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Das Wissen um die Möglichkeit anatomischer Besonderheiten bei der Wurzelkanalbehandlung ist entscheidend für den Behandlungserfolg

Röntgenaufnahme nach Präparation aller drei Wurzelkanäle und Füllung mit Guttapercha.

In seinem Fallbericht für die Endodontie 4/20 schildert Autor Dr. Thorsten Blauhut die Diagnostik und Behandlung eines Unterkiefereckzahns mit ungewöhnlicher Anatomie. Mithilfe der DVT und des Dentalmikroskops wurden zwei Wurzeln mit drei Wurzelkanälen aufgefunden und behandelt.

Fast jede zahnärztliche Maßnahme tangiert das endodontische System, und jährlich ca. zehn Millionen in Deutschland durchgeführte Wurzelkanalbehandlungen belegen den Stellenwert der Endodontie in der Zahnmedizin. Die Zeitschrift „Endodontie“ hält ihre Leser dazu „up to date“. Sie erscheint vier Mal im Jahr und bietet praxisrelevante Themen in Übersichtsartikeln, klinischen Fallschilderungen und wissenschaftlichen Studien. Auch neue Techniken und Materialien werden vorgestellt. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Die „Endodontie“ ist offizielle Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), des Verbandes Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) und der Österreichischen Gesellschaft für Endodontie (ÖGE). Abonnenten erhalten kostenlosen Zugang zur Online-Version (rückwirkend ab 2003 im Archiv) und zur App-Version. Mehr Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und kostenlosen Probeexemplaren im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Die Ziele einer Wurzelkanalbehandlung sind die Reinigung und Obturation möglichst aller Wurzelkanalsysteme eines Zahns1. Zur Vorbereitung und Planung ist eine gründliche röntgenologische Befundung unerlässlich, in der Regel mithilfe einer oder mehrerer periapikaler Einzelzahnaufnahmen2. Das digitale Volumentomogramm (DVT) stellt zurzeit noch nicht das Standardverfahren in der präoperativen Diagnostik dar3. Neben der prä­operativen Untersuchung ist auch die intra­operative Diagnostik ein wesentliches Hilfsmittel bei der Wurzelkanalbehandlung. Die einzelnen Arbeitsschritte einer Wurzelkanalbehandlung, wie  die Präparation der Zugangskavität oder das Auffinden der Kanaleingänge, profitieren von der Verwendung von Vergrößerungshilfen und Ausleuchtung, zum Beispiel mithilfe von Lupenbrillen oder eines dentalen Operationsmikroskops4,5.

Der Unterkiefereckzahn gilt landläufig als ein unkompliziert zu behandelnder Zahn, da er in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur eine einzelne Wurzel und einen einzelnen Wurzelkanal aufweist6. Es wurden jedoch auch einige Fälle von zweiwurzeligen Zähnen mit drei Wurzelkanälen beschrieben7–10.

Der hier vorliegende Fallbericht veranschaulicht die Probleme, die bei der Wurzelkanalbehandlung entstehen können, wenn durch Unterschätzen des Schwierigkeitsgrads von der empfohlenen Vorgehensweise abgewichen wird.

Fallbericht

Ein 27-jähriger Patient wurde von seinem Hauszahnarzt zur Wurzelkanalbehandlung des Zahns 33 in unsere Poliklinik überwiesen. Nach Rücksprache mit dem überweisenden Kollegen konnte anhand der dem Patienten mitgegebenen Röntgenbilder und eines DVTs die bisher erfolgte Therapie rekonstruiert werden.

Vorbehandlung durch den Hauszahnarzt

Der Patient hatte sich kurz zuvor wegen Zahnschmerzen im linken Unterkiefer in der Praxis seines Hauszahnarztes vorgestellt. Dort wurden eine irreversible Pulpitis an Zahn 33 diagnostiziert und eine Wurzelkanalbehandlung eingeleitet. Es wurde weder zur Diagnostik noch zur Behandlungsplanung ein präoperatives Röntgenbild angefertigt. Nach der elektrischen Längenbestimmung und Präparation eines Wurzelkanals, durchgeführt ohne Zuhilfenahme eines Dentalmikroskops, wurde eine Masterpointaufnahme angefertigt, auf der deutlich zu erkennen war, dass der Zahn 33 zwei Wurzeln aufwies (Abb. 1). Daraufhin wurden durch den Überweiser ein zweiter Wurzelkanal gefunden und präpariert sowie eine erneute Masterpointaufnahme angefertigt. Auf dieser zweiten Aufnahme war zwar ein zweiter Guttaperchastift zu erkennen, allerdings schien weiterhin eine Wurzel unbehandelt geblieben zu sein (Abb. 2).

Der Kollege vermutete daraufhin eine iatrogene Perforation in der Bifurkation, fertigte ein DVT an und überwies den Patienten nach medikamentöser Einlage mit Ledermix und provisorischem Verschluss zur Weiterbehandlung.

Im Anschluss an die Behandlung durch den Haus­zahnarzt war der Patient komplett be­schwerdefrei.

DVT

Vor der Weiterbehandlung wurde das dem Patienten mitgegebene DVT sorgfältig befundet. Zahn 33 wies eine bukkale sowie eine linguale Wurzel mit jeweils einem Wurzelkanal auf. Im Bereich der Bifurkation ließ sich in direkter Verlängerung der bestehenden Zugangskavität ein dritter Wurzelkanal, ein Furkationskanal, darstellen (Abb. 3a). Der harmonische, leicht nach distal gekrümmte Kanalverlauf (Abb. 3b) konnte den Anfangsverdacht des Überweisers, es könne sich um eine Perforation handeln, zerstreuen.

Therapie

Unter Lokalanästhesie mit Ultracain DS 1:200.000 (Sanofi Aventis) wurden nach Kofferdam-Anlage der provisorische Verschluss unter dem Mikroskop (M320,  Leica Micro­systems) entfernt und die Eingänge aller drei Wurzelkanäle dargestellt (Abb. 4).

Nach elektrischer Längenbestimmung (Raypex 6, VDW) mit C-Pilot-Feilen der ISO-Größe 10 und Flexicut-Feilen der Größe ISO 25 (VDW) erfolgte die Präparation der Wurzelkanäle mit ProTaper Next (Dentsply Sirona) bis zur Größe 25.06 (zentraler Kanal) beziehungsweise 30.07 (bukkaler und lingualer Kanal). Während der gesamten Präpa­ration wurden die Kanäle ständig mit Natrium­hypochlorit (NaOCl) in 2,5-prozentiger Konzentration aktiviert gespült (EndoActivator, Dentsply Sirona). Die nach der Präparation angefertigte distal­exzentrische Masterpointaufnahme zeigt alle drei eingebrachten Guttaperchastifte (Abb. 5).

Im nächsten Schritt wurden die Wurzelkanäle mit 17-prozentiger EDTA-Lösung und abschließend noch einmal mit NaOCl gespült, mit der Continuous- Wave-Technik warmvertikal obturiert (Sealer AHplus, Dentsply Sirona) und die Zugangs­­kavität mit Adhäsiv (Optibond FL, KerrHawe) und Komposit (SDR Flow, Dentsply Sirona, sowie Filtek Supreme XTE, 3M) bakteriendicht verschlossen.

Die Kontrollaufnahme zeigt eine weitestgehend homogene Wurzelkanalfüllung, die im bukkalen und im lingualen Kanal bis zum Apex reicht. Im mittleren Kanal ist die Länge auf der Einzelzahnaufnahme leider nicht zuverlässig zu beurteilen (Abb. 6).

Diskussion

Der untere Eckzahn weist zwar in 98,3 Prozent der Fälle nur eine Wurzel und in 92,2 Prozent der Fälle nur einen Wurzelkanal auf6, falls die Anatomie jedoch von diesem Muster abweicht, steigt der Schwie­rigkeitsgrad der endodontischen Behandlung deutlich an11. In der Literatur liegen einige wenige Berichte über zweiwurzelige Zähne mit drei Kanälen7–10 vor. In einer Studie von Versiani et al. aus dem Jahr 2011 wurde die Anatomie von 14 zweiwurzeligen unteren Eckzähnen mithilfe der Mikrocomputertomografie untersucht12. Die Bifurkation lag in 6 Fällen im apikalen und in 8 Fällen im mittleren Wurzeldrittel. In einem Fall wird ein dritter Wurzelkanal gezeigt, der ebenfalls in der Furkation mündet. Das Wissen um die Möglichkeit anatomischer Besonderheiten bei der Wurzelkanalbehandlung ist für den Behandlungserfolg von großer Wichtigkeit13.

Im vorliegenden Fall hatte der überweisende Kollege auf eine präoperative Röntgendiagnostik verzichtet und damit eine von der European Society of Endodontology in ihren Qualitätsricht­linien2 formulierte Forderung missachtet. Nach einer präoperativen Einzelzahnaufnahme wäre sicherlich von Beginn der Behandlung an von einer zweiten Wurzel ausgegangen worden. Es darf jedoch dennoch bezweifelt werden, dass auf einer Einzelzahnaufnahme ein dritter Wurzelkanal mit Ausgang in der Furkation des Zahns zu erkennen gewesen wäre. Dieser war schließlich erst im DVT nachzuweisen. Allerdings stellt das DVT noch kein Standardverfahren für die präoperative Diagnostik in der Endodontie dar3 und sollte somit komplexeren Fällen, wie zum Beispiel dem hier beschriebenen, vorbehalten bleiben.
Die weitere endodontische Behandlung des Zahns wäre ohne Mikroskop nur sehr schwer möglich gewesen, da erst das Mikroskop mit seiner Vergrößerung und schattenfreien Ausleuchtung die Darstellung aller Kanaleingänge ermöglicht hat14.

Ein Beitrag von Dr. Thorsten Blauhut, Frankfurt am Main

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Endodontie 4/20 Endodontie

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