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Der AK AIDM startet im Juni mit einer Session beim Deutschen Zahnärztetag wieder durch – KI-Anwendungen kritisch beurteilen können

Detektion von zahnärztlichen Befunden im Orthopantomogramm (OPG) durch die Software dentalXrai Pro 3.0 (Fa. dentalXrai, Berlin). Die Software erkennt entsprechende Versorgungen und pathologische Befunde im Sinne eines radiologischen Befunds mithilfe von künstlichen neuronalen Netzen.

(c) dentalXrai, Prof. Falk Schwendicke

„Künstliche Intelligenz“ ist seit Jahren ein Versprechen oder eine Bedrohung – je nach eigenem Standpunkt und Perspektive. Klar ist: Mit immer leistungsfähigeren Computern ist es möglich, immer größere Datenmengen zu analysieren und Softwaresysteme zu erstellen und zu füttern, die mithilfe dieser „gelernten“ Daten dem Menschen die oft mühsame und langwierige Analyse und Auswertung abnehmen oder erleichtern – bis hin zum Erstellen von ganzen Texten. ChatGPT und Co. lassen grüßen.

In der Medizin und Zahnmedizin verbindet sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz unter anderem die Hoffnung, die Diagnostik, Therapie und auch Patientennachsorge schneller und besser zu machen und komplexe Prozesse zu vereinfachen. Längst finden sich KI-Anwendungen in Bearbeitungssoftware für Röntgenbilder oder in CAD/CAM-Planungssoftware. Aber noch stehen wir am Anfang und es sind viele Fragen offen, nicht nur technische.

Der AK AIDM wurde 2019 auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt (Main) gegründet.
Der AK AIDM wurde 2019 auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt (Main) gegründet.
Foto: DGZMK/Spillner
Vor vier Jahren, auf dem Wissenschaftlichen Kongress zum Deutschen Zahnärztetag im November 2019 in Frankfurt (Main) schlossen sich interessierte Wissenschaftler und Praktiker daher zum Arbeitskreis Artificial Intelligence in Dental Medicine, kurz AK AIDM, zusammen, und wählten Prof. Dr. Falk Schwendicke von der Charité Berlin zu ihrem Vorsitzenden. Im Interview mit Quintessence News gibt der Vorstand des AK AIDM, vertreten durch Prof. Schwendicke, Prof. Dr. Dr. Bernd Stadlinger (Uni Zürich) und Prof. Dr. Michael Bornstein (Uni Basel), nun Auskunft über den Stand der Arbeit, die mit dem Einsatz von KI verbundenen Herausforderungen für die Zahnmedizin in Wissenschaft und Praxis und über die weiteren Ziele des Arbeitskreises.


Herr Prof. Schwendicke, seit vielen Jahren reden wir jetzt über KI in der Zahnmedizin. Wie viel KI steckt eigentlich schon in der Zahnmedizin und wo?

Prof. Dr. Falk Schwendicke
Prof. Dr. Falk Schwendicke
Foto: Peitz/Charité
Prof. Dr. Falk Schwendicke: Künstliche Intelligenz ist in aller Munde: Alltagsanwendungen reichen von der Gesichtserkennung im Smartphone über die Passkontrolle im Flughafen bis hin zur Verkehrsregulation. Auch in der Medizin und Zahnmedizin hat KI in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung genommen. Gerade das Thema Bilderkennung mittels KI, zum Beispiel bei der Röntgenbildanalyse, aber auch der Analyse von histologischen Schnittbildern, Fotos oder 3-D-Oberflächenscans, ist relevant.

Bei uns in der Zahnmedizin ist gerade die Röntgenbildanalyse der Renner. Mittlerweile gibt es eine große Zahl von Firmen, die KI-gestützte Analysen von Bissflügel-, Einzel- und Panoramaschichtbildern anbieten, wie wir auf der IDS bewundern durften. Auch für die DVT-Technologie gibt es schon vielversprechende Ansätze.

Ein weiteres großes Feld ist die Sprachanalyse: Hier gibt es gerade seit Chat GPT viel Aufmerksamkeit und Diskussionen; bisher fehlt es allerdings an Lösungen, die praxisreif sind.
 

Sie sind ein vielgefragter Referent zu diesem Thema und machen in Ihren Vorträgen immer deutlich, dass wir hier noch ganz am Anfang stehen, KI sinnvoll anzuwenden. Der Weg dahin ist – für viele unerwartet – mühsam. Warum?

Schwendicke: Ich weiß gar nicht, ob ich den Begriff mühsam benutzen würde. Vermutlich handelt es sich vielmehr um den normalen „Reifungsprozess“ von Technologien und Produkten.

Dabei müssen wir uns klarmachen, dass wir in der Medizin besondere Herausforderungen haben. Es ist etwas anderes, ob eben mein Handy mein Gesicht mittels KI erkennt oder ich eine medizinische Diagnose und damit indirekt ja auch Therapiefindung durch KI unterstützen lasse. Insofern sind Aspekte wie Qualitätssicherung und Evidenzbasierung zentral wichtig.

Auch ist es notwendig, dass die Kollegen und Kolleginnen in der Lage sind, KI-Produkte kritisch zu beurteilen – und dass sie die Kompetenz hierfür haben! Wir haben versucht, im Rahmen unserer Aktivitäten als AK AIDM unseren Beitrag zu mehr Digitalkompetenz in der Zahnmedizin zu leisten.
 

Im AK AIDM sind ja ganz unterschiedliche Mitglieder vertreten – von der Wissenschaft über die Praxis bis hin zu Vertretern, die auch in der zahnärztlichen Standespolitik aktiv sind. Wie wichtig ist diese Vielfalt?

Schwendicke: Wir brauchen diese Vielfalt, um mit den Entwicklungen auf dem Markt Schritt zu halten. Der AK AIDM ist auf der wissenschaftlichen Ebene ein Gremium, das Forschungsprojekte rund um das Thema KI durchführt. Der Input von Spezialisten aus verschiedenen Bereichen der Zahnmedizin ist hier sehr hilfreich. Die Mitglieder aus der Praxis können wichtige Einblicke liefern, welche Produkte und Entwicklungen in der täglichen Routine gebraucht werden und aufzeigen, welche Fragestellungen möglicherweise durch den Einsatz von KI gelöst werden können. Die zahnärztliche Standespolitik ist wichtig, um Leitlinien für den Umgang mit KI zu verhandeln und zu vertreten.
 

Wie ist Ihre Arbeit nach der Gründung 2019 weitergegangen? Die Corona-Pandemie hat ja viele Projekte ausgebremst.

Schwendicke: Die Corona-Pandemie hat uns mehr ausgebremst, als ich gedacht hätte: Ein Kollege sagte mir einmal scherzhaft, dass doch wohl vor allem wir als digitalaffiner Arbeitskreis mit Corona und der Notwendigkeit, auf online-Formate umzusteigen, wenig Probleme haben sollten! Allerdings lebt gerade ein so junger Arbeitskreis auch von der persönlichen Begegnung und dem direkten Austausch, von gemeinsamen Veranstaltungen. Dies ist zugegebenermaßen über die vergangenen drei Jahre nicht erfolgt.

Unser Aufschlag in eine neue „Epoche“ des AK AIDMs soll der kommende Zahnärztetag sein. Wir haben dort ein tolles Programm zusammengestellt – mit den Themen Standards und Interoperabilität, neue KI-Trends jenseits der Medizin und einer Übersicht zu aktuellen KI-Produkten in der Zahnmedizin. In der nächsten Legislaturperiode muss dann vor allem die Außenwirkung des Arbeitskreises gestärkt werden.

Auch sehen wir uns zunehmend als Dienstleister für die Kolleginnen und Kollegen, die unmöglich einen Überblick über die Vielzahl von KI-Produkten, aber auch die assoziierten Risiken haben können: Hier wollen wir Abhilfe leisten.

Der AK AIDM auf dem Deutschen Zahnärztetag in Hamburg

Der Arbeitskreis Artificial Intelligence in Dental Medicine, kurz AK AIDM, wird in diesem Jahr beim Deutschen Zahnärztetag in Hamburg (15. bis 17. Juni 2023) am Freitag, 16. Juni 2023, von 14 bis 15.30 Uhr eine eigene Session im Parallelprogramm der Arbeitskreise, Arbeitsgruppen und Fachgesellschaften anbieten. Thema ist „Digitale Transformation in der Zahnmedizin – Interoperabilität und KI-Systeme“. Die drei Vorträge werden einen Überblick über die KI-Systeme in der Zahnmedizin geben, Neues und Trends aufzeigen und diskutieren, warum Interoperabilität für die Praxis so wichtig ist. Mehr Informationen und Anmeldung zum Kongress, der als Gemeinschaftskongress von DGZMK und DGMKG stattfindet, auf der Kongresswebsite.

Auf der Internationalen Dental-Schau Mitte März 2023 in Köln wurden wieder zahlreiche Produkte und Anwendungen gezeigt, in denen KI eingesetzt wird und die ohne KI so gar nicht möglich wären. Gibt es hier Trends oder Entwicklungen, die die Zahnärzte kennen sollten?

Prof. Dr. Michael Bornstein
Prof. Dr. Michael Bornstein
Foto: privat
Prof. Dr. Michael Bornstein: Die Produkte, in denen KI eingesetzt werden, entwickeln sich sehr schnell. Dabei sind sicher Programme für die Erkennung von Pathologien auf Röntgenbildern und Anwendungen, die KI für die Analyse von Röntgendaten für die digitale Implantatplanung nutzen, im Moment dominant. Darüber hinaus ist KI aber auch für die Automatisierung administrativer Prozesse relevant und kann zukünftig den Bereich der Telemedizin stärken. Nicht zuletzt hilft KI bei der Vorhersage von Erkrankungen, sodass präventive Maßnahmen ergriffen werden können. KI kann so durchaus als wichtiger Baustein für eine echte personalisierte Zahnmedizin betrachtet werden.

 

Welche Themen und Termine stehen beim AK AIDM jetzt auf der Agenda? Und wer kann wie im Arbeitskreis mitarbeiten?

Schwendicke: Der AK AIDM möchte als nächstes einen Leitfaden für Kollegen erarbeitet, der helfen soll, die im Markt befindlichen KI-Produkte zu kennen und zu verstehen, was von diesen geleistet werden kann. Damit kann jede Zahnärztin und jeder Zahnarzt erkennen und entscheiden, wie viel KI sie oder er in der Praxis nutzen möchte.

Wir wünschen uns einen guten Austausch im AK AIDM und regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen, auf denen wir miteinander ins Gespräch kommen. Das bedeutet ausdrücklich auch, dass jeder und jede Interessierte im AK AIDM willkommen ist.
 

Was wünschen Sie sich beim Thema KI von Ihren Kolleginnen und Kollegen aus Praxis und Wissenschaft, vonseiten der Standespolitik und Politik und vonseiten der Industrie?

Schwendicke: Die Kollegen und Kolleginnen aus der Praxis sind die kritische Stimme und sollten ihre Wünsche und Erfahrungen an und mit KI-Systemen äußern. Die reine Möglichkeit, KI in der zahnärztlichen Praxis zu nutzen, bedeutet ja noch nicht, dass das wirklich immer sinnstiftend ist!

Die Wissenschaft sollte in der Lage sein zu analysieren, welche Möglichkeiten und Limitationen in KI-Systemen für die zahnärztliche Anwendung stecken und vorausschauen, wie sich die (Zahn-)Medizin dadurch entwickeln kann.

Prof. Dr. Dr. Bernd Stadlinger
Prof. Dr. Dr. Bernd Stadlinger
Foto: Yara Jäkel Yakoubi
Prof. Dr. Dr. Bernd Stadlinger: Ein wichtiger Punkt beim Thema AI ist die Autonomie in der Behandlung. In der Medizin/Zahnmedizin setzt man derzeit primär auf „Decision-support“-Systeme: Der behandelnde Zahnarzt/die behandelnde Zahnärztin soll die Möglichkeit und die Wahl haben, bei Entscheidungen auf solche Systeme zurückzugreifen.

Wichtig für die weitere Entwicklung ist es, dass Universitäten die fachliche Entwicklung mit vorantreiben, um dieses Thema auch aus den Hochschulen heraus mitzugestalten. Hierbei werden interdisziplinäre Arbeitsgruppen benötigt, die wichtige die Gebiete wie die Informatik, Medizin und Zahnmedizin zusammenbringen. Die Motivation zu diesem interdisziplinären Forschen sollte bereits bei Studierenden geweckt werden.
 

Perspektive 2030: Wie viel KI steckt dann in der Zahnarztpraxis und im Labor?

Bornstein: Grundsätzlich kann man mit einiger Sicherheit sagen, dass es auch in zehn Jahren sowohl Zahnärzte und auch Labore geben wird. KI wird die menschliche Komponente nicht ersetzten. Aber KI wird in vielen Arbeitsschritten in der Zahnmedizin integriert sein und diese vereinfachen.

Die beste KI ist immer diejenige, welche man nicht wirklich bemerkt. Genau so besteht die Chance, dass komplexe Prozesse durch technologische Entwicklungen vereinfacht und effizienter werden – und diese dann auch wirklich in der Praxis genutzt werden.

Mehr zum Thema KI in der Zahnmedizin gibt es in der von Prof. Falk Schwendicke betreuten Schwerpunktausgabe der „Quintessenz Zahnmedizin“ 9/2022. Das Titelbild zu diesem Interview ist dieser Ausgabe entnommen, es findet sich im Beitrag von Martin Lotz et al. „Künstliche Intelligenz in der oralen Chirurgie und Medizin“.

Quelle: Quintessence News AI in Dentistry Digitale Zahnmedizin Fortbildung aktuell

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