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Ein Fallbericht über die Verwendung von modernen Zirkoniumdioxidimplantaten und Titanimplantaten

Die definitiven Kronen wurden mittels Verschraubung befestigt. Sämtliche zahntechnische Arbeiten wurden vom Labor für Dentaltechnik Thomas Lassen GmbH (Starnberg, Deutschland) angefertigt.

In den vergangenen Jahren hat sich Zirkoniumdioxid zu einem alternativen Implantatmaterial ent­wickelt. Im Vergleich zu Titanimplantaten ist das Angebot jedoch bis heute limitiert. Die Haupt­indikation keramischer Implantate könnte vor allem im ästhetischen Bereich liegen, da in aktuellen Studien eine signifikante Papillenvermehrung ausgewertet werden konnte. Dagegen überzeugen Titanimplantate hinsichtlich Portfoliogröße und Langzeitdaten. Mit beiden Materialien lassen sich dauerhafte und erfolgreiche Patientenversorgungen erzielen. Je nach Ausgangssituation und Patientenwunsch sollten beide Konzepte individuell abgewogen werden, ist das Fazit der Autoren um PD Dr. Kristian Kniha in ihrem Beitrag für die Implantologie 2/21.

Einleitung

Im Jahre 1966 prägte Brånemark erstmals den Begriff der Osseointegration dentaler Titanimplantate1. Diese frühzeitige Entdeckung ermöglichte die Erhebung zahlreicher Langzeitdaten um das Material Titan, weshalb Titanimplantate nach wie vor den Goldstandard dentaler Implantatmaterialien stellen2. Moderne Zirkoniumdioxid­implantate haben sich jedoch zu einem alternativen Material entwickelt3–7. Es ist nachgewiesen, dass eine mikroraue Oberflächengestaltung das Einheilverhalten dentaler Implantatkörper in den Knochen verbessert8. Hierbei erwies sich, dass die Knochenanlagerung an mikroraue Zirkoniumdioxidimplantate derjenigen an Titanimplantaten entsprach9. Dabei zeigten erstmals präklinische Ergebnisse, dass sich für die Osseointegration im Schweinemodell kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Implantatmaterialien nachweisen ließ10. Aufgrund der Materialeigenschaften wurden ab 2002 hauptsächlich einteilige Zirkoniumdioxidimplantate auf den Markt gebracht11, mit fortschreitender Entwicklung konnten auch zweiteilige Systeme etabliert werden. Erste klinische Studien um einteilige Implantate bestätigen dem Material Zirkonium­dioxid vergleichbare Erfolgs- und Überlebensraten wie Titan6,7,12. Aufgrund der Neuheit des Mate­rials fehlen noch Langzeitstudien, die jedoch notwendig sind, um den Erfolg moderner Zirkoniumdioxidimplantate evident nachweisen zu können. Daher schlussfolgerte der ITI Consensus Report von 2018, dass der Einsatz von einteiligen Zirko­niumdioxidimplantaten möglich ist, wenn geeignete klinische Bedingungen vorliegen13. Zweiteilige Zirkoniumdioxidimplantate, so der Report weiter, sollten vorläufig mit Vorsicht verwendet werden, solange nur unzureichende Daten vorhanden seien13. Gerade bei zweiteiligen Zirkoniumdioxidimplantaten ist daher eine konsequente Patientenaufklärung zu empfehlen.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Eine aktuelle Metaanalyse aus dem Jahr 2020 bestätigte einteiligen Zirkoniumdioxidimplantaten ähnliche mittlere 1- und 2-Jahres-Überlebensraten und einen vergleichbaren marginalen Knochenverlust nach einem Jahr verglichen mit den veröffentlichten Daten zu Titanimplantaten14.

Warum könnte ein alternatives Implantatmaterial trotz guter Erfahrungen mit Titanimplantaten sinnvoll sein? Unterschiedliche Materialien besitzen verschiedene Oberflächeneigenschaften. Es hat sich gezeigt, dass hydrophile Materialien vorzugsweise von hydrophilen Bakterien besiedelt werden und umgekehrt15,16. Folglich könnten die Adhäsionseigenschaften verschiedener Bakterien durch die Hydrophobie der Zelloberfläche beeinflusst werden15.

Dagegen zeigten die klinischen Ergebnisse von Clever et al., dass das Weichgewebe um Titanimplantate in vivo eine stärkere Entzündungsreaktion auf die experimentelle Plaque­ansammlung entwickelte, als das im Weichgewebe um Zirkoniumdioxidimplantate der Fall war3,4. Zudem waren mit ZrO2-Nanopartikeln in menschlichen Zellen eine geringere Zytotoxizität und geringere DNA-Schäden verglichen mit den freigesetzten Titan-Nano­partikeln verbunden, die in doppelt so großer Menge auftraten17.Folglich deuten sich bei Zir­koniumdioxidimplantaten neben der hellen ästhetischen Implantatfarbe vor allem auch in Bezug auf inflammatorische Prozesse Vorteile an. In diesem Kontext wird eine mögliche Titan­unverträglichkeit in der Literatur unterschiedlich diskutiert. Patienten könnten nach Kontakt mit Titanpartikeln mit einer gesteigerten Entzündungsantwort reagieren. In diesen Fällen wird von einer gewissen Prädisposition gesprochen, handfeste wissenschaftliche Daten fehlen bis jetzt jedoch. 

Patientenfall und Ausgangssituation

Im Folgenden ist der klinische Fall einer 53-jährigen gesunden Patientin dokumentiert. Die Ausgangssituation beinhaltete bereits versorgte und auf Titanimplantaten getragene Brücken in Kronenrekonstruktionen in Regio 17–15, 14, 25–27, 37, 36 und 45–47 (Abb. 1a bis d). Die Titan­implantate wurden sieben Jahre zuvor versorgt und befinden sich im Follow-up. 

Aktuell zeigten sich die Zähne 11, 21 und 24 als nicht erhaltungswürdig und konnten schonend extrahiert werden. 

Gemeinsam mit der Patientin wurden das weitere Vorgehen und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten erörtert. Der Patientenwunsch war ausdrücklich ein festsitzender Zahnersatz, wobei die Nachbarzähne in Regio 12, 22 und 24 nicht erneut beschliffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund wurde in Absprache mit der Patientin eine Einzelzahnversorgung auf drei Zirkoniumdioxid­implantaten zum Lückenschluss mit verschraubten Kronen geplant. Weiterhin sollte kein herausnehmbarer provisorischer Zahnersatz während der Einheilphase der Implantate zur Anwendung kommen, da die Patientin aus beruflichen Gründen auf eine optimale Phonetik angewiesen war. Alle Voraussetzungen für eine Implantation mit Sofortversorgung (ohne Sofortbelastung), inklusive einer optimalen Mundhygiene, waren gegeben. Präoperativ wurden intraorale Scanaufnahmen des Ober- und Unterkiefers sowie der habituellen Okklusion angefertigt (s. Abb. 1a bis c).

Chirurgisches Vorgehen und prothetische Versorgung

Mit minimalinvasivem Zugang über eine krestale Schnittführung und Bildung eines Mukoperiostlappens erfolgten die primärstabile Implantation und autologe Augmentation der zweiteiligen Zirkoniumdioxidimplantate in Regio 11, 21 und 24 (PURE-Implantat, ZLA-Oberfläche, Fa. Institut Straumann AG, Basel, Schweiz) (Abb. 2). Während der Operation ermöglichten Scanbodies eine intraoperative digitale Abformung der zweiteiligen Implantate (3Shape Trios3 Intraoral Scanner, Fa. 3Shape, Kopenhagen, Dänemark) (Abb. 3a bis e). Der digitale Datensatz wurde anschließend zur Herstellung eines Langzeitprovisoriums per WLAN ins Labor übertragen. Sämtliche zahntechnische Arbeiten wurden vom Labor für Dentaltechnik Thomas Lassen GmbH (Starnberg, Deutschland) angefertigt. Nach vier Stunden konnte das laborgefertigte Langzeitprovisorium mittels Verschraubung eingegliedert werden. Das Langzeitprovisorium wurde zudem aus der Okklusion genommen und die Patientin instruiert, die nächsten drei Monate keine Nahrung mit den Schneidezähnen abzubeißen, sondern die Kaulast vielmehr in den Seitenzahnbereich zu verlagern. 

Nach einer regelgerechten Heilungsphase von drei Monaten zeigte sich eine deutliche Harmonisierung der Weichgewebesituation. Im Rahmen der Sofortversorgung ist die fortgeschrittene Weichteilkonditionierung zum Zeitpunkt der Platzierung der definitiven Kronen ein großer Vorteil. Es erfolgte eine weitere digitale Abformung der intraoralen Situation zur Herstellung der definitiven Kronen (Abb. 4a bis d). Der CAD/CAM-gestützte Workflow ermöglicht einen einfachen und zeitsparenden Ablauf unter Verwendung sämtlicher moderner Materialien. Die definitive implantat­prothetische Versorgung erfolgte anhand verschraubter, individuell CAD/CAM-gefräster Zirkoniumdioxidgerüste, die anschließend im Labor mit der gewinkelten Variobase verklebt und verblendet wurden (Abb. 5a bis e). Die radiolo­gische und klinische Situation zwei Monate nach prothetischer Versorgung spiegelte einen stabilen Knochen­verlauf und reizlose, blasse Schleimhautverhältnisse wider (Abb. 6 und 7a bis c).

Diskussion

Aktuell implementieren immer mehr Hersteller neben ein- ebenso zweiteilige Zirkoniumdioxid­implantate in ihr Portfolio. Da in dem vorgestellten Patientenfall das System der Firma Straumann verwendet wurde, werden sich die Autoren folgend auf die Indikationen und Limitationen vor allem des PURE-Ceramic-Portfolios konzentrieren. 

Wo liegen die Unterschiede moderner Zirkoniumdioxidimplantate im Vergleich zu Titanimplantaten? Erste Unterschiede zwischen den beiden Materialien zeigen sich bereits im Portfolio, wodurch erste Indikationen beziehungsweise Limitationen ersichtlich werden. Während im Titanbereich zahlreiche Durchmesser (vergleichbare „Tissue level“-Reihe von 3,3–4,8 mm Durchmesser und Längen von 4–12 mm Regular Neck [RN]) vorzufinden sind, so sind bei den einteiligen Zirkoniumdioxidimplantaten noch durchmesserreduzierte Implantate erhältlich (3,3 mm in den Längen von 8–14 mm, Indikation auf Ober- und Unterkieferfrontzahnbereich eingeschränkt), bei den zweiteiligen Typen fehlt jedoch aufgrund der Verschraubung die „Narrow neck“-Variante bis jetzt komplett. Die RN-Implantate sind für beide Varianten mit 4,1 mm Durchmesser in den Längen 8–14 mm erhältlich. Weiterhin fehlen Minikeramikimplantate oder größere Durchmesser (zum Beispiel 4,8 mm) für die Molarenregion.

Im Bereich der zweiteiligen Zirkoniumdioxidimplantate ist neben der Verschraubung auch über eine Mesiostruktur eine Zementierung der prothetischen Suprakonstruktion möglich, dagegen ist im einteiligen Bereich (Monotype-Zirkoniumdioxidimplantate) die Zementierung vorgegeben. Die zweiteiligen Zirkoniumdioxidimplantate ermöglichen eine Abwinkelung der Kronenachse (Abb. 5d und e), dagegen sollten die einteiligen Keramikimplantate optimal positioniert werden, da eine Beschleifung des Implantatkörpers zur Achsenkorrektur nicht empfohlen wird, weil dadurch die Frakturgefahr gesteigert werden kann. 

Von Herstellerseite werden Brückenversorgungen auf einteiligen und zweiteiligen Implantaten prinzipiell nicht ausgeschlossen. Bei den keramischen Monotype-Typen kann in der Regel bei paralleler Implantatpositionierung eine zweiteilige Brücke noch realisiert werden, ausgedehntere Brückenversorgungen erreichen durch den vorgegebenen einteiligen Abutmentkopf nur selten eine für die prothetische Versorgung notwendige optimale Parallelität. Im zweiteiligen keramischen Bereich sind bis dato nur Sekundärteile mit Rotationsschutz erhältlich, weshalb bei ausgedehnteren Brückenversorgungen auch über einen Quadranten hinaus die Zementierung über eine Mesiostruktur zu empfehlen ist. Sofern die Brückenversorgung auf Implantaten verschraubt werden soll, wären, wie in diesem Fallbeispiel, im Seitenzahnbereich Titanimplantate zu bevorzugen – nicht zuletzt, da durch das erweiterte Portfolio auch größere Durchmesser (4,8 mm) für das Emergenzprofil einer Molarenkrone genutzt werden können.

Wie soeben analysiert werden konnte, ist aufgrund der Neuheit des Implantatmaterials Zirkoniumdioxid das Portfolio bis jetzt vor allem im Vergleich zu Titan noch limitiert. Neben dem geringeren Angebot gibt es auch materialbedingte Unterschiede.

Aufgrund der ansprechenden Erscheinung keramischer Implantatkörper sehen wir die Indikation gerade im ästhetischen Bereich. Studien zeigten, dass bei dünnen Gingivatypen von ca. 2 mm oder weniger ein Metallschatten der Titanimplantate zum Vorschein kommen kann18. Zudem wurde eine signifikante Papillenvermehrung im Interdentalraum um die Zirkoniumdioxid-Einzelzahnimplantate nachgewiesen7. In dieser klinischen Studie verbesserte sich die Papillen-Kronen-Relation signifikant von 35,5 Prozent nach drei Monaten auf 41,7 Prozent nach drei Jahren und erreichte das in der Literatur beschriebene Ideal von ca. 40 Prozent. Dabei wies der gingivale Biotyp um die ausgewerteten Zirkoniumdioxidimplantate nur eine sehr geringe Korrelation bezüglich einer vollen oder fehlenden Papillenformation auf. Dieses ästhetische Potenzial ist laut Literatur bei Titanimplantaten nicht zu erwarten.

Schlussfolgerung 

Im Vergleich zu Titanimplantaten ist das Angebot von Zirkoniumdioxidimplantaten bis dato limitiert. Wie in dem gezeigten Fallbeispiel liegt die Hauptindikation von keramischen Implantaten vor allem im ästhetischen Bereich. Mit beiden Materialien lassen sich dauerhafte und erfolgreiche Patientenversorgungen erzielen, jedoch könnte die Papillenvermehrung um Zirkoniumdioxidimplantate in Zukunft noch vorhersagbarere ästhetische Resultate liefern. 

Aufgrund der besseren Auswahl sind aktuell Titanimplantate vor allem bei größeren Brückenversorgungen und im Seitenzahnbereich zu bevorzugen. Je nach Ausgangssituation und Patientenwunsch sollten beide Konzepte individuell abgewogen werden. 

Danksagung

Sämtliche zahntechnische Arbeiten wurden vomLabor für Dentaltechnik Thomas Lassen GmbH (Starnberg, Deutschland) angefertigt. Wir bedanken uns für die Bereitstellung der zahntechnischen Bilder.

Ein Beitrag von PD Dr. Kristian Kniha, München und Aachen, Dr. Robert L. Meindl, Prof. Dr. Dr. Karl Andreas Schlegel, Prof. Dr. Heinz Kniha, alle München

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Implantologie 2/21 Implantologie

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