Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, Ehrenpräsident der Bundeszahnärztekammer, ist in der Nacht zum 30. Januar 2025 im Alter von 86 Jahren gestorben. Mit ihm verlieren die Zahnärzteschaft, die Menschen in seinem Wohnort Lübbecke und weit darüber hinaus einen engagierten Zahnarzt und MKG-Chirurgen und einen vielseitig interessierten und aktiven „Macher“ mit einem klaren Wertekanon.
Weitkamp, 1938 in Bielefeld geboren, übernahm nach seinem Studium im Jahr 1967 die Praxis seines Vaters in Lübbecke, wo er weit über seinen offiziellen Ruhestand hinaus bis Anfang dieses Jahres als Zahnarzt und MKG-Chirurg immer noch mitgearbeitet hat. Er schätzte diesen Kontakt zu „seinen“ Patientinnen und Patienten und zu den jüngeren Zahnärztegenerationen.
Kammerpräsident und BZÄK-Präsident
Früh engagierte sich Jürgen Weitkamp auch standespolitisch und rückte bald in den Kammervorstand auf. Seit 1990 war er Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe und setzte sich unter anderem für die zahnärztliche Prävention ein. Im Jahr 2000 wurde er zum Präsidenten der Bundeszahnärztekammer gewählt – ein Amt, das er bis 2008 ausübte.
Viele entscheidende Entwicklungen in seiner Amtszeit
In seine Zeit als Präsident fielen viele für den Berufsstand entscheidende Entwicklungen. So die Arbeiten an einer neuen Approbationsordnung (die seit 1955 unverändert galt und erst 2019 durch die neue ZApprO ersetzt wurde) – nicht zuletzt angesichts der schlechten Bewertungen, die der Wissenschaftsrat 2005 in seinen „Empfehlungen“ formuliert hatte. Zur Vorbereitung einer Novellierung der veralteten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) wurde eine eigene „Honorarordnung für Zahnärzte“ (HOZ) erarbeitet. Der lange erwartete Referentenentwurf zur GOZ-neu, damals aus dem Haus von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, ging dann während der Bundesversammlung der BZÄK in Stuttgart 2008 ein, auf der Dr. Peter Engel zu Weitkamps Nachfolger gewählt wurde. Es gelang, diesen zahnarztschädlichen Entwurf zu „schubladisieren“.
Professionalisierung der Standespolitik vorangetrieben
Weitkamp setzte zudem auf die weitere Professionalisierung der Arbeit der Bundeszahnärztekammer und auf die Förderung des zahnärztlichen und berufspolitischen Nachwuchses. So etablierte er ein Consilium von Experten aus Zahnmedizin, Volkswirtschaft und Recht unter der Leitung von Prof. Dr. Burkhard Tiemann, das die BZÄK beraten sollte. Angesichts sich häufender Probleme mit Produkten in der Zahnarztpraxis wurde auch ein Produktsicherheitsrat ins Leben gerufen, der allerdings nur kurzzeitig funktionierte.
„Feminisierung des Berufsstands“
Anfang der 2000er-Jahre zeichnete sich zudem ab, dass die Zahl der Zahnmedizinstudentinnen kontinuierlich stieg. Studien des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) zur Prognose der Zahnärztezahlen bis 2020 beziehungsweise 2030 gingen davon aus, dass die Zahl der Zahnärztinnen damit deutlich steigen werde, das Schlagwort von der „Feminisierung des Berufsstands“ machte die Runde. Auch die berufspolitische Landschaft veränderte sich, 2007 wurde mit dem Dentista e.V. die erste reine Frauenorganisation in der Zahnmedizin gegründet. Ein weiterer neuer Player war der Bundesverband der zahnärztlichen Alumni (BdZA), mit dem Weitkamp für die BZÄK eine Zusammenarbeit etablierte.
„Deutscher Zahnärztetag“ als Veranstaltung aller
Auch die Idee eines gemeinsamen Kongresses der Zahnärzteschaft mit Standespolitik und Wissenschaft brachte er voran. Der „Deutsche Zahnärztetag“ war sein Kind und es ärgerte ihn anhaltend, dass sich die Standespolitik von diesem Konzept nach und nach verabschiedete, bis es nach der Corona-Pandemie 2023 ganz endete.
Qualifizierter Nachwuchs für die Berufspolitik gewinnen
Qualifizierten Nachwuchs für die berufspolitische Arbeit zu gewinnen war ein weiteres wichtiges Thema seiner berufspolitischen Agenda. Um mit Politik, Ministerien, Kassen und Gesundheitsökonomen die Interessen der Zahnärzteschaft erfolgreich vertreten zu können, müsse sich die Standespolitik professionalisieren, so seine Überzeugung. Eine strukturierte, berufsbegleitende Fortbildung mit einem akademischen Abschluss war das Ziel – befördert durch die neuen Möglichkeiten, die der Bologna-Prozess mit postgradualen Masterstudiengängen eröffnete. So entstand schließlich die AS Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung und Praxismanagement, die bis heute erfolgreich aktiv ist.
Auf dem Weg dorthin führte der Weg auch zur Donau-Universität Krems – vermittelt durch den Österreicher Jürgen Pischel, damals Chefredakteur und Mitherausgeber der DZW – Die ZahnarztWoche. Das Trio Jürgen Weitkamp, Jürgen Pischel und Klaus Schlechtweg, Hauptgeschäftsführer der BZÄK, traf sich nicht nur dazu in diversen Arbeitsessen. (Am Ende kam die Kooperation mit der Donau-Universität nicht zustande, Pischel nutzte aber die Chance, sehr erfolgreich seine Masterstudiengänge für Zahnärzte in Deutschland in Kooperation mit der Uni zu etablieren).
Das Verhältnis zur Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung dagegen war nicht immer so entspannt. Der dritte „Jürgen“, der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz, seit 2005 qua Gesetz als Hauptamtler einer Körperschaft des öffentlichen Rechts etabliert, war mit seinem Vorstand nicht mit allen Ideen der BZÄK einverstanden. In der Sache der Zahnärzteschaft aber trat man gemeinsam auf.
Zahnärzteschaft muss mit eigenen Konzepten aktiv werden
Die Zahnärzteschaft müsse mit eigenen Konzepten und Ideen auftreten und selbst agieren, nicht nur reagieren, so Weitkamps Überzeugung. „Was wir nicht selber regeln, regeln andere für uns“, sagte er. So ging er gut vorbereitet und auf Augenhöhe in die Gespräche mit Politikern, Kassen- und Versicherungsvertretern und Ministerialen. Dabei kam es ihm auch auf den Ton an – standespolitische Lautsprecherei, Beschimpfungen und ein reiner Konfrontationskurs, wie sie lange Zeit in der zahnärztlichen Standespolitik zu erleben waren, waren seine Sache nicht. „Hart in der Sache, aber verbindlich im Ton“, das sei sein Verhandlungsstil, sagte er einmal. Man dürfe sich nicht anbiedern, aber man müsse sich auch nach einem kontroversen Gespräch am Ende noch die Hand reichen können.
Häufiger Gast in der Standespolitik
Sein standespolitisches Interesse hielt er bis zum Schluss aufrecht, er war häufiger Gast bei Empfängen, Bundesversammlungen und Zahnärztetagen Noch im vergangenen November war er auf der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer in Hamburg dabei.
Vielfältig ehrenamtlich aktiv
Neben seinem beruflichen und standespolitischen Engagement war Weitkamp auch gesellschaftlich ehrenamtlich aktiv. So übernahm sein Rotary-Club nach der Wende eher zufällig eine Patenschaft für die Stadt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt – und er fand eine weitere Lebensaufgabe. Für sein großes Engagement wurde er 2014 mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt geehrt. Die Stadt war ihm und seiner Frau über die vielen Jahre ans Herz gewachsen. Er war stolz, zum Wiederaufbau und zur Entwicklung der Weltkulturerbestadt am Harz beigetragen zu haben, und freute sich über jeden weiteren Fortschritt.
Großer Musik- und Kunstfreund
Jürgen Weitkamp war ein großer Musikfreund, der gemeinsam mit seiner Frau zahlreiche Opernhäuser, Musikfeste und Festspiele in aller Welt besuchte – von den Salzburger Festspielen und dem Grünen Hügel in Bayreuth bis zur Met in New York. Zeitweise reiste er seinen Lieblingssängerinnen und -Sängern hinterher und plante ganze Konzertreisen.
Auch Kunst und Literatur bereicherten sein Leben. Zu seinen vielen Hobbies gehörte neben der Jagd und der Geselligkeit – in seinem Heimatort war er bestens vernetzt – auch das Sammeln von Autographen berühmter Persönlichkeiten.
Dr. Dr. Jürgen Weitkamp war ein besonderer Mensch, mit Überzeugungen und Werten, auch Ecken und Kanten. Ein kultivierter Gesprächspartner, interessiert, neugierig, zugewandt. Was er in seinem Leben auf so vielen Ebenen geleistet hat, wird fortwirken.
Dr. Marion Marschall, Berlin