Die Videoplattform Youtube hat Anfang Juni ohne Vorwarnung den Kanal von „Ich weiss was ich tu (IWWIT)“ gelöscht. Der Rauswurf der Präventionskampagne der Deutschen Aidshilfe (DAH) für schwule Männer und andere queere Menschen erfolgte pünktlich zum Beginn des Pride Months Juni – der Hochsaison für Prävention und Zeit der Demonstrationen gegen Ausgrenzung, für queere Sichtbarkeit.
Social-Media-Konzern löscht staatlich finanzierte Präventionskampagne
„Die Löschung unseres Kanals zu Beginn der CSD-Saison ist ein Schlag ins Gesicht der queeren Community. Youtube schadet damit der Gesundheit vieler Menschen. Aufklärung über HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen lebt davon, dass wir in der Öffentlichkeit offen und wertschätzend über Sexualität sprechen können“, sagt Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe.
YouTube begründet den Schritt in einer Standardmail mit Verstößen gegen die YouTube-Richtlinien zu „Sex und Nacktheit“. Doch weder gab es vorher Beanstandungen einzelner Inhalte, noch eine Vorwarnung. Im Kanal waren keinerlei pornografische oder sonstwie anstößige Inhalte zu sehen. Wo von Sexualität die Rede und nackte Haut zu sehen war, diente dies dem Zweck der Prävention – auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen.
Die Inhalte der Präventionskampagne werden in der Regie der Deutschen Aidshilfe von schwulen Männern und anderen queeren Menschen selbst produziert. Die Kampagne wird über das Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) gefördert und mit diesem fachlich abgestimmt.
Trauriger Höhepunkt der Sexualfeindlichkeit
Die Löschung des YouTube-Kanals von „Ich weiss was ich tu“ ist ein trauriger Höhepunkt einer sexualfeindlichen Politik der großen Social-Media-Konzerne aus den USA. Was mit Sex zu tun hat, wird gnadenlos geblockt und gelöscht. Organisationen, die über Sexualität aufklären, sind schon lange gezwungen, ihre Inhalte zu chiffrieren, etwa durch kreative Schreibweisen oder mehrdeutige Emoticons. „Unter diesen Bedingungen ist es fast unmöglich, lebensnahe Prävention zu machen. In unserer Arbeit greifen wir die Realität unserer Zielgruppen auf, sprechen klar und deutlich über Sex, Schutzstrategien und Gesundheit und ermutigen zu einem selbstbewussten Umgang mit der eigenen Sexualität. Dabei stoßen wir ständig an die Grenzen von Google, Meta und Co. Es kann nicht sein, dass gesundheitliche Aufklärung in Deutschland von den moralischen Vorstellungen US-amerikanischer Konzerne abhängt“, erklärt DAH-Vorstand Winfried Holz.
„Es kann nicht sein, dass gesundheitliche Aufklärung in Deutschland von den moralischen Vorstellungen US-amerikanischer Konzerne abhängt.“
DAH-Vorstand Winfried Holz
Hass ist ok, Sexualität gefährlich
Während Inhalte zum Thema Sexualität schnell zensiert werden, bleiben diskriminierende Äußerungen, etwa gegen queere Menschen, oft stehen. Menschenfeindlichkeit wird geduldet und mit Meinungsfreiheit begründet. Verschärft hat sich dieses Problem seit Beginn der zweiten Amtszeit Donald Trumps. So hat etwa Meta Moderationsregeln zum Schutz vor Minderheitenfeindlichkeit stark gelockert.
„In der Summe wird die fatale Botschaft vermittelt: Hass ist okay, Sexualität ein No-Go. In einer offenen, demokratischen Gesellschaft müsste es umgekehrt sein. Hier ist die Politik gefragt: Wir brauchen klare Gesetze, die freie Rede ermöglichen, ihr aber genau dann Grenzen setzen, wenn das Wohl anderer Menschen gefährdet ist“, so Holz.
Offener Brief an Youtube
Die Deutsche Aidshilfe hat Youtube am 17. Juni einen offenen Brief geschrieben. Darin heißt es, dass zahlreiche weitere Organisationen und Projekte, die sich der sexualmedizinischen und queeren Aufklärungsarbeit widmen, von ähnlichen Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung ihrer Inhalte auf YouTube berichten. Viele sehen sich gezwungen, Inhalte nur verschlüsselt darzustellen oder ganz auf wichtige Aufklärung zu verzichten, um Sperrungen zu vermeiden. Diese Entwicklung gefährde nicht nur die Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen, sie erschwere auch den Zugang zu lebenswichtigen Informationen. Und sie sendet ein Signal, das aus Sicht der Prävention fatal ist: Sexualität sei nicht okay, sondern gehöre tabuisiert und verbannt.
Die Deutsche Aidshilfe fordert Youtube im Brief auf, den Kanal umgehend wiederherzustellen. Beanstandungen müssen transparent, offen und begründet erfolgen – nicht pauschal und ohne Möglichkeit, Stellung zu beziehen.