Tattoos sind beliebter denn je: Aktuellen Schätzungen zufolge ist in Deutschland mindestens jeder fünfte Mensch, der älter als 14 Jahre ist, tätowiert, Tendenz steigend. Das stellt zunehmend auch Operateure vor neue Herausforderungen, da die beliebten Stellen für Tätowierungen – beispielsweise am Unterarm – auch typische Entnahmestellen mikrochirurgischer Transplantate sind. Kann zum Tattoo-Erhalt von Standardzugangswegen abgewichen werden? Ein Thema mit zunehmender Relevanz, so die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG).
Tätowierungen sind für viele nicht einfach nur eine besondere Form des Körperschmucks, sondern beinhalten oftmals auch Abbilder besonderer Life-Events und haben – neben dem rein ästhetischen Anspruch – damit auch eine hohe emotionale Bedeutung für den Patienten. Welche Möglichkeiten hat der Operateur, Gewebe zu entnehmen und dabei die Tätowierung möglichst unversehrt zu lassen? Zwei Patientenfälle zeigen die Möglichkeiten und Grenzen1.
Alternative Schnittführung
Bei einer 64jährigen Patientin war die Hebung des Radialislappens (Gewebelappen aus dem Unterarm) zur Rekonstruktion des Mundbodens nach Tumorentfernung geplant. Auf dem Unterarm der Patientin befand sich eine circa 5 x 8 Zentimeter große Tätowierung, die bei regulärer Schnittführung durchtrennt worden wäre. In diesem Fall konnte die Schnittführung so modifiziert werden, dass sie seitwärts um die Tätowierung herum verlief. So blieb das Tattoo vollständig erhalten.
Alternativlos: Gewebetransplantat mit Tätowierung
Dass eine modifizierte Schnittführung um ein Tattoo herum nicht immer möglich ist, wird bei einem 65-jährigen Patienten mit großflächigen Tätowierungen am ganzen Körper deutlich. Auch hier war die Hebung eines Radialislappens geplant, eine medizinisch sinnvolle Alternative gab es nicht. Nach sorgfältiger Abwägung und Aufklärung des Patienten erfolgte dann die Entscheidung für einen Radialislappen von links und die damit verbundene partielle Entfernung eines eintätowierten „Bacardi“-Emblems.
Nach dem Eingriff kam es zu einer ausgeprägten Wundheilungsstörung im Entnahmegebiet am Unterarm, während das Transplantat komplikationslos im vorderen Oberkieferbereich einheilte.
Explizite Patientenaufklärung
Die Schlussfolgerung der Bremer MKG-Chirurgen: Sie empfehlen, eine Tätowierung im Operationsgebiet bei der OP-Planung zu berücksichtigen und Alternativen zu diskutieren. Der Patient sollte vor dem Eingriff über die mögliche Einbeziehung der Tätowierung explizit aufgeklärt werden, um bösen Überraschungen oder Missverständnissen auf Patientenseite vorzubeugen. Inwieweit das Abheilen der Entnahmestellen von Fernlappen mit Tätowierungen oder das Einheilen dieser Lappen selbst überdurchschnittlich mit Komplikationen behaftet ist, müssen weitere Studien zeigen. Weitere Infos zur modernen MKG-Chirurgie unter www.dgmkg.de.
Ein Beitrag von Sina Springhetti, Dr. Dr. Patrick Schöne und Prof. Dr. Dr. Jan Rustemeyer, Klinikum Bremen-Mitte