Dieses neue Buch zur zahnärztlichen Chirurgie befasst sich nicht mit Implantologie und komplexen Weichgewebsaugmentationstechniken. Im „Atlas der modernen zahnerhaltenden Chirurgie“ stehen viel mehr die in der Praxis häufig angewendeten, aber auch (leider) fast vergessene chirurgische Verfahren der Zahnerhaltung im Fokus.
Die deutlich biologischere Therapie
Andreas Filippi, neben Sebastian Kühl Herausgeber des Buchs, fasst Möglichkeiten und Grenzen der modernen zahnärztlichen Chirurgie in seinem einleitenden Kapitel treffend zusammen: „Auch die zahnerhaltende Chirurgie hat sich […] erheblich weiterentwickelt und ihre Erfolgsraten müssen sich heute vor denen der oralen Implantologie nicht verstecken. Zahnerhaltende Chirurgie ist grundsätzlich günstiger, ist die deutlich biologischere Therapie, kommt dem Wunsch vieler Patienten näher, lieber den eigenen Zahn zu erhalten anstatt sich eine körperfremde Schraube operativ einsetzen zu lassen, hat die deutlich bessere Langzeitprognose als jedes Implantat, wenn der Zahn eine vitale Pulpa hat (was primär für Zahntransplantationen, kieferorthopädischen Lückenschluss sowie für Freilegung und orthodontische Einordnung gilt).“
Limitationen beachten
Filippi zeigt aber ebenso die Grenzen auf: „Sie ist nicht in jedem Fall möglich und auch nicht in jedem Fall sinnvoll. Spätestens bei ausgedehnter Wurzelkaries, fortgeschrittener Wurzelresorption (invasive zervikale Resorption, Ersatzgewebsresorption, infektionsbedingte Resorption), ‚finaler‘ Parodontitis marginalis, tiefen Kronen-Wurzel- oder Längsfrakturen ist der Zahnerhalt meist nicht sinnvoll. Kommen dann noch allgemeinmedizinische Probleme hinzu, wie geplanter Herzklappenersatz, erforderliche antiresorptive Therapien (Bisphosphonate, Denosumab et al.), Immunsuppression, Radiotherapie im Kopf-Halsbereich, schwere psychische oder degenerative ZNS-Erkrankungen wie Demenz, ist die Indikation zur Zahnentfernung deutlich strenger und dadurch sind die Möglichkeiten des Zahnerhalts auch deutlich limitiert.“
Erheblicher Wissenszuwachs in den vergangenen Jahren
In diesem Spektrum ist jedoch viel mehr möglich, als im Praxisalltag häufig genutzt wird. „Manche der Techniken sind Klassiker, manche haben in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Renaissance erlebt und manche sind leider immer noch kaum bekannt. Allen Techniken ist gemeinsam, dass es innerhalb der vergangenen Jahre einen erheblichen Wissenszugewinn gegeben hat. Dieser zeigt sich in immer besser werdenden Techniken, höheren Erfolgsraten und besserer Vorhersagbarkeit, wovon die betroffenen Patienten maßgeblich profitieren“, heißt es zum Buch.
Vorgestellt werden Verfahren der Freilegung und Einordnung, Wurzelspitzenresektion, intentionellen Replantation und Transreplantation, die resektive Furkationstherapie, Hemisektion und Wurzelamputation und die Zahntransplantation. Ein ganzes Kapitel widmet sich zudem den Erfolgsraten. Eine unterhaltsame Abhandlung zur Geschichte der zahnärztlichen Chirurgie rundet den Atlas ab.
Strukturiert aufbereitet, anschaulich bebildert
Den Autoren dieses anschaulichen und hochwertigen Buchs kommt das Verdienst zu, die chirurgischen Verfahren strukturiert, nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbereitet und praxisgerecht darzustellen – von Indikationen, Kontraindikationen und Prognose bis zu den benötigten Materialien und der Literatur. Die Verfahren sind umfangreich und anschaulich bebildert. (Eine Leseprobe gibt es hier.)
Nachschlagewerk mit Standardwerk-Potenzial
Das vorliegende Buch ist nicht als Lehrbuch, sondern als Bildatlas und Nachschlagewerk konzipiert und präsentiert die moderne zahnerhaltende Chirurgie so, wie sie aktuell möglich ist, mit dem Ziel, das therapeutische Spektrum in der täglichen Praxis zu erweitern oder auf den aktuellen Stand zu bringen. Dieses praxisnahe und zugleich wissenschaftlich bestens fundierte Buch hat gute Chancen, ein Standardwerk für die Zahnarztpraxis und Zahnärzte jeden Alters zu werden, und sollte in keiner Handbibliothek fehlen.
Filippi, Andreas / Kühl, Sebastian (Hrsg.): Atlas der modernen zahnerhaltenden Chirurgie
Quintessence Publishing, Berlin, 1. Auflage 2018, Hardcover, 176 Seiten, 423 Abbildungen, 98 Euro, ISBN 978-3-86867-395-1. Leseprobe und Bestellmöglichkeit im Quintessenz-Shop.