Mit dem neuen Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) wurde die Möglichkeit geschaffen, die berufliche Handlungsfähigkeit von Beschäftigten ohne abgeschlossene beziehungsweise Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger offiziell anzuerkennen. Mit entsprechender Berufserfahrung können diese Personen die Feststellung von berufsrelevanten Kompetenzen, die außerhalb des formalen Bildungssystems erworben wurden, beantragen.
Zeitnah klaren Standard und einheitlichen Rahmen schaffen
Zum Stand der Umsetzung bei Medizinischen (MFA), Tiermedizinischen (TFA) und Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) stellt Patricia Ley, Vizepräsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V. (vmf) fest: „Unser Verband setzt sich aktiv dafür ein, ein bundesweit anerkanntes und verlässliches Verfahren zur Feststellung der beruflichen Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Es ist von zentraler Bedeutung, dass zeitnah ein klarer Standard und einheitlicher Rahmen für dieses Feststellungsverfahren geschaffen wird, um zukunftsorientiert sowohl die Patientensicherheit als auch die Qualität unserer Fachberufe zu gewährleisten. Die ausstehende Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) bezüglich der Feststellungsinstrumente und des Feststellungsverfahrens muss dringend erfolgen, um eine klare Orientierung für alle Beteiligten zu schaffen. Auf diese Empfehlung zu warten, wäre jedoch fatal, da hier wertvolle Zeit ungenutzt verstreicht. Die Empfehlung des Hauptausschusses sollte als Ergänzung, Bestätigung und Überprüfungsmöglichkeit gesehen werden.“
Geeignetes Feststellungsverfahren auf Bundesebene entwickeln
Auf Bundesebene müsse ein geeignetes Feststellungsverfahren entwickelt werden, um die notwendige Vergleichbarkeit zwischen den Landeskammern sicherzustellen. Ley erklärt dazu: „Dies ist erforderlich, um ein Verfahren zu etablieren, das den Arbeitgebern Sicherheit bietet. Es muss gewährleistet sein, dass Personen nur dann eine Bescheinigung respektive Urkunde der teilweisen beziehungsweise vollständigen Vergleichbarkeit erhalten, wenn sie einem umfangreichen Prüfverfahren unterzogen wurden, das die berufliche Handlungsfähigkeit mit der gleichen Sorgfalt überprüft wie bei den regulären Abschlussprüfungen der dualen Ausbildung. Ein solches Verfahren ist nicht nur im Interesse der Arbeitgeber, sondern auch im Sinne der Patientensicherheit, da es sicherstellt, dass das Patientenwohl stets oberste Priorität hat. Davon abgesehen trägt es dazu bei, das in Deutschland über fast 100 Jahre bestehende, erfolgreiche – und seit 1969 gesetzlich geregelte – duale System der Berufsbildung in seiner Bundeseinheitlichkeit und zur Sicherung der sehr gut qualifizierten Fachkräfte zu erhalten.“
Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) berücksichtigen
Bei der Erstellung der Feststellungsinstrumente fordert der vmf zudem die Berücksichtigung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR). Der DQR dient als wichtiger Maßstab zur Einordnung der Qualifikationen im deutschen Bildungssystem und fördert die Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen auf europäischer Ebene. „Alle dualen Ausbildungsberufe, die dem Berufsbildungsgesetz unterliegen, sind bereits in den DQR integriert und auf Stufe 4 verortet – eine Einstufung, die auch für unsere medizinischen Fachberufe von entscheidender Bedeutung ist. Daher muss das Feststellungsverfahren so gestaltet werden, dass der Qualitätsstandard nicht nur in Deutschland gewahrt bleibt, sondern auch im internationalen Vergleich anerkannt wird“, ergänzt Ley.
Gemeinsame Ausschüsse gefordert
Als Berufsverband der MFA, TFA und ZFA sowie der angestellten Zahntechnikerinnen und Zahntechniker fordert der vmf als zweiten entscheidenden Schritt parallel hierzu auf, dass die Bundeszahnärztekammer, die Bundesärztekammer beziehungsweise die Bundestierärztekammer Ausschüsse mit den jeweiligen Fachverbänden, Gewerkschaften sowie selbstständigen Vereinigungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit sozialpolitischer Zwecksetzung schaffen.
Dieser Ausschuss soll einen ressourcenschonenden, bundeseinheitlichen und qualitativ hochwertigen Standard für das Feststellungsverfahren entwickeln, um die Anerkennung dieser Fachberufe auf europäischer Ebene zu sichern, die Patientensicherheit zu garantieren und den Arbeitgebern die Sicherheit zu bieten, qualifizierte Kräfte einstellen zu können.
„Objektivität, Reliabilität und Validität von zentraler Bedeutung“
Bei der Festlegung der Feststellungsinstrumente sieht der vmf die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität von zentraler Bedeutung, da sie die Qualität und Genauigkeit der Beurteilung der individuellen Handlungsfähigkeit sicherstellen:
1. Objektivität (Unabhängigkeit): Eine hohe Objektivität wird erreicht, wenn die Messung möglichst unabhängig von der Person des Prüfers ist. Intersubjektive Einflüsse sollten so gering wie möglich gehalten werden, sodass der Sachverhalt für alle Betrachter gleich erkennbar und nachvollziehbar ist. Es ist jedoch zu beachten, dass eine absolute Unabhängigkeit des Prüfers nicht vollständig möglich ist.
2. Reliabilität (Messgenauigkeit): Die Reliabilität beschreibt die Genauigkeit einer Messung. Eine Messung ist umso reliabler, je genauer sie das zu messende Merkmal erfasst. Messfehler, die durch unpassende Feststellungsinstrumente oder externe Faktoren, wie Prüfungszeit, -ablauf, -atmosphäre oder das Belastungsniveau der getesteten Person entstehen, können die Reliabilität negativ beeinflussen und zu verfälschten Ergebnissen führen.
3. Validität (Gültigkeit): Die Validität ist das wichtigste Kriterium für eine Leistungsmessung, da sie angibt, ob das Verfahren tatsächlich das misst, was es messen soll. Nur wenn eine Messung valide ist, kann sie als Grundlage für die richtige Einschätzung von Fähigkeiten oder Leistungen dienen.
„Diese Gütekriterien sind unerlässlich, um die Verlässlichkeit und Fairness des Feststellungsverfahrens zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Ergebnisse tatsächlich die intendierten Merkmale erfassen“, fügt Ley hinzu und betont: „Es ist jetzt an der Zeit, den notwendigen Rahmen für die Feststellung der beruflichen Handlungsfähigkeit zu schaffen und sicherzustellen, dass unsere Fachberufe im internationalen Kontext weiterhin höchste Anerkennung finden.“