Je länger, desto besser – gilt diese Devise immer noch? Kurze und durchmesserreduzierte Implantate liegen inzwischen klar im Trend, werden aber auch kontrovers diskutiert. Welche Vorteile haben Sie? Inwieweit lassen sich damit Augmentationen vermeiden? Wir haben Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, leitender Oberarzt der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Universität Mainz, zu diesem Thema befragt.
Zahlreiche Hersteller bieten inzwischen kurze und durchmesserreduzierte Implantate als Alternative zur Augmentation bei reduziertem Knochenangebot an. Heißt das, dass zukünftig nicht mehr augmentiert werden muss?
Hier ist zu beachten, was man unter kurzen bzw. durchmesserreduzierten Implantaten versteht. So ist heute eine Implantatlänge von 8 mm durchaus als etabliert zu betrachten, kürzere Implantate mit 6 oder 7 mm sind hingegen bzgl. der Überlebensraten und möglicher Probleme nicht so gut belegt, wie längere. Noch kürzere Implantate (4 und 5 mm), die teilweise als „ultra-short“ bezeichnet werden, sind in der Literatur nur vereinzelt und vor allem nicht in Langzeitstudien dokumentiert.
Beim Implantatdurchmesser ergeben sich für Implantate mit 3,3–3,5 mm auch Anwendungen, die über den Prämolarenbereich hinausgehen, also in ausgesuchten Fällen auch im Molarenbereich. Ebenso finden sich recht gute Daten für 4 Miniimplantate im zahnlosen Unterkiefer.
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Andererseits gibt es auch etablierte und sichere Augmentationsformen, wie zum Beispiel den Sinuslift oder die GBR-Techniken, die auch zur Anwendung kommen sollten. Niemand wird „ohne Not“ Implantatdurchmesser oder Länge deutlicher reduzieren als nötig. Spannend sind in der Klinik die Fälle, in denen beide Alternativen möglich sind, die Reduzierung der Implantatdimension oder die Argumentation. Damit liegen zwei Therapiealternativen vor, die beide ihre Vor- und Nachteile haben und natürlich mit dem Patienten besprochen werden müssen. Dafür bieten die digitale Volumentomografie und ggf. die computergestützte Planung eine gute Basis. Der Bruxist, bei dem ohnehin immer eine hohe Belastung der technischen Komponenten vorliegt, wird sich wahrscheinlich eher für eine Augmentation entscheiden. Wohingegen der ältere Patient, der zusätzlich allgemeine Erkrankungen aufweist, froh ist, eine Versorgung mit kleineren Implantaten zu erhalten, die vielleicht nicht die ultimative mechanische Stabilität aufweist. Hier kommt der Aufklärung eine zentrale Bedeutung zu.
Welche Voraussetzungen müssen zur sicheren und erfolgreichen Anwendung von kurzen und durchmesserreduzierten Implantaten gegeben sein? Wo sind die Grenzen dieser Therapieoption?
Die erfolgreiche Anwendung kurzer oder durchmesserreduzierter Implantate bedarf immer einer guten Aufklärung. Es sollte also nicht dem Zahnarzt überlassen sein, welche Option gewählt wird. Wichtig ist auch, dass man sich als Behandler vor Augen führt, dass kurze oder durchmesserreduzierte Implantate den komplexen Fall nicht unbedingt zu einem leichteren Fall machen, sondern spezifische Schwierigkeiten und Besonderheiten mitbringen. So ist es nicht immer einfach sehr kurze Implantate in der korrekten Achse und mit der richtigen Primärstabilität zu inserieren. Man muss also Erfahrung mit ausreichend dimensionierten Implantaten haben, um erfolgreich kurze Implantate zu inserieren. Natürlich wird man versuchen, auch wenn die Datenlage dünn ist, bei kurzen oder durchmesserreduzierten Implantaten eine Verblockung mit den Nachbarstrukturen zu erreichen. Hier bieten sich insbesondere im Seitenzahngebiet mehrere nebeneinanderstehende Implantate an. Häufig sieht man bei kurzen Implantaten auch die Verbindung mit einem längeren oder bei durchmesserreduzierten Implantaten die Verblockung eines schmalen mit einem „normalen“ Implantat. Von Bedeutung ist zudem die Länge der Kronen, auch wenn sich hier die Situation ein wenig entspannt hat, und wir durchaus ein größeres Verhältnis zwischen Kronenlänge und Implantatlänge akzeptieren. Die Prothetik in unserem Hause gestaltet dabei häufig die Kaufläche der Kronen etwas graziler. Außerdem von Wichtigkeit ist sicherlich, ob eine erhaltene Führung über natürliche Zähne, zum Beispiel den Eckzahn, stattfindet oder ob die kurzen Implantate Kaukraft und Laterotrusionskräfte voll übernehmen.
Diese Überlegungen zeigen, dass es eben nicht die eine Lösung für den individuellen Fall gibt, sondern Techniker, Chirurg und Prothetiker gemeinsam Lösungsmöglichkeiten finden müssen. Erklärt man dem Patienten Vor- und Nachteile dieser Varianten kommt man schnell zu einer individuellen Lösung.