Es war schon in der Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen von 2023 angekündigt: Die bisherige Telematik-Betreibergesellschaft Gematik soll als Agentur ausgebaut werden und neue Befugnisse bekommen. Gut ein Jahr nach Vorlage der Strategie und nach den ersten beiden Digitalisierungsgesetzen (Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz) ist nun am 10. Mai 2024 Referentenentwurf für ein Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) aus dem Bundesgesundheitsministerium in die Ressortabstimmung gegangen.
Die neue „Digitalagentur Gesundheit“ soll danach mittelfristig auch eigene Komponenten und Dienste auf den Markt bringen dürfen und weitreichende Rechte hinsichtlich der Praxisverwaltungssoftware bekommen. Hier geht es unter anderem um den reibungslosen Wechsel zwischen PVS-Systemen, der vor allem im ärztlichen Bereich noch immer schwierig ist. (Die PVS-Anbieter im Dentalmarkt bieten seit vielen Jahren einheitliche Schnittstellen unter anderem für den Wechsel von einem System zu einem anderen an, sodass dies in der Regel weitgehend problemarm möglich ist.) Die Gematik soll hier auch qualitative und quantitative Anforderungen definieren und Zertifizierungen vornehmen dürfen.
Federführend bei der ePA
Das Thema „elektronische Patientenakte“ soll ebenfalls von der neuen Gematik federführend verantwortet werden. „Zudem soll die Gematik die kontinuierliche konzeptionelle Weiterentwicklung der ePA hin zu einem persönlichen Gesundheitsdatenraum, der eine datenschutzkonforme und sichere Verarbeitung strukturierter Gesundheitsdaten ermöglicht, durchführen. Dazu soll sie dem BMG bis zum 1. Juli 2026 ein Umsetzungskonzept vorlegen“, berichtet das Deutsche Ärzteblatt zu dem ihm vorliegenden Entwurf des Gesetzes.
Mehr Rechte bei Störungen der TI
Die Gematik soll künftig als „Gematik– Digitalagentur Gesundheit“ auch hoheitlich handeln, rechtsverbindliche Bescheide ausstellen und Reparaturen an der Telematikinfrastruktur anordnen können: „Die Digitalagentur Gesundheit ist befugt, im Rahmen der Behebung von aufgetretenen Funktionsstörungen in Anwendungen der Telematikinfrastruktur […] von den verantwortlichen Anbietern […] und den Herstellern der informationstechnischen Systeme, die für die Nutzung der Anwendungen der Telematikinfrastruktur notwendig sind, Auskunft zu den Ursachen der Störung und zu den Maßnahmen zur Störungsbeseitigung zu verlangen. Soweit die Störungsbeseitigung durch die Anbieter und Hersteller […] nicht unverzüglich erfolgt, kann die Digitalagentur Gesundheit diese zur Ergreifung von erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Störung anweisen oder eigene Maßnahmen ergreifen“, heißt es im Referentenentwurf. Die Kosten dafür sollen dann Anbieter und Hersteller ersetzen.
Gematik soll selbst Anbieter werden
Zudem soll die Gematik nicht mehr nur die Vorgaben und Anforderungen an TI-Anwendungen etc. für Anbieter bereitstellen, sie soll auch selbst entwickeln und anbieten können. „Komponenten und Dienste, die zentral und nur einmalig vorhanden sein können, können in der Verantwortung der Digitalagentur entwickelt werden“, heißt es und sie soll Produkte „in einem kontrollierten Marktmodell über Ausschreibungsverfahren“ selbst beschaffen und bereitstellen können. Ob diese Rolle auf Gegenliebe vor allem der FDP stoßen wird, sei fraglich, kommentierte dies die FAZ in ihrem Bericht dazu.
Die Agentur soll auch die Anforderungen an die Primärsysteme der PVS und der klinischen Informationssysteme festlegen und zum Beispiel vorschreiben, wie lange die Befüllung einer ePA dauern darf. Das Ministerium hat das Gesetz dem Bericht zufolge so aufgebaut, dass es der Agentur jederzeit zusätzliche Befugnisse über eine neue Verordnungsermächtigung zubilligen kann.
KBV sieht gute Ansätze
Im Ärztenachrichtendienst (änd.de) wird Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der KBV, zitiert: „Wir begrüßen es, dass die Digitalagentur in die Lage versetzt werden soll, Maßnahmen umzusetzen mit dem Ziel, die Stabilität der Telematikinfrastruktur zu erhöhen. Das ist dringend notwendig, da es immer noch viel zu viele Ausfälle und Störungen zu verzeichnen gibt. Außerdem soll die Digitalagentur künftig auch qualitative und quantitative Anforderungen an die Praxisverwaltungssoftware definieren. Das fordern wir bereits seit längerem und ist nun im Entwurf aufgegriffen worden."
Rolle der Selbstverwaltung in der neuen Gematik ist offen
„Kritisch hinterfragt werden muss aber, welche Rolle die ärztliche und psychotherapeutische Selbstverwaltung spielen wird. Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen wissen am besten, welche Erfordernisse entscheidend sind, damit digitale Prozesse die Arbeit in den Praxen wirklich erleichtern“, zitiert der Änd das KBV-Vorstandsmitglied. Aktuell sind das BMG mit 51 Prozent und die Organisationen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen als Gesellschafter der Gematik aktiv. De facto bestimmt damit seit einer Gesetzesänderung 2019 unter dem vorherigen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das BMG mit seiner Mehrheit weitgehend das Vorgehen.