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RA Dr. Karl-Heinz Schnieder mit einer Bewertung des aktuellen BGH-Urteils zur Honorarzahlungspflicht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat also schon wieder die Rechte von Patienten gegenüber Zahnärzten gestärkt. So ging es jedenfalls in der vergangenen Woche unter Berufung auf das aktuellste Urteil des BGH vom 13. September 2018 zur Honorarzahlungspflicht einer Patientin (Az.: III ZR 294/16) durch die Liveticker der gängigen Nachrichtenkanäle. „Kein Honorar bei Zahnarztpfusch“ (Tagesschau) oder „Patientin muss missratene Zahnarzt-Behandlung nicht bezahlen“ (Spiegel online) heißt es dort auszugsweise.

Diese Schlagzeilen verwundern: Ist es tatsächlich etwas Neues, dass zahnärztlichen Fehlleistungen ihre Honorarberechtigung abgesprochen wird? Die Antwort: Mitnichten! Zwar sind die offiziellen Gründe der BGH-Entscheidung noch nicht veröffentlicht, der wesentliche Inhalt des Urteils ergibt sich aber aus der vorab geschalteten Pressemitteilung (Nr. 151/2018).

Die Ausgangssituation

Ein Zahnarzt hatte bei der beklagten Patientin acht Implantate eingesetzt. Die vorgesehene prothetische Versorgung der Implantate unterblieb jedoch, weil die Patientin die Behandlung vorher abgebrochen hatte. Für die Eingliederung der Implantate in den Knochen berechnete der Zahnarzt sodann 34.277,10 Euro. Die Patientin allerdings machte geltend, dass jedes einzelne der eingesetzten Implantate unbrauchbar sei, weil sie nicht tief genug in den Kieferknochen eingebracht und darüber hinaus auch falsch positioniert seien. Sie verweigerte deshalb die Zahlung, sodass es zur Honorarklage kam.

Wahl zwischen „Pest und Cholera“

Im gerichtlichen Verfahren der Vorinstanzen wurde dieser Einwand gutachterlich bestätigt: Zur Fortführung der Behandlung habe man nur noch zwischen „Pest und Cholera“ wählen können. Einerseits sei es denkbar gewesen, die irreversibel falsch positionierten Implantate an Ort und Stelle zu belassen, was aber das Risiko einer Periimplantitis mit sich gebracht hätte. Bei einer Entfernung der Implantate andererseits habe dagegen die Gefahr bestanden, den Kieferknochen nachhaltig zu schädigen und ihn so für eine neue Implantatversorgung unbrauchbar zu machen.

Das Landgericht Verden hatte die Honorarklage zunächst abgewiesen. In der Berufung hatte das Oberlandesgericht Celle die Patientin dagegen zur Zahlung von immerhin 16.957,11 Euro verurteilt. Der BGH hingegen hob die Berufungsentscheidung des OLG Celle wieder auf.

Hintergründe der BGH-Entscheidung

Über die Entscheidung des BGH wurde selbst außerhalb der fachlichen Presse recht viel berichtet. Wie bereits angedeutet, ist das allerdings durchaus überraschend. Das Urteil hält nämlich nicht etwa bahnbrechende Neuerungen bereit, sondern zeigt allein das bereits bekannte Schicksal des zahnärztlichen Honoraranspruchs bei einem Abbruch der Behandlung durch den Patienten auf.

Dabei stellt der BGH zuerst nochmals klar, dass ein Zahnarztvertrag von einer Patientin aufgrund der besonderen Vertrauensbeziehung jederzeit gekündigt werden kann. Diese weitreichende Kündigungsmöglichkeit korrespondiert mit dem Recht auf freie Zahnarztwahl und kann etwa schon durch das Aufsuchen eines anderen Zahnarztes zur Übernahme der Weiterbehandlung konkludent ausgeübt werden.

Kündigung und Vergütungsanspruch

Im Falle der Kündigung steht dem Zahnarzt natürlich im Grundsatz trotzdem ein Vergütungsanspruch zu. Dieser ist auf das Honorar für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen gerichtet. Genau darauf – nämlich auf die Vergütung für die bereits eingebrachten Implantate – zielte auch die Klage in dem vom BGH beurteilten Verfahren ab.

Eine gesetzliche Ausnahme von dieser Teilvergütungspflicht ist aber dann vorgesehen, wenn der Zahnarzt die Kündigung durch eigenes vertragswidriges Verhalten veranlasst und die Patientin kein Interesse an den bisherigen Leistungen hat. Das wiederum ist anzunehmen, wenn der Patient die Leistungen wirtschaftlich nicht verwerten kann.

Patientin konnte Leistung „wirtschaftlich nicht verwerten“

Gerade so lag der Sachverhalt im vorliegenden Fall: Nach den Feststellungen des Gutachters konnte ein Nachbehandler aus der vom ersten Zahnarzt geschaffenen Situation nur noch „Pest oder Cholera“ machen. Beide in Betracht kommenden Behandlungsalternativen bereicherten die Patientin also nicht im Geringsten. Es gab nicht etwa eine Basis, an die für die weiterführenden Behandlungen hätte angeknüpft werden können.

Im Gegenteil: Da sogar Folgekomplikationen befürchtet werden mussten, ging der Wert der Behandlung für die Patientin wohl gar in den Negativbereich. Unter diesen Umständen blieb dem BGH gar keine andere Wahl, als jegliches Interesse der Patientin an der bisherigen Versorgung zu verneinen. Eben dies hatte übrigens das OLG Celle in der Vorinstanz verkannt.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil stellt nicht etwa eine neue „Wegweiser-Entscheidung“ dar, die das zahnärztliche Haftungsrecht neu ordnen würde. Vielmehr hat der BGH schlicht und ergreifend geltendes Recht auf den spezifischen, ihm vorliegenden Sachverhalt angewendet. Entscheidende Bedeutung war dabei der tatsächlichen Feststellung des Gutachters beizumessen, dass die Vorleistungen des Implantologen für den Patienten vollkommen nutzlos waren. Wäre diese Bewertung anders ausgefallen – zum Beispiel, wenn ein Nachbehandler die falsch positionierten Implantate hätte korrigieren können – wäre die Entscheidung sicherlich anders ausgefallen. Von einer – wenn auch eingeschränkten – Verwertungsmöglichkeit der Leistungen des Implantologen war ja auch das OLG Celle ausgegangen.

Für alle zahnärztlichen Leistungen gültig

Dass der Entscheidung allgemeine gesetzliche Regelungen zugrunde liegen, verdeutlicht aber auch, dass die Aussagen des Urteils nicht nur im implantologischen Umfeld Geltung haben. Allgemein zahnärztliche Leistungen werden nach denselben Maßstäben zu beurteilen sein; ebenso wie kieferorthopädische, chirurgische oder andere prothetische Behandlungen.

Alter Hut in neuer Verpackung

In der Regel bietet es sich am Ende von Rechtsartikeln an, eine kurze Handlungs-empfehlung zu geben. Diese wäre in Anbetracht des Urteilsinhalts jedoch banal und geradezu anmaßend: „Das Urteil zeigt, dass (grobe) Behandlungsfehler von den Gerichten nicht gern gesehen werden und zum Verlust des Vergütungsanspruchs führen können. Behandeln Sie Ihre Patienten also am besten immer fehlerfrei!“

Stattdessen soll die Empfehlung an dieser Stelle lauten: Lassen Sie sich nicht von jeder Meldung zur „Stärkung von Patientenrechten“ irritieren. Manchmal – wie in diesem Fall – steckt dahinter nur ein alter Hut in neuer Verpackung.

Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz Schnieder, Fachanwalt für Medizinrecht, Münster

Dr. Karl-Heinz Schnieder ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Mediator (cfm). Nach seinen Studium war er zwei Jahre als Referatsleiter Recht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe tätig, seit 1994 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.
Schnieder ist Geschäftsführender Partner der Rechtsanwaltskanzlei „kwm, kanzlei für wirtschaft und medizin“ mit Standorten in Münster, Berlin, Hamburg, Hannover, Bielefeld, Essen. Er ist Lehrbeauftragter der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der privaten Hochschule für Logistik und Wirtschaft, SRH Hamm. Schnieder ist auch als Autor und Referent tätig mit zahlreichen Publikationen zum Arzt-, Zahnarzt- und Tierarztrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein; der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen.
Neben seiner juristischen Tätigkeit ist er auch Initiator und Gründer der Gesundheitsregion-Stadt e.V., medizinische Netzwerke in Deutschland mit zurzeit zehn Gesundheitsregionen in Deutschland www.gesundheitsregion-deutschland.de. Kontakt zum Autor unter schnieder@kwm-rechtsanwaelte.de.
Foto: kwm


Titelbild: Valeriy n Evlak/Shutterstock.com
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