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Das interdisziplinäre, chirurgisch-endodontische Vorgehen konnte die Spätkomplikation nach acht Jahren beseitigen

Intraoperative Darstellung der Zyste bei palatinalem Zugang.

Radikuläre Zysten sprechen schlechter auf die alleinige endodontische Therapie an als apikale Parodontitiden. Führt ein rein konservatives, orthogrades Vorgehen durch eine Wurzelkanalbehandlung nicht zum gewünschten Therapieerfolg, muss im Anschluss eine Wurzelspitzenresektion durchgeführt werden. Der folgende Fallbericht von Dr. Benjamin Mahmoodi und PD Dr. Dr. Keyvan Sagheb für die Endodontie 01/2023 behandelt einen endodontisch-chirurgischen Therapieansatz bei einer Zyste als Spätkomplikation nach dentalem Trauma.

Fast jede zahnärztliche Maßnahme tangiert das endodontische System, und jährlich ca. zehn Millionen in Deutschland durchgeführte Wurzelkanalbehandlungen belegen den Stellenwert der Endodontie in der Zahnmedizin. Die Zeitschrift „Endodontie“ hält ihre Leser dazu „up to date“. Sie erscheint vier Mal im Jahr und bietet praxisrelevante Themen in Übersichtsartikeln, klinischen Fallschilderungen und wissenschaftlichen Studien. Auch neue Techniken und Materialien werden vorgestellt. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Die „Endodontie“ ist offizielle Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), des Verbandes Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) und der Österreichischen Gesellschaft für Endodontie (ÖGE). Abonnenten erhalten kostenlosen Zugang zur Online-Version (rückwirkend ab 2003 im Archiv) und zur App-Version. Mehr Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und kostenlosen Probeexemplaren im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Die Therapie traumatischer Verletzungen der Zähne und des Zahnhalteapparats stellt oftmals eine große Herausforderung für den Zahnarzt dar. Schwerwiegende Komplikationen wie Pulpanekrosen, apikale Parodontitiden oder entzündliche Resorptionen treten häufig erst Jahre nach dem Unfall auf und resultieren nicht selten im Verlust des Zahnes1,2. Auch können sich radikuläre Zysten bilden3, welche je nach Zystentyp nur bedingt auf rein orthograde endodontische Behandlungen ansprechen4.

Der folgende Fallbericht zeigt eine interdisziplinär therapierte Spätkomplikation acht Jahre nach einem dentalen Trauma.

Fallbericht

Die 22-jährige Patientin wurde vom Hauszahnarzt für die Weiterbehandlung des Zahnes 21 überwiesen. Die Allgemeinanamnese war unauffällig. Aus der zahnärztlichen Anamnese ging hervor, dass die Patientin im Alter von 14 Jahren ein Trauma an Zahn 21 erlitten hatte. Fünf Jahre nach dem Trauma wurde der Zahn vom Hauszahnarzt wurzelkanalbehandelt. Trotz der endodontischen Therapie stellte sich keine dauerhafte Beschwerdefreiheit ein, woraufhin der Hauszahnarzt eine Revision begann. Aufgrund persistierender Schmerzen und des kontinuierlichen Pusabflusses wurde die Patientin zur Abklärung der Erhaltungswürdigkeit und Therapieübernahme überwiesen.

Bei der Erstvorstellung war der Zahn 21 bereits trepaniert und die Trepanationsöffnung mit Cavit verschlossen. Die Zahnkrone wies eine deutliche Verfärbung auf, die Schneidekante war mit Komposit restauriert (Abb. 1). Klinisch zeigten sich eine erhöhte Empfindlichkeit auf Perkussion sowie Palpationsschmerz im Vestibulum. Der Zahn wies keine erhöhte Lockerung und keine erhöhten Sondierungstiefen auf, ein Verdacht auf Längsfraktur lag nicht vor. Ein apikaler Fistelgang war nicht zu entdecken. Eine Einzelzahnaufnahme wurde angefertigt (Abb. 2), auf der sich eine ausgedehnte apikale Läsion mit Resorption der Wurzelspitze 21 bei insuffizienter Wurzelfüllung mit deutlicher Extrusion von Füllmaterial in das periapikale Gewebe zeigte. Die Läsion erstreckte sich röntgenologisch bis in die mittleren Wurzelanteile des Zahns und stellte sich scharf abgegrenzt mit sklerosiertem Randsaum dar. Die benachbarten Zähne waren ohne pathologischen Befund.

Die (Verdachts-)Diagnose lautete auf radikuläre Zyste nach Trauma vor acht Jahren und insuffiziente Wurzelkanalbehandlung mit Resorption der Wurzelspitze an Zahn 21.

Nach Aufklärung über den Therapieablauf, mögliche Komplikationen sowie die Therapiealternativen entschied sich die Patientin für den Versuch der Zahnerhaltung durch Revision der Wurzelkanalbehandlung mit apikalem Verschluss durch hydraulisches Silikatzement und eine anschließende Zystektomie und WSR in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit einem MKG-Chirurgen.

In der ersten Sitzung erfolgte nach Isolierung mit Kofferdam die Trepanation des Zahns 21, woraufhin es zum Pusabfluss aus dem Wurzelkanal kam (Abb. 3). Bei dem Versuch, das alte Füllmaterial zu entfernen, zerfiel dieses und wurde teilweise weiter periapikalwärts befördert. Es folgten die ausgiebige Desinfektion mit 5-prozentigem Natriumhypochlorit (NaOCl) und 17 Prozent EDTA, eine Einlage mit Kalziumhydroxid (Ca[OH]2) und der provisorische Verschluss mit Cavit. Auf einer Einzelzahnaufnahme zur Abklärung des Verbleibs des Füllungsmaterials (Abb. 4) waren noch größere Reste des Füllmaterials zu erkennen. Es folgten zwei weitere Sitzungen, in denen der Wurzelkanal mit Gates-Glidden-Bohrern und Ultraschall mechanisch präpariert wurde. Durch ausgiebige Spülung wurden weitere Füllungsreste entfernt. Es kam jedoch nur zu einer geringen Besserung der Symptomatik und auch zu erneutem Pusabfluss. Die elektrische Längenmessung in der folgenden Behandlungssitzung ergab eine Arbeitslänge von 21 mm, was radiologisch verifiziert wurde (Abb. 5). Hierbei zeigte sich noch extrudiertes Füllmaterial, welches sich bis über die mittleren Wurzelanteile projizierte. Da sich der Wurzelkanal nun trocknen ließ, erfolgte die Wurzelkanalfüllung. Es wurden Kollagenstückchen als Widerlager in den periapikalen Defekt eingebracht, biokeramisches Wurzelfüllmaterial (TotalFill BC RRM, FKG) appliziert (Abb. 6) und der apikale Verschluss radiologisch kontrolliert (Abb. 7). Die Kontrollaufnahme zeigt einen homogenen, deutlich über die Wurzelspitze hinaus applizierten Plug. Im Zystenlumen sind noch Reste des alten Füllmaterials zu erkennen. Anschließend wurden die mittleren Wurzelkanalanteile mit Komposit in Adhäsivtechnik aufgefüllt, die koronalen Anteile jedoch für das spätere Bleaching ausgespart und mit Cavit gefüllt.

Am Folgetag wurde eine DVT-Aufnahme mit eine-m FOV von 4 x 4 cm (Accuitomo, Fa. Morita, Dietzenbach) für die OP-Planung angefertigt (Abb. 8 und 9). Es zeigte sich eine scharf abgegrenzte Läsion, die sich von periapikal nach palatinal bis in das zervikale Wurzeldrittel erstreckte. Eine dünne Knochenlamelle war palatinal noch zu erkennen, im zervikalen Bereich waren noch deutliche knöcherne Strukturen zu sehen, sodass nicht davon auszugehen war, dass der Defekt mit der Mundhöhle kommunizierte. Der operative Zugang erfolgte von palatinal (Abb. 10). Nach Darstellung der Zyste konnte diese in toto entfernt werden (Abb. 11). Die Wurzelspitze wurde reseziert (Abb. 12) und der knöcherne Defekt mit autologem Knochen aufgefüllt, welcher mithilfe von Micross (Geistlich Biomaterials) gewonnen wurde. Neben den autologen Knochenspänen kamen I- und A-PRF zur Beschleunigung der Weichgewebeheilung und Stabilisierung des Augmentats zum Einsatz. Eine postoperative Röntgenaufnahme der resezierten Wurzelspitze wurde angefertigt (Abb. 13), auf welcher die komplette Entfernung des überpressten Materials zu erkennen ist. Nach Abschluss der Weichgewebeheilung wurden ein internes Bleaching mit Opalescence Endo (Ultradent) vorgenommen, bis die gewünschte Zahnfarbe erreicht war (Abb. 14), und anschließend die koronale Zugangskavität adhäsiv verschlossen. Die histopathologische Untersuchung des entnommenen Gewebes bestätigte die Verdachtsdiagnose einer radikulären Zyste. Eine radiologische Kontrolle nach neun Monaten zeigte unauffällige periapikale Verhältnisse (Abb. 15). Nach zwölf Monaten wurde eine erneute DVT-Aufnahme mit einem FOV von 6 x 6 cm (Accuitomo, Morita) angefertigt (Abb. 16 und 17). Es zeigte sich eine vollständige knöcherne Regeneration des Defekts. Ebenso zeigten sich nach 24 Monaten unauffällige apikale Verhältnisse (Abb. 18). Die Patientin war bei allen Nachuntersuchungsterminen klinisch symptomfrei.

Diskussion

Im vorliegenden Fall konnte der Verdacht der radikulären Zyste histologisch bestätigt werden. Eine klinische oder radiologische Unterscheidung zwischen radikulärer Zyste und periapikalem Granulom ist nicht sicher möglich5. Dennoch kann die Größe der Läsion oftmals einen Hinweis geben, da es sich bei Läsionen mit einem Durchmesser von mehr als 1 cm eher um Zysten handelt5. Zysten sprechen generell schlechter auf alleinige endodontische Therapiemaßnahmen an als apikale Parodontitiden3 und eine Ausheilung kann auch nur dann erreicht werden, wenn es sich um eine Taschenzyste handelt4, das heißt, wenn das Zystenlumen mit dem Wurzelkanal verbunden ist. Bei „echten“ radikulären Zysten handelt es sich um Hohlräume, die vollständig epithelial ausgekleidet sind und keine Öffnung zum Wurzelkanal aufweisen. Da sich im vorliegenden Fall Pus über den Wurzelkanal entleerte, war davon aus-zugehen, dass es sich um eine infizierte Taschenzyste handelte. Aufgrund des schlechten Ansprechens der Läsion auf die bereits erfolgte Erstbehandlung durch den Hauszahnarzt und der persistierenden Beschwerden wurde eine kombinierte endodontisch-chirurgische Therapie gewählt.

Eine rein chirurgische Intervention ohne vorherige orthograde Füllung hätte keine sinnvolle Therapiealternative dargestellt, da die Revision bereits begonnen worden war. Andererseits kann die Erfolgsquote von Wurzelspitzenresektionen durch eine vorangegangene, ordnungsgemäß durchgeführte Revisionsbehandlung gesteigert werden6,7, was auf die Reduktion der Keimbelastung im Wurzel-kanal zurückzuführen ist.

Im vorgestellten Fallbericht wurde eine DVT-Aufnahme angefertigt, um das Ausmaß des Defektes beurteilen zu können. Die DVT ist den konventionellen Einzelzahnaufnahmen in der Detektion von Läsionen8–10 deutlich überlegen und liefert mehr Informationen über Art und Ausmaß der Traumaschäden11. Auf Grundlage der gewonnenen Informationen wurde im vorliegenden Fall der Zugang von palatinal gewählt, und nicht wie üblich von vestbulär, was zur Schonung des vestibulären Knochens führte und wodurch eine Gingiva-rezession und Narbenbildung in der ästhetischen Zone vermieden wurden.

Komplexe endodontisch-chirurgische Fälle bedürfen einer guten interdiziplinären Zusammenarbeit. Hierbei kann das DVT die Befunderhebung und Therapieplanung für alle beteiligten Behandler deutlich verbessern.

Ein Beitrag von Dr. Benjamin Mahmoodi, Wörth, und PD Dr. Dr. Keyvan Sagheb, Mainz

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Endodontie 01/2023 Endodontie Chirurgie Zahnmedizin

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