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Krankenhausreform und GVSG im Bundestag – Unionsfraktion legt eigenen Antrag vor

(c) BMG/Jan Pauls

Gleich zwei „bahnbrechende“ Reformgesetze habe er jetzt auf den Weg gebracht, erklärte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach am 27. und 28. Juni 2024 im Deutschen Bundestag. Am Donnerstag stand die umstrittene Krankenhausreform im „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ (KHVVG) auf der Tagesordnung, am Freitag das „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“ (GVSG).

Während die Notwendigkeit einer Krankenhausreform bei den meisten Parteien ebenso gesehen wird – nicht zuletzt, weil die Ausgaben für die Krankenhäuser in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 2024 erstmals die Schwelle von 100 Milliarden Euro überschreiten werden –, der Weg dahin allerdings sehr unterschiedlich bewertet wird, wurde das GVSG von der Unionsfraktion direkt als leere Gesetzeshülle bezeichnet.

Länder geschlossen gegen Lauterbachs Entwurf

Lauterbach hatte in der Krankenhausreformdiskussion nach anfänglichen Verhandlungen mit den für die Strukturen und Investitionen zuständigen Ländern den Weg an den Bundesländern und dem Bundesrat vorbei genommen. Den 16 Bundesländern, die sich in der Gesundheitsministerkonferenz geschlossen gegen das Gesetz ausgesprochen haben, ist er bis auf Ankündigungen kaum entgegengekommen. Die GMK-Vorsitzende, die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken bekräftigte nach Teilnahme an der 1. Lesung die Position der Länder zum Reformvorhaben. Nordrhein-Westfalen hat im Juni begonnen, seine bereits lange vorbereitete Krankenhausreform, die ursprünglich als Blaupause für Lauterbachs Reform dienen sollte, mit der 2. Phase schon umzusetzen.

„Ich weiß, dass die Reform eine schwierige Reform ist; ich weiß, dass die Reform umstritten ist; ich weiß, dass wir mit den Ländern hier noch einen langen Weg vor uns haben“, erklärte Lauterbach in seiner Rede in der 1. Lesung des KHVVG. Er kritisierte die durch die Fallpauschalen getriggerte starke Ökonomisierung der Kliniken hinsichtlich der bevorzugt erbrachten Leistungen, das System habe falsche Anreize gesetzt. Außerdem würden zu viele Leistungen teuer in Kliniken erbracht, die eigentlich ambulant erfolgen könnten.

Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen

Was das Gesetz enthält: Die Kliniken sollen künftig Vorhaltepauschalen erhalten, die 60 Prozent der Betriebskosten decken. Zudem sollen nicht mehr alle Kliniken alle Leistungen erbringen dürfen. „Die Krankenhäuser erhalten die Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, die ihnen von der Planungsbehörde der jeweiligen Länder zugewiesen werden. Die insgesamt 65 Leistungsgruppen sind mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft. So soll sichergestellt werden, dass Krankenhäuser ein bestimmtes Maß an technischer Ausstattung, qualifiziertes Personal und die erforderlichen Fachdisziplinen aufweisen. Die Medizinischen Dienste sollen regelmäßig prüfen, ob Krankenhäuser die erforderlichen Qualitätskriterien für die Leistungsgruppen einhalten.
Festgelegt werden sollen die Leistungsgruppen und Qualitätskriterien durch eine zustimmungsbedürftige Rechtsverordnung. Die notwendige elektronische Datenübermittlung soll über digitale Informationsportale ermöglicht werden. Das soll zu mehr Effizienz und weniger Bürokratie beitragen. Um strukturschwache Regionen zu unterstützen, ist der Ausbau der sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung vorgesehen. Die Länder erhalten die Möglichkeit, sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen zu bestimmen mit stationären und erweiterten ambulanten Leistungen“, heißt es auf der Internetseite des Deutschen Bundestags zur 1. Lesung.

Während Politiker von SPD, Grünen und FDP die Reform verteidigten, kritisierten Politiker der Oppositionsparteien vor allem die unausgewogenen Vorgaben, das Ignorieren der Bedingungen in den Ländern, das Gefährden der Versorgung in ländlichen Regionen, das Aushebeln der Länderhoheit und die hohen Kosten, die mit der Reform erwartet werden.

„Unser zentrales Gesetz“

Auch beim GVSG betonte Lauterbach, die Reformen seien „bedeutsam“, es seien in der Vergangenheit viel zu wenig Mediziner ausgebildet worden und es fehlten Hausärzte. Das Gesundheitswesen müsse effizienter werden, so der Minister. „ Das Gesetz, das wir heute einbringen, ist unser zentrales Gesetz, um die ambulante Versorgung zu verbessern. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz zielt darauf ab, dass wir insbesondere den erheblichen Mangel bei der hausärztlichen Versorgung, der auf uns zukommt, in den Griff bekommen. Wir haben zu wenige Hausärzte, sie sind schlecht verteilt, und es kommt ein großer Bedarf auf uns zu. Daher machen wir grundsätzliche Reformen, die sehr bedeutsam sind.“

Kern des Gesetzes ist die Entbudgetierung bei den Hausärzten und ein deutliches Reduzieren der Regressforderungen bei verordneten Medikamenten. Außerdem soll der Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung deutlich verbessert werden. Alle im Vorfeld vom Minister angekündigten weiteren Inhalte wie die Primärversorgungszentren und die Gesundheitskioske, die in ersten Referentenentwürfen noch enthalten waren, fehlen in dem vom Bundeskabinett beschlossenen und jetzt eingebrachten Gesetzentwurf. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Tino Sorge (MdB, CDU), sprach in seiner Replik daher von einem „total entkernten“ Gesetzentwurf. Nach wie vor warte man auf die dringend nötigen Vorschläge zur GKV-Finanzierung und zur GKV-Reform. Wenn man die Hausärzte entbudgetiere, warum dann die Fachärzte nicht auch, und warum werde die Retaxation für die Apotheken nicht ebenfalls reformiert?

Unionsfraktion legt eigenen Antrag vor

Die Unionsfraktion legte einen eigenen Antrag mit dem Titel „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum stärken“ (20/11955) , der in 1. Lesung mit dem GVSG behandelt wurde. Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag eine Stärkung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Die Gewährleistung der medizinischen Versorgungssicherheit auf dem Land stelle in Folge des Strukturwandels ein großes Problem dar, heißt es in der Vorlage. Dies führe zu gegensätzlichen Verhältnissen zwischen der städtischen und ländlichen Versorgung. Der Ärztemangel treffe gerade in ländlichen Gebieten besonders viele ältere und hochbetagte Bürger, für die der weite Weg zu den verbleibenden Arztpraxen und Krankenhäusern eine enorme Belastung darstelle. Es sei unerlässlich, dieser ungünstigen Kombination von Strukturwandel, einer älter werdenden Gesamtbevölkerung und mangelnden Fachkräften entgegenzutreten. Die bestehenden Strukturen müssten daher weiterentwickelt werden. Der Forderungskatalog der Fraktion umfasst 25 Punkte. Die Abgeordneten fordern unter anderem, die angekündigte Entbudgetierung zügig umzusetzen und mit einem Fokus auf den ländlichen Raum zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um einer Ballung von Haus- und Fachärzten in den Großstädten vorzubeugen. Dabei solle auch geprüft werden, ob eine Entbudgetierung fachärztlicher Leistungen nur in ländlichen Regionen als Anreiz für eine Niederlassung ermöglicht werden könnte.

Bei der Krankenhausstrukturreform müsse die Notfallversorgung mit Blick auf die schnelle Erreichbarkeit von Krankenhäusern zur Erstversorgung stärker in den Blick genommen werden. Die ärztliche Aus- und Weiterbildung sollte auch an kleineren Klinikstandorten im ländlichen Raum sowie in sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen sichergestellt werden. Zudem sollte die Telemedizin als ergänzendes Mittel zur ärztlichen Versorgung nutzerorientiert ausgebaut werden. (Quelle: Bundestag.de)

An die Ausschüsse verwiesen

Beide Gesetzentwürfe wurden jetzt an die Ausschüsse verwiesen, federführend ist für beide Gesetze der Gesundheitsausschuss. Es steht zu erwarten, dass beide Gesetze im parlamentarischen Gang noch deutliche Veränderungen erfahren werden. Für das GVSG hatte Lauterbach schon angekündigt, dass die vielen nicht mehr enthaltenen Komponenten wie die Gesundheitskioske, die Regulierung der Fremdinvestoren etc. über den parlamentarischen Prozess wieder ins Gesetz kommen sollen. Das sei so abgesprochen, hatte er auf der Pressekonferenz zum Kabinettsbeschluss über das GVSG angekündigt. Ob es noch gelingt, eine Entbudgetierung für die Fachärzte und bessere Voraussetzungen für die von der Budgetierung in zahnärztlichen Bereich besonders betroffene Parodontitis-Therapie zu erreichen, bleibt abzuwarten.

Krankenkassen sehen vor allem hohe Kosten ohne echte Reformen

Die Gesetzlichen Krankenkassen sehen in beiden Gesetzentwürfen vor allem hohe finanzielle Belastungen und warnen angesichts der Lauterbach‘schen Gesetzesflut und damit verbunden Ausgaben vor weiteren Kassendefiziten und steigenden Beiträgen für die Versicherten. Der GKV-Spitzenverband hatte bei seinem GKV-Tag zur Krankenhausreform kurz vor der 1. Lesung des Gesetzes die geplante Reform scharf kritisiert und eigene Vorschläge gemacht.

Reference: Politik Nachrichten

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