Was versteht man unter dem Begriff „Motivation“ oder genauer unter „Patientenmotivation“? Motivation ist die Gesamtheit aller Motive und Beweggründe, die zu einer Handlungsbereitschaft führen. Um einen Patienten erfolgreich zu motivieren, ist es von elementarer Bedeutung, die individuellen Wünsche des Patienten zu erfragen, um gezielt in der Motivation Einfluss nehmen zu können.
Gerade in der Patientenkommunikation entstehen in der Praxis leider immer wieder Missverständnisse zwischen Behandler und Patient, was zur Folge hat, dass der Patient die Empfehlungen des Praxispersonals nicht korrekt umsetzen kann oder die Motivation nicht den gewünschten Effekt erzielt. Dies führt nicht nur zu Frust auf Seiten des Behandlers, sondern auch zu keinen klinisch befriedigenden Ergebnissen wie zum Beispiel eine Verbesserung der Mundhygiene.
Individuelle Mundhygieneberatung und Aufklärung des Patienten
Schon die Prophylaxe-Pioniere Axelsson und Lindhe legten in den 70er-Jahren in ihrem Prophylaxekonzept großen Wert auf eine individuelle Mundhygieneberatung und Aufklärung des Patienten. Denn nur, wenn ein Patient auch zu Hause seine Zahnpflege optimal durchführt, kann das Risiko für biofilminduzierte Zahnerkrankungen wie Karies und Parodontitis gesenkt werden.
Im „Team Journal – Präventionsmedizin und Oralprophylaxe“ wird das Fachwissen vermittelt, das ZMP, DH, Zahnärztinnen und -ärzte und alle Fortbildungswilligen für einen erfolgreichen Arbeitsalltag brauchen. Besonders hervorzuheben ist der Fokus auf die Präventionsmedizin in der Rubrik „Interdisziplinär“, die den Patienten als Ganzes betrachtet. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Auch die 5. Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) verzeichnet beim Mundgesundheitsverhalten einen positiven Trend. Demnach kennt jeder dritte Erwachsene (31 Prozent) die Empfehlungen zur Mundpflege und gibt ein gutes Zahnputzverhalten an.
Anfärben des Biofilms
Nun läuft das Zähneputzen allerdings bei den meisten Erwachsenen völlig automatisch und nach reiner Gewohnheit ab. Die jeweilige Putztechnik etabliert sich bereits in der Kindheit und im Jugendalter und ist normalerweise schwer zu verändern. Ein häufiger Schwachpunkt ist – neben einer unzureichenden Zahnzwischenraumreinigung – die fehlende Putzsystematik, bei der schwer erreichbare Stellen nur unzulänglich gereinigt werden. Um ein besseres Mundbewusstsein zu erreichen, sollten den Patienten genau diese individuellen Schwachstellen aufgezeigt werden.
In der Prophylaxesitzung steht uns eine Reihe von Möglichkeiten und Equipments zur Patientenmotivation zur Verfügung. Das eindrucksvollste Mittel ist hier, die Zähne anzufärben und den Biofilm für Patient und den Behandler sichtbar zu machen. Die bildliche Darstellung des Biofilmes verhilft vielen Patienten zur Einsicht und liefert einen neuen Anreiz zur Verbesserung der Mundhygiene (Abb. 1).
Sichtbarer Biofilm motiviert Patienten
Durch Anfärbemittel kann sowohl junger als auch reifer Biofilm auf der Zahnoberfläche dargestellt und differenziert werden und der Patient dementsprechend motiviert werden. Für den Alltag in der Praxis haben sich vor allem praktisch vorgetränkte Pellets („Biofilm discloser“) bewährt, da sie sparsam im Verbrauch und einfach zu dosieren sind.
Das Sichtbarmachen des Biofilmes eignet sich nicht nur zur Patientenmotivation, sondern vor allem auch zur eigenen Qualitätskontrolle nach der professionellen Zahnreinigung für den Behandler selbst. Dies sichert ein optimales Behandlungsergebnis (Abb. 2).
Prophylaxekonzept
Die „Guided biofilm therapy“ (GBT) ist ein systematisches, bedarfsorientiertes und minimalinvasives Prophylaxekonzept, das neben einem effektiven Biofilmmangement auch einen hohen Patienten- und Behandlerkomfort bietet. In acht aufeinanderfolgenden Schritten werden die Patienten durch die Prophylaxesitzung geführt. Im bisherigen Praxisalltag fehlte leider oft die Zeit für eine ausführliche Befundung sowie eine Mundhygieneberatung und Motivation des Patienten.
Bei der GBT wird durch das Anfärben des Biofilmes klar unterschieden, welche Stellen in der Mundhöhle die Aufmerksamkeit des Behandlers benötigen und wo Arbeitsaufwand gespart und Zahnhartsubstanz geschont werden kann. Durch diese Zeitersparnis während der Behandlung kann nun Zeit für eine ausreichende Mundhygieneinstruktion und Patientenmotivation geschaffen werden. Durch das Anfärben profitieren also nicht nur die Patienten, sondern auch die Qualität der professionellen Zahnreinigung verbessert sich durch die Möglichkeit der Selbstkontrolle.
Patientenkommunikation
Bei der Kommunikation mit dem Patienten ist hier besonders Empathie gefragt. Einige Erwachsene verbinden das Anfärben der Zähne noch mit ihrer Kindheit und haben demensprechend belehrende und zurechtweisende Erfahrungen gemacht. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier die Kommunikation. Versteht der Patient, dass das Anfärben auch als Hilfestellung und Qualitätskontrolle für den Behandler dient und ein perfektes Endergebnis nach der Zahnreinigung sichert, sind meist alle Zweifel beseitigt.
Zusätzlich kann motivierende Gesprächsführung („Motivational interviewing“, MI) dabei helfen, nach dem Anfärben des Biofilmes an eine Mundhygieneinstruktion anzuknüpfen. Beim MI nach William Miller und Stephen Rollnick spielt aktives Zuhören, Wertschätzung und Akzeptanz in der Kommunikation mit dem Patienten eine große Rolle. Hierbei werden Verhaltensänderungen des Patienten durch bedingungslose Akzeptanz und Empathie hervorgerufen. Bedenkt und beachtet man all diese Punkte, steht einer erfolgreichen Motivation des Patienten hin zu einer oralen Gesundheit nichts im Wege.
Ein Beitrag von Luisa Winkler, Radolfzell, aus dem Quintessenz Team Journal 4/2021