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Berichte von Experten in der „c't“ sorgen für Nachfragen – KBV: Kostenerstattung unzureichend, KZBV verhandelt noch

Die KoCoBox der CGM war 2017 der erste Konnektor, den Ärzte und Zahnärzte für die TI-Anbindung bestellen konnten.

(c) CGM

In diesen Wochen laufen die ersten Zertifikate für die Konnektoren ab, die für den gesetzlich vorgeschriebenen Zugang von Arzt- und Zahnarztpraxen zur Telematikinfrastruktur erforderlich sind. Der von den Gesellschaftern der für die TI zuständigen Gematik Ende Februar beschlossene „alternativlose“ und teure Austausch der Geräte wird jetzt aber in Frage gestellt.

Eigentlich war es beschlossene Sache: Da der digitale Zugang zur TI über eine Softwarelösung in der TI 2.0 noch auf sich warten lässt, müssen die Konnektoren, deren Sicherheitszertifikat nach fünf Jahren abläuft, ausgetauscht werden. Einen entsprechenden Beschluss hatten die Gesellschafter der Gematik – das Bundesministerium für Gesundheit (51 Prozent Mehrheitsanteil), die Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, der GKV-Spitzenverband etc. – nach ausführlicher Darlegung der Experten gefasst.

KBV hält Kostenerstattung für zu gering

Am 20. Juli 2022 hatte das Schiedsamt im Streit um die Kostenerstattung für die Arztpraxen entschieden. Danach sollen Arztpraxen eine Pauschale von 2.300 Euro erhalten – „nicht kostendeckend“, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die diesem Schiedsspruch nicht zugestimmt hat.

Laut KBV hat der Austausch der ersten Konnektoren schon begonnen: „Die ersten Geräte schalten sich im September ab und müssen zuvor durch neue ersetzt werden. Betroffen sind zunächst Kunden der Firma CompuGroup Medical, die 2017 die ersten Konnektoren auf den Markt gebracht hatte. Rund 15.000 ihrer Konnektoren müssen noch in diesem Jahr ausgetauscht werden, weitere 40.000 in den Praxen von Ärzten, Psychotherapeuten und Zahnärzten in 2023“, so KBV.
„Diese Zahl muss bewältigt werden“, erklärte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Thomas Kriedel in einem Videointerview. Er riet Praxen, rechtzeitig einen Termin mit einem Techniker zu vereinbaren, der in die Praxis komme. Die Hersteller hätten bereits vor geraumer Zeit zugesagt, den Ärzten und Psychotherapeuten mitzuteilen, wann die Laufzeit ihres Gerätes endet und ein Austausch-Angebot zu unterbreiten.

Computerexperten stellen Geräteaustausch in Frage

Für kritische Rückfragen zur Notwendigkeit des aufwendigen, für die Praxen belastenden und teuren Austauschs der Konnektoren sorgt zusätzlich ein Beitrag der Fachzeitschrift „c’t“ vom 15. Juli 2022.  Die Autoren ziehen die von der Gematik erklärte Unabdingbarkeit des Austauschs in Zweifel. Sie haben eine KoCoBox des Anbieters CGM genauer unter die Lupe genommen. CGM hatte zunächst erklärt, dass die Sicherheitskomponenten mit dem Gerät fest verbaut seien. Dies hatten die Technikexperten der c’t widerlegen können, das Unternehmen hat das in seinen FAQ inzwischen korrigiert.

Prinzipiell kein kompletter Austausch erforderlich

Nach den Angaben im Beitrag der c’t sei es prinzipiell möglich, auch die Konnektoren von CGM mit einem Zertifikatsupdate auszurüsten, ohne das gesamte Gerät zu tauschen. Dafür müssten die sogenannten gSMC-K-Karten im Konnektor getauscht werden: „Nach unseren Erkenntnissen spricht alles dafür, dass die gSMC-K-Karten zwar an die Konnektor-Hardware gebunden sind, aber offenbar nicht die Konnektor-Hardware an die gSMC-K-Karten. Demnach könnte man einen neuen Kartensatz mit frischen Zertifikaten für den Konnektor erstellen und den teuren Hardware-Tausch vermeiden“, schreiben sie. Das sei auch wesentlich günstiger – die Experten meinen, so ließen sich mehr als 1.500 Euro einsparen.

Bei anderen Konnektoren  reicht prinzipiell ein Softwareupdate

Bei den beiden anderen Konnektortypen, die später auf den Markt kamen, sei ein Erneuern des Sicherheitszertifikats kein Problem: „In den Konnektoren von RISE und Secunet befinden sich ebenfalls gSMC-K-Karten, die jedoch nicht ausgetauscht werden müssten. Denn beide Konnektoren unterstützen eine Zertifikatsverlängerung per Software. RISE teilte uns mit: ‚Ein Konzept zum Tausch wurde mit der Gematik abgestimmt und die Machbarkeit war für RISE natürlich möglich. Dabei sollte der kryptographische private Schlüssel auf der gSMC-K weitergenutzt und ein neues Zertifikat dazu erstellt werden. Das würde für den Konnektor ausreichen, um weiterhin genutzt werden zu können und allen Anforderungen zu entsprechen‘“, heißt es im c’t-Beitrag.

Dieser Beitrag sorgt dafür, dass es auch bei der KBV und bei den Zahnärzten kritische Nachfragen gibt. Die Gematik stellt zwar in ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2022 das Vorgehen der Autoren des Beitrags in Frage, diese erklären in einem zweiten Beitrag noch einmal ausführlich, warum sie der Meinung sind, dass der Austausch der alten gSMC-Karten gegen einen frischen Kartensatz mit neuer Zertifizierung erfolgreich möglich sei.

KBV fordert Stellungnahme

Jedenfalls haben die KBV und auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, die sich von Beginn an stark in der TI engagiert hat, die Gematik aufgefordert, zu den c’t-Beiträgen und zur Notwendigkeit des Konnektortauschs Stellung zu nehmen. Am 21. Juli meldete die KBV: „Vor dem Hintergrund neuerer Hinweise, dass dies doch möglich sei und damit auf einen Austausch verzichtet werden könnte, sagte Kriedel: ‚Wir werden in der Gematik auf eine neue Bewertung drängen.‘ Dies müsse in enger Abstimmung mit dem BSI erfolgen, denn, so Kriedel, ‚das muss auch sicher sein. Wir können kein Risiko für die Arztpraxen eingehen.‘“

Kriedel habe sich dazu am 21. Juli 2022 in einem Schreiben an Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken gewandt und „eine schnellstmögliche klarstellende Bewertung“ gefordert, so die KBV.

KZV Westfalen-Lippe bittet Gematik und BSI um Stellungnahme

Auch die KZVWL fordert eine Stellungnahme, sowohl von der Gematik als auch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): „Die Gematik ist jetzt am Zug“, so der Vorstand der KZVWL, Dr. Holger Seib und Michael Evelt, in einer Pressemeldung vom 25. Juli 2022. „Die Gematik muss jetzt lückenlos die entscheidungsrelevanten Gründe aus Februar 2022 in Abwägung zu den Alternativen aufklären. Sollten sich die neuen Erkenntnisse der c`t bewahrheiten, erwarten wir eine Kurskorrektur der Gematik.“ Man habe Gematik und BSI um eine Stellungnahme gebeten, die Antwort stehe noch aus.

Verhandlungen bei den Zahnärzten laufen noch

Während bei den Ärzten die streitige Erstattung der Kosten für den Austausch der Konnektoren per Schiedsamt entschieden wurde (siehe oben), laufen die Verhandlungen zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und dem GKV-Spitzenverband in dieser Sache noch, hieß es auf Nachfrage von Quintessence News. Was die Berichte vom 15. und 23. in der c’t angeht, ist man in der KZBV bislang selbst noch nicht weiter aktiv geworden.

Vollständige Re-Finanzierung – Anträge der KZBV-VV

Auf der Vertreterversammlung der KZBV am 6. und 7. Juli 2022 in Dresden hatte der für die TI verantwortliche stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Karl-Georg Pochhammer in seinem Bericht erklärt, die zu kurze Vorbereitungszeit schlage sich in den Verhandlungen mit den Krankenkassen nieder. „Hier brauchen wir noch Zeit, um zu einem Ergebnis zu kommen. Was wir erwarten, namentlich die vollständige Re-Finanzierung der Kosten, hat der Vorstand in einen Antrag zusammengefasst und der VV zur Abstimmung vorgelegt. Auch der Leitantrag des Vorstands greift die Thematik, dass Praxen bei der TI ständig draufzahlen müssen, nochmal auf.“ Die Delegierten stimmten diesen Anträgen in der Folge einstimmig zu.

Neue Finanzierungslösung angestrebt

Ziel der KZBV und der KZVen sei es allerdings, für die Zukunft eine einfachere Lösung für die Finanzierung der Komponenten, Dienste und Anwendungen der TI zu erreichen: „Wir müssen wegkommen von diesem Klein-Klein und eine Finanzierungsvereinbarung auf die Füße stellen, welche die Interessen der Zahnärzte besser schützen kann“, so Pochhammer in Dresden.

„Der Konnektor-Tausch wird für viele Praxen allerdings früher vonstattengehen müssen. Hier sind wir aktuell in schwierigen Verhandlungen mit dem GKV-SV über die Höhe der Pauschale. Wir konnten aber erreichen, dass der Verhandlungspartner erklärt hat, dass die betroffenen Praxen den Ausgleich – abhängig vom Zeitpunkt des Ablaufs der jeweiligen Zertifikate – auch rückwirkend geltend machen können. Ein Abwarten, bis die Höhe der Pauschale verhandelt ist, ist also nicht notwendig – und auch nicht zu empfehlen, da bei Ablauf der Zertifikate der Konnektor stillsteht und die TI nicht mehr erreichbar ist. Wo Handlungsbedarf besteht, muss auch der Vorlauf beachtet werden“, so Pochhammers Einschätzung Anfang Juli 2022.

Kurzfristiger Stopp des Austauschs eher unwahrscheinlich

Da die ersten Zertifikate für die KoCoBox-Konnektoren jetzt auslaufen und eine Austauschmöglichkeit mit neuen gSMC-K, wie dort beschrieben, nicht getestet und vorbereitet wurde, erscheint es aktuell unwahrscheinlich, dass sich kurzfristig etwas am Austausch der Geräte ändern wird. Ohne funktionierenden Konnektor können Zahnarztpraxen nicht auf die TI-Anwendungen zugreifen – dieses Risiko sollten Praxen nicht eingehen.
 

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