Lebensmittel, Kosmetika, Zahncremes und Sonnencremes sowie unbeschichtete Menüschalen und Alufolie – sie allen können Aluminium enthalten. Und Teile der Bevölkerung in Deutschland können aus verschiedenen Quellen gesundheitlich bedenkliche Aluminiummengen aufnehmen. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die erstmals die gesamte Aluminiumaufnahme der Bevölkerung über den Mund oder die Haut über die verschiedenen Aluminiumquellen gesundheitlich bewertet hat.
Die Studie wurde jetzt im wissenschaftlichen Journal „Archives of Toxicology“ veröffentlicht. Aufnahmequellen sind unter anderem Lebensmittel, Kosmetika wie Antitranspirantien, aluminiumhaltige Zahncremes und Sonnencremes sowie Bedarfsgegenstände wie unbeschichtete Menüschalen und Aluminiumfolie. Die BfR-Studie zeigt, dass gesundheitlich tolerierbare wöchentliche Aufnahmemengen in allen Altersgruppen deutlich überschritten werden können. Das Institut empfiehlt daher, die Aluminiumaufnahme aus allen vermeidbaren Quellen zu verringern, um ein erhöhtes Gesundheitsrisiko zu vermeiden. „Es bestehen noch wissenschaftliche Unsicherheiten besonders bei der Einschätzung der Langzeitfolgen sowie der tatsächlichen Aufnahmemengen von Aluminium über die Haut“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel.
Bei Körperpflege und Nahrungsmitteln aufmerksamer sein
Wer seine Aluminiumaufnahme reduzieren will, sollte sparsam mit unbeschichteten Lebensmittelkontaktmaterialien, Antitranspirantien und aluminiumhaltigen kosmetischen Produkten umgehen. Von der Zubereitung und Lagerung von insbesondere sauren und salzigen Lebensmitteln aus unbeschichteten Aluminiumbehältnissen oder Alufolie rät das BfR generell ab. Verbraucher können somit ihre Aluminiumaufnahme beeinflussen. Bei Reduzierung der genannten und vermeidbaren Einträge sind für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten, so das BfR.
Stellungnahme und Studie
Das BfR hat eine umfangreiche Stellungnahme erarbeitet, in der alle möglichen Risiken, Quellen und Gesamtaufnahmemengen zusammengestellt sind.
Die komplette Studie ist in den „Archives of Toxicology“ veröffentlicht.
Die BfR-Studie hat die Gesamtaluminiumaufnahme für die verschiedenen Altersgruppen – Säuglinge, Kleinkinder, Kinder Jugendliche, Erwachsene – sowie von Normal- und Vielverzehrern abgeschätzt. Das Institut stützt sich bei der Expositionsschätzung und gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln auf Gehalts- und Verzehrsdaten der deutschen Pilot-Total-Diet-Studie und der Nationalen Verzehrstudie II. Es zeigt sich, dass der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleitete gesundheitliche Richtwert, der einer wöchentlichen duldbaren Aufnahmemenge (TWI) von 1 mg je Kilogramm Körpergewicht entspricht, im Durchschnitt zu ca. 50 Prozent durch Lebensmittel ausgeschöpft wird.
Zur Bewertung der Gesamtbelastung mit Aluminium hat das BfR zudem noch abgeschätzt, wie viel Aluminium die Bevölkerung aus Lebensmittelkontaktmaterialien wie unbeschichteten Aluminiumschalen oder -backblechen, aus Kosmetika wie Lippenstift, Zahnpasta, Antitranspirantien, Sonnenschutzmitteln und aus Impfstoffen und weiteren Medikamenten aufnimmt. Die so berechnete Gesamtaufnahmemenge kann den von der EFSA abgeleiteten TWI für alle Altersgruppen überschreiten.
Die Risikogruppen
Als besondere Risikogruppen für eine hohe Aluminiumexposition bzw. damit verbundene Gesundheitsrisiken hat das BfR identifiziert:
- Säuglinge und Kleinkinder, die mit speziell adaptierter sojabasierter, lactosefreier oder hypoallergen Nahrung gefüttert werden. Das BfR empfiehlt daher, Säuglinge bis zum sechsten Monat ausschließlich zu stillen und anschließend mit normaler Kost zuzufüttern.
- Kinder (zwischen 3 und 10 Jahren), die sich sehr häufig von Lebensmitteln ernähren, die in Gegenständen aus unbeschichtetem Aluminium verpackt, erhitzt oder warmgehalten wurden (Aluminiumfolie, -menüschalen). Sie können gesundheitlich bedenkliche Aluminiumgehalte aufnahmen.
- Jugendliche (11- bis 14-Jährige) und Erwachsene (älter als 14 Jahre), die häufig Antitranspirantien sowie aluminiumhaltige weißende Zahncreme nutzen und sehr häufig Lebensmitteln verzehren, die in Gegenständen aus unbeschichtetem Aluminium verpackt, erhitzt oder warmgehalten wurden (Aluminiumfolie, -menüschalen).
Junge Menschen, besonders Frauen, sollten vorsichtig sein
Da Aluminium sehr lange im Körper gespeichert wird, ist eine hohe Aluminiumexposition insbesondere für junge Menschen kritisch zu sehen. Aluminium ist plazentagängig. Wenn junge Frauen bspw. über Kosmetikprodukte hohe Mengen an Aluminium aufnehmen, könnten bei einer Schwangerschaft die ungeborenen Kinder ebenfalls einer erhöhten Konzentration an Aluminium ausgesetzt sein. Jede Aluminiumaufnahme aus einer vermeidbaren Expositionsquelle über einen längeren Zeitraum sollten insbesondere junge Frauen aus Sicht des BfR daher kritisch abwägen.
Lebensmittel – von Tee bis Getreide
Zu den besonders aluminiumhaltigen Lebensmitteln gehören Tee, Kaffee, Gewürze und kakaohaltige Lebensmittel, wie Schokolade. Doch auch Hülsenfrüchte, Gemüse und Getreide können größere Mengen an Aluminium enthalten. Zusätzlich können Lebensmittel durch den Übergang von Aluminium aus Lebensmittelkontaktmaterialen belastet sein. Das BfR hat in diesem Zusammenhang auf die hohen Aluminiumgehalte in Laugenbrezeln, die auf Alublechen gebacken wurden, oder Apfelsaft, der in unbeschichteten Aluminiumtanks gelagert wurde, hingewiesen.
Zahnpasten mit „Whitening“-Effekt
In Zahnpasten, vor allem solchen mit „Whitening“-Effekt, können laut BfR-Stellungnahme Aluminium-Verbindungen (Aluminiumoxide, Aluminiumhydroxide) als Abrasive verwendet werden. Zudem komme Aluminiumfluorid als Fluoridspender infrage. Daten zur Häufigkeit der Verwendung von Aluminiumfluorid in Zahnpasten liegen dem BfR nicht vor. Im Gruppenmerkblatt Zahnpasta des Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel sind als konkrete Beispiele für Fluoridspender lediglich Monofluorphosphat und Natriumfluorid aufgeführt (IKW, 2016e).
„Die Verwendung von Aluminiumfluorid ist laut Kosmetikverordnung bis zu einer Konzentration von 1.500 ppm (0,15 Prozent bezogen auf den Fluoridanteil) erlaubt. Daten zur Häufigkeit der Verwendung von Aluminiumfluorid in Zahnpasten liegen dem BfR nicht vor. Für die überwiegende Mehrheit der Produkte wird jedoch heute offenbar hauptsächlich Natriumfluorid verwendet. Eine relevante Aluminiumaufnahme ist daher vor allem durch die sogenannten Whitening-Zahnpasten, die Aluminiumoxid beziehungsweise -hydroxid als Abrasive enthalten können, zu erwarten.“
Eher geringer Anteil und Aufnahme über Zahnpasta
Aktuellere Untersuchungen an 15 Proben Zahncreme hätten eine hohe Streuung der Ergebnisse gezeigt, wobei der durchschnittliche Gehalt bei 0,9 Prozent und der Median nur bei unter 0,02 Prozent lag. Der höchste gefundene Gehalt lag bei 3,9 Prozent. Entsprechend der Richtlinie des Wissenschaftlichen Ausschusses zur Verbrauchersicherheit (SCCS) der EU-Kommission (2018) werden pro Tag etwa 2,75 Gramm Zahncreme verwendet, wovon etwa 138 Milligramm (5 Prozent) verschluckt werden. „Ein Aluminiumanteil von 0,02 Prozent entspräche einer täglichen Aufnahme 0,028 mg/Person. Auf einen Erwachsenen (Körpergewicht = 60 Kilogramm umgerechnet, entspricht das einer oralen Exposition von 0,003 Milligramm Aluminium pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche (mg Al/kg KG/Woche). Für Kinder zwischen 11 und 14 Jahren (KG = 42 kg) ergäbe sich eine Exposition von 0,005 mg Al/kg KG/Woche. Für den vom VMK (norwegisches Institut für Lebensmittelsicherheit) bestimmten Wert von 4,5 Prozent Aluminiumanteil in der Zahnpasta ergäbe sich für Erwachsene eine orale Exposition von 0,72 mg Al/kg KG/Woche und für Kinder zwischen 11 und 14 Jahren eine Exposition von 1,0 mg Al/kg KG/Woche. Ob das als Abrasiv verwendete Aluminiumoxid beziehungsweise -hydroxid in gleichem Maße bioverfügbar ist wie mit der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbindungen, ist nicht bekannt“, heißt es in der Stellungnahme.
Erhöhtes Risiko bei hoher Aufnahme über längere Zeit
Bei einer zu hohen Aluminiumaufnahme über einen längeren Zeitraum hinweg ist ein erhöhtes Gesundheitsrisiko möglich. Eine hohe Aufnahme von Aluminiumverbindungen kann Entwicklungsstörungen des Gehirns und der Motorik sowie Schäden an Nieren, Leber und Knochen verursachen. Denn Aluminiumverbindungen können entzündliche Effekte oder oxidativen Stress in Zellen auslösen, wodurch die Zellen geschädigt werden. Zudem ist der Stoffwechsel der Zelle beeinflusst und die Zellen können sich nicht mehr ausreichend mit Energie versorgen, was zum Absterben der Zelle führen kann (Apoptose). Die EFSA hat als empfindlichsten Endpunkt zur Ableitung ihres gesundheitlichen Richtwertes entwicklungsneurotoxische Effekte (Entwicklung des Gehirns im Hinblick auf Lernverhalten und Motorik) zugrunde gelegt. Als empfindlichster Endpunkt wird der gesundheitsschädliche Effekt bezeichnet, der von allen beobachteten Effekten bei der niedrigsten Dosis auftritt.