Vor hundert Jahren postuliert und bis heute nicht widerlegt: Die Parodontitis ist eine „keineswegs abgeklärte Krankheitsform“ – so steht es jedenfalls im Medizinischen Handatlas für Zahnmedizin von 1919, und ausgegraben haben diese Historie Dr. Philipp Sahrmann und Dr. Mark Thomas Sebastian für ihr Editorial in der aktuellen Ausgabe der Quintessenz Zahnmedizin mit dem Schwerpunkt Parodontitis.
Denn obwohl die Forschung nicht ruht und viele neue Erkenntnisse zu Parodontitis und ihren Zusammenhängen mit anderen Krankheiten zusammengetragen wurden, ist sie doch weniger greifbar (und damit behandelbar) als andere zahnmedizinische Disziplinen. Im Gegenteil: Sie scheint als bestens vernetzte Pathologie im engen, sich gegenseitig verstärkenden Zusammenhang mit Erkrankungen wie Diabetes, koronaren Herzerkrankungen oder dem metabolischen Syndrom zu stehen und darüber hinaus Korrelationen mit äußeren Einflüssen wie dem Rauchen aufzuweisen.
Konsequenz bei Behandler und Patient nötig
Praktisch gesehen ist die Parodontitistherapie Fleißarbeit für Behandler und Patient. Sahrmann und Sebastian bringen dies im Editorial sehr schön auf den Punkt: „Es sind nicht immer die sogenannten ,Meilensteine‘, die ein Fachgebiet im Allgemeinen und Sie in Ihrer Praxis im Speziellen voranbringen. Aber es ist beachtlich, wie weit man in der Patientenbetreuung kommen kann, wenn das bisher Erforschte und praktisch für gut Befundene konsequent umgesetzt, kritisch evaluiert und folgerichtig weiterentwickelt wird.“
Die Beiträge in diesem Schwerpunktheft illustrieren, wie in Praxen und Universitäten im gesamten deutschsprachigen Raum Forscher/-innen und Behandler/-innen Techniken und Instrumentarien Steinchen für Steinchen für das bessere Gelingen der parodontalen Therapie zusammentragen – und eine aktuelle Auswahl interessanter neuer Ansätze sind in diesem Heft versammelt.
Einen lesenswerten Überblick über die vergangenen 40 Jahre Parodontologie und was sich in dieser Zeit von der Patientenklientel über die therapeutische Ausrichtung bis hin zum Berufsbild des Zahnarztes alles verändert hat, gibt der Beitrag von Prof. Andreas Mombelli. Die Unterschiede zwischen Mundhygieneinstruktionen, professioneller Zahnreinigung und unterstützender Parodontitistherapie werden von Prof. Einwag sauber definiert – wichtig auch im Hinblick auf die Abrechnung dieser Leistungen. Dass sich kieferorthopädischer und parodontologischer Handlungsbedarf nicht gegenseitig ausschließen müssen, zeigen Dr. Valentina Hraský und Prof. Philipp Meyer-Marcotty an einem Patientenfall.
Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wurde 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.
Photodynamische Therapie, Pulverstrahlen, Probiotika
In ihrem Beitrag beschreibt Prof. Bettina Dannewitz, wie durch die systemische Einnahme von Medikamenten wie Kalziumkanalblocker, Phenytoin und Cyclosporin Wucherungen der Gingiva verursacht werden. Die Entstehung und der Verlauf von medikamentös- induzierten Gingivawucherungen lässt sich nicht allein durch die Einnahme von Medikamenten erklären. Viel mehr ist auch der bakterielle Risikofilm ein Risikofaktor für eine Entzündung der Gingiva. Dr. Selma Husejnagic zeigt auf, wie durch photodynamische Therapie Parodontitis behandelt werden kann, da die mechanische Entfernung des Biofilms als konservative Therapiemethode oft nicht ausreicht. Schon nach zwei Wochen kann es zu einer erneuten Infektion kommen. Durch die Einnahme von systemischen und lokalen Antibiotika komme es zu steigenden Resistenzen. Weitere Beiträge beschreiben niedrigabrasives Pulverstrahlen in der Zahnarztpraxis, die photodynamische Therapie, den Einsatz von Probiotika oder autologe konzentrierte Wachstumsfaktoren.
Die Lektüre der September-Ausgabe der Quintessenz Zahnmedizin lohnt sich auch unter dem Fortbildungsaspekt: Basierend auf verschiedenen Beiträgen können fünf Fortbildungspunkte (CME) erworben werden. Der Wissenstest erfolgt online auf der Website des Quintessenz Verlags unter: www.quintessenz.de/fortbildungspunkte.