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Durchschnittsalter der Vertragsärzte auf 54,6 Jahre angestiegen – ähnliche Entwicklung bei den Zahnärzten zu beobachten

Die nahe Zukunft: Immer ältere Patienten treffen auf immer ältere Ärzte.

(c) Alexander Raths/Shutterstock.com

Dass der Fachkräftemangel längst in der medizinischen Versorgung angekommen ist und sich auch dort weiter verschärft, zeigt nicht nur der Umstand, dass viele Vertragsärztinnen und -ärzte händeringend medizinische Fachangestellte und Mitarbeitende anderer Gesundheitsfachberufe für ihre Haus- und Facharztpraxen suchen. Auch die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber selbst werden absehbar zu einer raren Ressource auf dem hart umkämpften Markt der ärztlichen Gesundheitsversorgung. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Der sukzessive Renteneintritt der geburtenstarken „Baby-Boomer“-Jahrgänge 1955 bis 1969 sowie der ungebrochene Trend zur Teilzeitarbeit.

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat dazu Zahlen aufbereitet und Ende Mai in Berlin vorgestellt: So zeigt ein Blick auf die Daten des Bundesarztregisters für die Jahre 2001 bis 2021 eine deutliche Verschiebung der Vertragsärzteschaft in höhere Altersbereiche. Während das Durchschnittsalter der niedergelassenen Haus- und Fachärzte 2001 lediglich bei 49,8 Jahren lag, stieg es bis zum Jahr 2011 auf 52,7 und bis 2021 weiter auf 54,6 Jahre an. Die Anzahl junger Ärztinnen und Ärzte bis 45 Jahre war 2001 deutlich höher als 2011. Sie war 2021 zwar höher als 2011 – aber immer noch weit niedriger als 2001. Gleichzeitig sind die ältesten noch praktizierenden Medizinerinnen und Mediziner 2021 bereits über 80 Jahre alt. 2001 waren die ältesten Vertragsärzte nur etwa 70 Jahre alt.

Enorme Welle von Eintritten in den Ruhestand

Bereits heute sind mehr als ein Fünftel aller Vertragsärzte älter als 60 Jahre. Die hohe Anzahl der Vertragsärzte zwischen 57 und 60 Jahren im Fokusjahr 2021 zeigt die enorme Welle der zu erwartenden Ruhestandseintritte in den nächsten fünf bis sieben Jahren an. Dies sieht in der Vertragszahnärzteschaft ähnlich aus.

Mehr Ärzte, mehr Teilzeit, weniger Versorgungsleistung

Die ausgewerteten Daten zeigen zudem, dass die Zahl der an der Versorgung beteiligten Vertragsärzte seit 2001 von 117.650 um 25.451 (beziehungsweise um 21,6 Prozent) auf 143.101 gestiegen ist. Durch den Trend zur Anstellung und zu Teilzeitmodellen sinkt jedoch die Versorgungsleistung je Ärztin/Arzt. So stieg der Anteil angestellter Vertragsärzte und Psychotherapeuten seit 2013 von 14 auf 26 Prozent im Jahr 2022. Der Anteil von Vertragsärzten und Psychotherapeuten in Teilzeit stieg im gleichen Zeitraum von 12 auf 33 Prozent. Kurzum: Selbst wenn eine freie Stelle nachbesetzt wird, bedeutet das nicht unbedingt, dass damit die gleiche Versorgungsleistung für die Patienten wie zuvor zur Verfügung steht.

 

Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi): Altersverteilung von niedergelassenen Haus- und Fachärzt:innen in den Fokusjahren 2001, 2011 und 2021
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi): Altersverteilung von niedergelassenen Haus- und Fachärzt:innen in den Fokusjahren 2001, 2011 und 2021
Quelle: Zi

 

Vor einer Zeitenwende hin zur drohenden Unterversorgung

„Wir befinden uns auch in der ambulanten ärztlichen Versorgung vor einer Zeitenwende. Aus dem vermeintlichen Überangebot ist eine drohende Unterversorgung geworden. Heute reden wir über Probleme bei der Terminvergabe. Die tragende Säule der medizinischen Versorgung in Deutschland wird personell deutlich schwächer werden. Seit Ende der 1970er Jahre schien es in der Gesundheitspolitik notwendig, den Zugang zur Niederlassung zu bremsen und auch die Tätigkeit von Vertragsärztinnen und -ärzten als Teil der Ausgabenbegrenzung möglichst weitgehend durch Regulierung einzuschränken. Vor der Verabschiedung des Gesundheitsstrukturgesetzes 1993, das eine restriktive Bedarfsplanung vorsah, beantragten viele Medizinerinnen und Mediziner noch die Zulassung für eine Niederlassung. Jetzt kommt diese Generation der ‚Baby-Boomer‘ in das Ruhestandsalter. Damit wird die Zahl der in der Versorgung verfügbaren Ärztinnen und Ärzte laufend abnehmen und die Zahl offener Sitze massiv ansteigen. Gleichzeitig werden jüngere Medizinerinnen und Mediziner der Patientenversorgung nicht mehr im gleichen zeitlichen Umfang zur Verfügung stehen“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Zahl junger Mediziner bis Mitte 2030er Jahre nicht ausreichend

„Eine zunehmende Anzahl von Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums und der Facharztweiterbildung ist bis Mitte der 2030er Jahre nicht in ausreichendem Umfang zu erwarten. Das Zusammenspiel hoher Renteneintrittszahlen, sinkender Versorgungsleistung je Ärztin/Arzt und einer eher steigenden zukünftigen Inanspruchnahme der deutlich älter werdenden Patientinnen und Patienten führt zu großen Herausforderungen, die medizinische Versorgung in Zukunft abzusichern. Das Engagement vieler älterer Ärztinnen und Ärzte weit über das Ruhestandsalter hinaus kann dies nicht ausgleichen“, so von Stillfried.

Politik muss Daseinsvorsorge leisten und Niederlassung fördern

Wer Versorgungslücken insbesondere in den ländlichen Regionen mindern wolle, müsse jetzt die Niederlassung fördern. „Das ist Teil der Daseinsvorsorge. Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die geeignet sind, Ärztinnen und Ärzte zu motivieren der Patientenversorgung mehr Lebenszeit zu widmen. Das bedeutet: Mehr Gestaltungsspielräume, konsequente Entlastung von Verwaltungsaufgaben und eine höhere Attraktivität der Niederlassung“, forderte der Zi-Vorstandsvorsitzende abschließend.

Zahl der Zahnarztpraxen sinkt

Die vom Zi für die vertragsärztliche Versorgung dargelegte Entwicklung zeigt sich vergleichbar auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hier verschiebt sich die Alterskurve ähnlich wie bei den Ärzten. Aktuell beträgt das Durchschnittsalter der Vertragzahnärztinnen und -ärzte 50,6 Jahre (2021), in den östlichen Bundesländern ist es mit 52,1 Jahren (2021) sogar noch etwas höher.

Dabei sind immer mehr Zahnärztinnen und Zahnärzte angestellt tätig, parallel sinkt Zahl der Zahnarztpraxen, die jedoch mehr Zahnärztinnen und Zahnärzte beschäftigen als früher. Inzwischen wurde die 40.000-er Schwelle nach unten durchschritten. Laut KZBV-Jahrbuch waren es Ende 2021 noch 39.875 Praxen, vor zehn Jahren gab es noch 44.583 und 2005 sogar fast 45.800 Praxen. Damit ist auch die Zahl der niedergelassenen Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte weiter gesunken – von deutlich mehr als 55.000 Mitte der 2000er-Jahre auf nur noch 45.638 im 1. Halbjahr 2022.

Wie bei den Ärzten steigt die Zahl der in den Praxen angestellt tätigen Zahnärzte seit 2007 deutlich. Sie machen inzwischen mehr als ein Viertel, nämlich 27,3 Prozent, der insgesamt 62.780 der in Praxis tätigen Zahnärzte aus. Oder in Zahlen: 17.142. Die Bundeszahnärztekammer weist inklusive der Vorbereitungsassistenten fast 22.800 angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte in den Praxen aus.

Zahl der Zahnärztinnen und Zahnärzte wird sinken

Folgt man der KZBV-Statistik, gehen seit einigen Jahren mehr Zahnärztinnen und Zahnärzte aus dem Beruf, als neue als Vertragszahnärzte in die Praxen kommen – ein Trend, der wegen der hohen Zahl der erwarteten Ruheständler und der begrenzten Zahl der Studienplätze und Approbationen noch stärker werden wird, so die KZBV in ihrem KZBV-Jahrbuch 2022.

Die Bundeszahnärztekammer weist dazu in ihrem Statistischen Jahrbuch 2021/22 verschiedene Szenarien aus. Je nach Zahl der Approbationen werden 2030 zwischen 60.400 und rund 52.580 als Zahnärztinnen und Zahnärzte niedergelassen tätig sein. Da diese vielfach in Teilzeit arbeiten, fehlen nach Umrechnung auf die sogenannten Vollzeitäquivalente gut 2.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte in der Versorgungsleistung.

Vor allem im Osten werden Zahnärzte fehlen

Besonders von den Folgen des demographischen Wandels betroffen sind die östlichen Bundesländer, aber auch die strukturschwachen Regionen in den westlichen Bundesländern. So hat die KZV Hessen zum Jahresbeginn 2023 einen Strukturfonds eingerichtet. In Sachsen-Anhalt nutzen Kassenzahnärztliche Vereinigung und Zahnärztekammer alle Möglichkeiten zur Nachwuchsförderung, unter anderem Stipendien für ein Zahnmedizinstudium in Ungarn und Verträge mit den Landkreisen. Die Forderung, eine Landzahnarztquote einzuführen (die auch in Hessen gestellt wird) und die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, wurde von der Landesregierung jedoch abschlägig beschieden. Im Land Brandenburg setzen Kammer und KZV auch Hoffnungen auf eine (private) Hochschule im Land, dort wird ab 2024 in Brandenburg (Havel) der erste Studiengang Zahnmedizin im Land starten.

Mehr zur Praxislandschaft in der Zahnmedizin auch in Folge #1 des Podcasts „Dental Minds“.

Quelle: Quintessence News/Zi med.dent.magazin Praxis Politik

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