Defekt, desto höher das Risiko und desto wichtiger die Wahl der richtigen Strategie. Sculean berichtete auch über den Einsatz von Kollagenmembranen in der Kombination mit Wachstumsfaktoren, die ein stabileres Blutkoagulum erzeugen und damit den Heilungsprozess fördern und verbessern.
Nicht trivial, aber erfolgreich: KfO bei Parodontitis Stadium IV
Eine auch für die Patienten wichtige Frage: Ab wann kann bei einer Parodontitis Stadium IV mit Zahnbewegungen und in der Regel komplexen Defekten nach einer regenerativ-chirurgischen Behandlung eine kieferorthopädische Korrektur der Fehlstellungen erfolgen? PD Dr. Karin Jepsen stellte dazu die Ergebnisse ihrer Forschungen vor (auch mit einen Advanced Research Grant der Foundation gefördert). Diese gehören auch zur neuen S3-Leitlinie zur Therapie der Parodontitis Stadium IV, die in diesem Jahr veröffentlicht werden wird.
Was den Zeitpunkt der kieferorthopädischen Therapie nach den regenerativ-chirurgischen Eingriffen angeht, gibt es laut Jepsens Studie keine signifikanten Unterschiede zwischen einer frühen (ab drei Monate) oder späten (ab zwölf Monate) KfO-Therapie nach Chirurgie. Eine frühzeitiger Zahnbewegung sei also möglich. In der regenerativen Chirurgie wurden Knochenersatzmaterialien mit kleiner Partikelgröße, Emdogain und Kollagenmembranen eingesetzt.
Für den Erfolg entscheidend ist die engmaschige Betreuung der Patienten mit Unterstützender Parodontaltherapie, die enge Abstimmung zwischen erfahrenen Parodontologen und Kieferorthopäden und die Sicherung des Ergebnisses mit Retainern und Splints. „Das ist nicht trivial“, so Jepsen.
Raucher, die mehr als fünf Zigaretten am Tag konsumierten, waren aus der Studie ausgeschlossen worden. Die meisten der zu Studienbeginn noch rauchenden Patienten hätten, auch durch die gute Intervention des Teams, das Rauchen noch während der Therapie ganz aufgegeben.
PRF – auf die Qualität kommt es an
Prof. Sader konnte in der zweiten Session einen seiner langjährigen Wegbegleiter begrüßen. „Es gibt eine Menge Stoffe im Blut, die uns helfen können“, leitete Sader das Thema ein. Prof. Dr. Dr. Dr. Shahram Ghanaati berichtete über das schon von Sculean angerissene Thema der Biologisierung von Kollagenmembranen. In einer zentralen Rolle hier: PRF, das Ghanaati aufgrund neuer Forschungsergebnisse in ein neues Licht rückte. Schon vor mehr als 20 Jahren hatte man große Hoffnungen in das Plateled Rich Plasma aus dem patienteneigenen Blut und die darin enthaltenen Faktoren gesetzt – allerdings mit geringem Erfolg. PRF förderte die Wundheilung, aber nicht die Hartgewebsregeneration.
Der Referent lenkte daher den Blick noch einmal auf die Heilungsprozesse des Körpers bei Wunden. „Wir müssen verstehen, was bei der Wundheilung passiert“. Die Wundheilung brauche die inflammatorischen Zellen. Störend wirkten sich allerdings Multinucleated Giant Cells (MNGC) aus, die auch über PRF zu früh eingebracht werden können. Hier komme es entscheidend auf die Qualität und das Prozessing bei der Aufbereitung des PRF aus dem Blut an.
„Der Patient ist die Quelle“
Ein weiterer entscheidender Faktor sei der Patient. „Der Patient ist die Quelle, denn wir nehmen sein Blut“ – je besser der Patient auf seine Gesundheit achte, zum Beispiel durch gesunde Ernährung und ausreichend Flüssigkeitszufuhr (der Patient sollte bei der Blutentnahme ausreichend hydriert sein), desto besser sei die Qualität des Bluts und damit auch des PRF.
Das PRF sollte schonend zentrifugiert werden und auch Leukozyten enthalten. Diese seien für den Heilungsprozess wichtig. So schonend zentrifugiertes solides PRF enthalte mononucleare Zellen (MNC, zum Beispiel Makrophagen), die in der Kombination mit Kollagenmembranen, Knochenersatzmaterialien und Techniken der GBR/GTR positive Effekte in der Regeneration bringen und auch die Vaskularisation der Regionen fördert. Dies sei der wichtige Unterschied zu den früher eingesetzten, hoch zentrifugierten PRF, die mehr MNGC enthalten.
Narbenbildung vermeiden
Ghanaati stellte dazu Ergebnisse einer Studie vor, bei der Defekte ohne, mit festem oder flüssigem PRF und in Kombination mit Membranen/KEM eingesetzt wurden. Sowohl das flüssige als auch das feste PRF förderten die Wundheilung und Geweberegeneration und vor allem das narbenfreie Abheilen – „Narben sind die Quelle allen Übels“ so Ghanaati.
Biologische Grenzen kennen
Weiter in die Welt der Zellen – diesmal der Knochenzellen – führte der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Reinhard Gruber, der sich mit den Effekten autologen Knochens befasste. Dieser sei osteokonduktiv, Knochenchips seien auch osteogen und förderten das Knochenwachstum, aber osteoinduktiv sei autologer Knochen nicht, dazu enthalte er zu wenig Bone Morphogenic Proteins (BMP). Was die Hartgewebsregeneration angehe, sei autologer Knoche in der Anfangsphase wegen der mittransplantierten Zellen den KEM überlegen. Daher sei es auch sinnvoll, KEM mit Knochenchips zu mischen.
Wie lassen sich KEM noch biologisieren beziehungsweise was kann die Hartgewebsregeneration positiv beeinflussen? Stammzellen sind zu aufwendig, BMP in Europa nicht zugelassen, so Gruber. PRF sei bislang für die Knochenregeneration nicht so überzeugend gewesen, aber das scheine sich jetzt zu ändern. Interessant sei der Effekt von Kollagen als KEM – „Knochen liebt Kollagenmembranen“, der Effekt sei aber unterschiedlich (bei Bioguide gut, bei Fibroguide nicht). Das habe bei kleinen Defekten Potenzial. Grundsätzlich aber setzen die Biologie und die Regeneration Grenzen: „Es gibt biologische Grenzen, die können Sie nicht sprengen“, so Gruber.
Periimplantitis: flache Taschen, kein BOP
Prof. Schwarz moderierte die dritte Session zum Thema Periimplantitis. Dr. Jan Derks stellte die Ergebnisse seiner Multicenterstudie mit 140 Patienten zur Therapie der Periimplantitis vor. Nach der Reinigung – Entfernen harter Beläge mit einer Titankürette, dann Reinigung der Implantatoberfläche mit einem rotierenden Titanbürstchen unter NaCl-Spülung – wurde in der Kontrollgruppe die Wunde verschlossen, in der Testgruppe ein Graft eingesetzt, je nach Defektgröße mit Membran. Nach zwölf Monaten war in beiden Gruppen die Situation beim Bleeding on Probing deutlich verbessert, die Taschen deutlich flacher. Der Implantatverlust war in beiden Gruppen niedrig (4/3). Auch das Röntgenbild zeigte in beiden Gruppen eine verbesserte Situation beim Knochen. Bei den Patienten gab es keinen Unterschied in der Zufriedenheit.
Das Ergebnis im Röntgenbild sei aber für den Behandlungserfolg aber absolut sekundär in der Periimplantitistherapie, so Derks. Entscheidend seien dagegen flache Taschen und kein BOP.
Elektrolytische Reinigung mit Potenzial
PD Dr. Dr. Markus Schlee stellte mit Galvosurge ein noch recht neues Verfahren zur Dekontamination von Implantatoberflächen bei Periimplantitis vor. Zu dem auf der EAO in Wien 2018 erstmals vorgestellten Verfahren der elektrolytischen Reinigung gibt es inzwischen eine größere Zahl von Studien, die jetzt kurz vor der Veröffentlichung stünden.
Die derzeit oft empfohlene Reinigung der Implantatoberflächen mit Pulverstrahl sieht Schlee – wie auch andere – skeptisch.
Für den Erfolg auch dieses neuen Verfahrens sei eine kritische Bewertung der Gesamtsituation und Compliance des Patienten, der Implantatposition, der Prothetik etc. wichtig, so Schlee. Dafür nutzten die Praxen, die mit Galvosurge arbeiten, einen Entscheidungsbaum.
Fehlplatzierte Implantate seien nicht zu halten. Für die Behandlung sollte die Prothetik entfernt werden, müsse aber nicht. Das Implantat müsse von Konkrementen gereinigt sein und es sei eine Lokalanästhesie erforderlich. Die Erfolgsrate der Therapie sei sehr gut, so Schlee.
Sowohl Derks als auch Schlee sehen noch Potenzial in der Initialtherapie der Periimplantitis. Entscheidend für den Erfolg seien die erfolgreiche Dekontamination des Implantats und eine gute Nachsorge.
„Grenzfälle der Zahnerhaltung“
Besonders aufmerksam verfolgt wurden die beiden Fälle aus der Praxis in der letzten Session. Sie wurden unter der Überschrift „Grenzfälle der Zahnerhaltung“ von Experten vorgestellt und auf dem Podium und im Publikum diskutiert. Dr. Ilja Mihatovic präsentierte einen Fall mit horizontaler und vertikaler Kieferkammaugmentation vor Implantation in einer Schaltlücke, Prof. Dr. Henrik Dommisch einen noch jungen Patienten mit massiver Parodontitis. Gerade die Frage, welche Zähne erhaltenswert sind beziehungsweise heute doch erhalten werden können, war spannend. Die klare Nachricht: Es geht heute dank bewährter neuer Techniken der Regeneration mehr mit Zahnerhalt als früher.
Praktisches Lernen in Workshops
Am Vortag des Symposiums gab es in sechs Workshops von Geistlich und einem Hands-On-Training speziell für den zahnärztlichen Nachwuchs die Möglichkeit, neue Verfahren, Techniken und Planungsüberlegungen direkt von den Referenten kennenzulernen. Gerade das „Junge Forum“ wurde gut angenommen. Dazu gab es im Osteology Wissenschaftsforum sehr interessante Posterpräsentationen junger Zahnärztinnen und Zahnärzte. Den Preis für die beste Präsentation erhielt Dr. Amely Hartmann aus Filderstadt für eine Langzeitstudie zu Yxoss Titanmeshs.
Man hätte dem Symposium gerne noch mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewünscht. Diejenigen, die bei schönstem Frühlingswetter nach Baden-Baden gekommen waren, werden um viele wichtige Informationen reicher nach Hause gefahren sein – ganz abgesehen von der lang vermissten Gelegenheit zum kollegialen Austausch und der persönlichen Beratung in einer gut besetzten Dentalausstellung.
Dr. Marion Marschall, Berlin