Die Ätiologie der Myositis ossificans traumatica ist bisher nicht abschließend geklärt. In der Literatur finden sich zumeist Fallberichte aus der Orthopädie. Berichte zur Myositis ossificans traumatica der Kaumuskulatur liegen hingegen nur vereinzelt vor. Klare Empfehlungen zur Therapiestrategie fehlten bislang oder waren widersprüchlich. Nach Analyse der verfügbaren Literatur scheint die vollständige Exzision der heterotropen Ossifikation die angestrebte Therapiemaßnahme zu sein, wobei Rezidive nicht ausgeschlossen werden können.
Traumatische Ereignisse im Bereich der Kaumuskulatur mit nachfolgender, temporärer Funktionseinschränkung können durch externe Krafteinwirkungen bedingt oder durch iatrogene Eingriffe entstehen. Hierzu zählen insbesondere die Folgen von zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen wie Extraktionen und operativen Zahnentfernungen, aber auch Komplikationen durch die Anwendung von Lokalanästhesien. Als seltene Komplikationen der Lokalanästhesie sind entzündliche Schwellungen und temporärer Trismus (Kieferklemme) vertraut. Ein dauerhafter Trismus hingegen wird dabei eher mit kraniomandibulären Dysfunktionen in Verbindung gebracht. Weniger bekannt sind Verknöcherungen der Kaumuskulatur infolge eines traumatischen oder auch idiopathischen Ereignisses wie sie bei der Myositis ossificans auftreten können. Die Myositis ossificans muss dabei in eine lokale, traumatische Form (Myositis ossificans traumatica) und eine genetisch bedingte und progressive Form (Myositis ossificans progressiva) unterschieden werden.
Fallbericht
Ein 28-jähriger, männlicher Patient wurde im April 2016 aufgrund eines dauerhaften Trismus ohne Schmerzsymptomatik vorstellig. Vorausgegangen war eine zahnärztliche Leitungsanästhesie im Zusammenhang mit einer Füllungstherapie im rechten Unterkiefer. Etwa 4 Wochen danach trat erstmals eine ausgeprägte Mundöffnungseinschränkung auf. Nach frustraner konservativer Therapie erfolgte in Intubationsnarkose die operative Entfernung von 18 und 48. Unmittelbar nach dem Eingriff kam es zu einer weitgehenden Remission der Funktionseinschränkung. Etwa 2 Wochen nach dem Eingriff kam es erneut zu einer ausgeprägten Einschränkung der Mundöffnung. Alio loco erfolgte unter stationären Bedingungen eine rechtsseitige Koronoidektomie welche ebenfalls temporär zu einer Verbesserung der Mundöffnung führte, in der Folge jedoch rezidivierte. Nach Anfertigung eine 3-dimensionalen Röntgendiagnostik (CT) erfolgte ein erneuter operativer Eingriff mit der nun vorliegenden Arbeitsdiagnose Myositis ossificans traumatica der Mm. pterygoideus medialis und lateralis in unserer Klinik durch einen kombinierten intra- und extraoralen Zugangsweg. Eine genetische Ursache im Sinne einer Myositis ossificans progressiva wurde im Vorfeld ausgeschlossen.
Diskussion
Während sich in der orthopädischen Literatur zahlreiche Berichte von heterotropen Ossifikationen finden, wurden weltweit seit 1924 lediglich 63 Fallberichte zur Myosistis ossificans der Kaumuskulatur veröffentlicht [1]. Die Ätiologie ist bisher unklar, wobei eine Verschleppung von Osteoprogenitor-Zellen aus dem Periost ins Weichgewebe mit anschließender Proliferation oder die Bildung eines Hämatoms mit anschließender Verknöcherung diskutiert werden [2]. Zahnärzlich-chirurgische Maßnahmen wie Zahnentfernungen [3] stehen ebenso im Verdacht ursächlich für die Entstehung einer heterotropen Ossifikation der Kaumuskulatur zu sein wie zahnärztliche Lokalanästhesien, insbesondere die Leitungsanästhesie [4]. Als Therapie sollte eine vollständige Entfernung der verknöchernden Strukturen angestrebt werden, um mögliche Rezidive zu vermeiden [1]. Postoperative, physikalische Maßnahmen scheinen den Therapieerfolg positiv zu beeinflussen und zu einer Verbesserung der Mundöffnung zu führen. Hingegen ist der Nutzen von medikamentösen Therapien wie einer Bisphosphonattherapie ebenso wenig belegt wie die Verwendung von Interponaten oder einer Radiatio [1].
Ein Beitrag von Dr. med. dent. Marcel Hanisch, Münster
Literatur
1. Hanisch et al. Myositis ossificans traumatica of the masticatory muscles: what do we know about etiology, diagnosis, treatment and recurrence? (unpublished)
2. Carey EJ. Multiple bilateral parosteal bone and callus formations of the femur and left innominate bone. Arch Surg 8:592, 1924.
3. Torres AM, Nardis AC, da Silva RA, Savioli C. Myositis ossificans traumatica of the medial pterygoid muscle following a third molar extraction. Int J Oral Maxillofac Surg. 2015 Apr;44(4):488-90.
4. Spinazze RP, Heffez LB, Bays RA. Chronic, progressive limitation of mouth opening. J Oral Maxillofac Surg. 1998 Oct;56(10):1178-86.