Rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) zu ihrer 31. Jahrestagung nach Erlangen gefolgt. Der wissenschaftliche Kongress vom 26. bis 28. September 2024 stand unter dem Motto „Kinderzahnmedizin im Wandel der Zeit“ und fokussierte die Fortschritte in der Kinderzahnmedizin hinsichtlich Behandlungsmethoden, Zahnerhalt und Nachhaltigkeit.
Der Kongress verdeutlichte die Zusammenhänge zwischen evidenzbasiertem, minimalinvasivem Kariesmanagement, Schmerzmanagement und der Vermeidung von Behandlungen unter Vollnarkose: Minimalinvasive Methoden können bei jüngeren Kindern mit geringer Kooperationsfähigkeit häufig einen Aufschub invasiverer Behandlungen in ein reiferes Alter erreichen. Moderne Optionen der Verhaltensführung, Sedierung und Anästhesie reichen dann oftmals aus, um die notwendige Behandlung durchzuführen.
Weitere Schwerpunkte des Kongressprogramms, für das Tagungspräsident Prof. Norbert Krämer und Tagungspräsidentin Dr. Nelly Schulz-Weidner verantwortlich zeichneten, waren regenerative und nachhaltige Behandlungsmethoden, die Digitalisierung in der Zahnmedizin, der Einfluss von Umweltfaktoren auf die Zahngesundheit, die Biokompatibilität von Füllungsmaterialien sowie die ökologische Nachhaltigkeit.
Kariesmanagement: Minimal intervention dentistry
Prof. Richard Wierichs, Bern, beleuchtete im Rahmen des von Oral-B gesponserten Vorkongresses das Spektrum der non-invasiven und mikro-invasiven Methoden des Kariesmanagements, von nicht-restaurativer Kavitätenkontrolle (NRCC) über Fissurenversiegelung bei Initialkaries, der Infiltration (Icon, DMG Dental) bis hin zur (Off-Label-)Anwendung von Silberdiaminfluorid (SDF). Als weitere Substanz-schonende Methoden wurden die Hall-Technik in Vorträgen zum „Biologischen Kariesmanagement“ von Prof. Monty Duggal, Qatar, und Prof. Alaa Bani Hani, UK, und die selektive Kariesexkavation in einem Vortrag von Prof. Norbert Krämer, Gießen, vorgestellt. Diese neueren Substanz-erhaltenden Methoden des Kariesmanagements sind mittlerweile durch Studien in ihrer Effektivität belegt und haben Eingang in Leitlinien gefunden [1, 2, 3]. Eine neuere Entwicklung sind die SMART-Techniken, bei denen der Einsatz von SDF zur Arretierung der Karies mit Abdeckung, wie zum Beispiel der Hall-Krone oder Glasionomerzementen (GIZ), kombiniert wird.
Vermeidung der Behandlungen unter Allgemeinanästhesie
Wie Behandlungen unter Allgemeinanästhesie (ITN) vermieden werden können, wurde von vielen Referenten angesprochen. Ein ausgereiftes Konzept hierzu stand im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Dinah Fräßle-Fuchs, Salzburg. Sie stellte den strukturierten Ablauf des Therapieentscheids in ihrer Praxis vor. Die Entscheidungsfindung erfolgt nach festen Kriterien, zum Beispiel durchlaufen behandlungsbedürftige Kinder ein Behandlungstraining – möglichst bis zur Behandlungsfähigkeit. Kann diese erreicht werden, wird die notwendige Sanierung mit Verhaltensführung unter Lachgas-Sedierung durchgeführt. Falls sich eine ambulante Behandlung in Allgemeinanästhesie schlussendlich als unverzichtbar erweist, folgt diese den aktuellen Empfehlungen der DGKiZ und mündet in eine Aufnahme in das Prophylaxe-Programm der Praxis [4]. Wie mithilfe einer inhalativen Sedierung mit Lachgas oftmals bereits eine Behandlung junger Kinder auch ohne Allgemeinanästhesie gelingen kann, verdeutlichte Dr. Richard Steffen, Weinfelden. Dr. Knut Beuerlein, Gießen, erläuterte pharmakologische Aspekte der Lokalanästhesie bei Kindern.
Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin
Wie können Nachhaltigkeitsaspekte sinnvoll in die Zahnmedizin integriert werden? Zum einen sicherlich über zahnmedizinische Prävention im Kindes- und Jugendalter, die im Mittelpunkt des Vortrags von Prof. Stefan Zimmer, Witten, stand. Als besonders nachhaltige Methode im Sinne einer Kosten-Nutzen-Effizienz plädierte er für die Kollektivprophylaxe mit Fluoridsalz und die Gruppenprophylaxe in Kindertagesstätten und Schulen.
Eine überzeugende Definition von Nachhaltigkeit hinsichtlich des Behandlungsziels lieferte Prof. Kerstin Galler, Erlangen: In dieser Hinsicht bedeute Nachhaltigkeit, „Behandlungsoptionen so zu wählen, dass geschädigte Gewebe bestmöglich bewahrt werden beziehungsweise ausheilen können, um die Möglichkeiten des Zahnerhalts langfristig so wenig wie möglich einzuschränken“. Ein Beispiel: die Revitalisierung nach Trauma bei bleibenden Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und Pulpanekrose in der Endodontie. Weiteres Wurzelwachstum kann durch diese Methode stimuliert werden. Als nachhaltig können auch die chirurgischen Methoden der Autotransplantation und des Toothrecyclings, thematisiert von Prof. Monty Duggal und Prof. Sameh Attia, Berlin, angesehen werden.
Ein umfangreiches Teamprogramm, zwei Lunch & Learn-Veranstaltungen (gesponsert von den Unternehmen CP Gaba und NUK), ein wissenschaftliches Kurzprogramm sowie das Praktikerforum mit eingereichten Fällen rundeten das vielseitige Kongressprogramm, das von den Teilnehmenden mit positiver Rückmeldung und regen Diskussionsbeiträgen honoriert wurde, ab.
Auszeichnungen in der Kinderzahnmedizin
Die DGKiZ engagiert sich gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern in der Förderung von wissenschaftlicher Forschung, besonderem Engagement in der Praxis sowie in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Fachbereich der Kinder- und Jugendzahnmedizin durch die Auslobung verschiedener Preise. Sechs DGKiZ-Preise wurden im Rahmen der 31. Jahrestagung stolzen Preisträgerinnen und Preisträgern überreicht.
Der Jahresbestpreis der Zeitschrift „Oralprophylaxe und Kinderzahnmedizin“ ging an Dr. Lisa Grimm für ihre Arbeit „Mundgesundheitbezogene Kontrollüberzeugung von Eltern und die Zahngesundheit ihrer Kinder“ [5].
Die DGKiZ vergab mit freundlicher Unterstützung der Firma Ivoclar Vivadent GmbH den Preis für den besten wissenschaftlichen Kurzvortrag an Dr. Victor Ossmann, Wien. Der Titel seines Vortrags lautete „Einfluss von kieferorthopädischen Fehlstellungen und ihrer Therapie auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität bei Kindern“.
Das beste Poster befasste sich in diesem Jahr mit dem Thema „Können bioaktive Restaurationsmaterialien die Sekundärkariesentstehung im Milchgebiss in vitro hemmen?“ Zahnärztin Aurelie Kuhn, Gießen, wurde hierfür ausgezeichnet. Der Preis wird von der Firma KaVo gestiftet.
Der Elmex-DGKiZ-Präventionspreis für die beste wissenschaftliche Präsentation auf dem Gebiet der Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen bei der Jahrestagung der DGKiZ ging an Dr. Maria Hofmann, Gießen, mit freundlicher Unterstützung von Colgate für ihre Arbeit zum Thema „Das orale Mikrobiom von Kindern mit Karies vor und nach der zahnärztlichen Behandlung unter Allgemeinanästhesie“.
Um die Praxis der Kinderzahnmedizin zu fördern, vergibt die DGKiZ mit freundlicher Unterstützung der Firma GC den Praktikerpreis für die beste klinische Falldemonstration im Rahmen des Praktikerforums. Gefördert werden vorrangig innovative, komplexe und interdisziplinär angelegte Falldarstellungen. Der Preis für eine herausragende Fallpräsentation wurde in diesem Jahr verliehen an Dr. Eva Maier, Erlangen, für die Darstellung einer „Interdisziplinäre[n] Lösung nach dentalem Trauma mit Avulsion und Wurzelresorption“.
Der Social-Media-Preis für den besten Post zur Jahrestagung in den sozialen Medien in Kooperation mit der Firma Sprig erhielt Zahnärztin Lia Springer.
Vorstand: Prof. Dr. Katrin Bekes wiedergewählt als DGKiZ-Präsidentin
Auf der Jahrestagung der DGKiZ fanden turnusgemäß Vorstandswahlen statt. Prof. Dr. Katrin Bekes, Wien, wurde als Präsidentin der DGKiZ wiedergewählt. Ebenso wurde Dr. Isabell von Gymnich, Regensburg, im Amt der Vizepräsidentin bestätigt.
Der weitere Vorstand setzt sich aus Generalsekretär Prof. Dr. Alexander Rahman, Hannover, Schatzmeisterin Dr. Julia Winter, Marburg, Fortbildungsreferent Prof. Dr. Dr. Norbert Krämer, Gießen zusammen. Den wissenschaftlichen Beirat bilden Dr. Antje Geiken, Kiel, Dr. Dr. Julia Hinrichs-Priller, Wien, Prof. Dr. Christian Hirsch, Leipzig, Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg, PD Dr. Peter Schmidt, Witten, und PD Dr. Julian Schmoeckel, Greifswald.
Ausblick
Die nächste Jahrestagung der DGKiZ findet vom 15. bis 17. Mai 2025 im World Conference Center in Bonn statt. Unter dem Motto „Das Lächeln der Zukunft“ werden die Schwerpunktthemen „Kommunikation mit Kindern, Eltern und im Team“ sowie „Endodontie im Milch- und Wechselgebiss“ in spannenden Vorträgen und Workshops praxisnah und interaktiv beleuchtet. Weitere Informationen zum 32. Jahreskongress
Quellen:
1 Dorri M, Dunne SM, Walsh T, Schwendicke F. Micro-invasive interventions for managing proximal dental decay in primary and permanent teeth. Cochrane Database Syst Rev. 2015;2015(11):CD010431. Published 2015 Nov 5. doi:10.1002/14651858.CD010431.pub2
2 Figundio N, Lopes P, Tedesco TK, Fernandes JCH, Fernandes GVO, Mello-Moura ACV. Deep Carious Lesions Management with Stepwise, Selective, or Non-Selective Removal in Permanent Dentition: A Systematic Review of Randomized Clinical Trials. Healthcare (Basel). 2023;11(16):2338.
3 Duggal M, Gizani S, Albadri S, et al. Best clinical practice guidance for treating deep carious lesions in primary teeth: an EAPD policy document. Eur Arch Paediatr Dent. 2022;23(5):659-666. doi:10.1007/s40368-022-00718-6
4 Rahman A, Hinrichs-Priller J Ambulante zahnärztliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Allgemeinanästhesie. Oralprophylaxe Kinderzahnmedizin. 2022;44(4):22-25. https://doi.org/10.1007/s44190-022-0632-3
5 Grimm, L., Schiffner, U. Mundgesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung von Eltern und die Zahngesundheit ihrer Kinder. Oralprophylaxe Kinderzahnheilkd 45, 35–42 (2023). https://doi.org/10.1007/s44190-023-0644-