Wie kann der Verbund von Restauration zu Zahn verbessert, erhöht oder mit Zusatznutzen versehen werden? Sind digitale Prozesse und Materialien so ausgereift, dass auch wenig erfahrene Behandelnde selbstständig damit arbeiten können? Diesen und weiteren spannenden Fragen widmeten sich die jungen Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner bei der mittlerweile 18. Voco Dental Challenge am 1. Oktober im Cuxhavener Unternehmensstammsitz.
Da die Challenge im vergangenen Jahr coronabedingt ausfallen musste, waren es diesmal gleich 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die ihre Forschungen in 10 Minuten präsentierten und sich anschließend den Fragen der Jury stellten. Voraussetzung für die Teilnahme war, dass mindestens ein Produkt von Voco in der Untersuchung inkludiert war. Die Jury bildeten in diesem Jahr Prof. Dr. Andreas Braun von der Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde Universitätsklinikum Aachen, Prof. Dr. Christian Gernhardt, Universitätspoliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Halle (Saale) und PD Dr. Guido Sterzenbach von der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie nahmen sämtliche Vortragenden in ein fachliches Kreuzverhör, dass die Befragten mit Fachkenntnis und HIntergrundwissen bis hin zum ehrlichen Blick für Lücken bravourös meisterten – fachlicher Diskurs, wie er sein sollte und bei dem alle etwas dazulernten.
„Digital Native“ oder „naiv“?
Gewinner wurde der Zahnarzt Pablo Johannes Krämer Fernandez von der Uni Tübingen mit seiner Pilotstudie „Rein digitale Aufbissschienen im Studierendenkurs mittels Intraoralscan und 3-D-Druck“, er durfte sich über den 1. Platz und 6.000 Euro freuen. Thema seiner Untersuchung war – auch im Hinblick auf die neue Approbationsordnung, die ebenfalls am 1. Oktober 2021 in Kraft getreten ist – die Vermittlung neuer Technologien in der Lehre, konkret: ob moderne digitale Prozesse wie der Intraoralscan und die zu verwendenden Materialien in ihrer Abstimmung soweit ausgereift sind, dass auch „naive“ Anwender wie Studierende der Zahnmedizin selbsttätig brauchbare Schienen damit herstellen können. Dazu wurden Studierende des 8. Fachsemesters in die Handhabung des Intraoralscanners (Trios3, 3Shape)sowie in die CAD-Software ExoCad eingewiesen. Die Schienen wurden generativ im DLP-Druckverfahren hergestellt, die Studierenden führten selbstständig in Zweierteams (Tandems) den Intraoralscan, das CAD-Design, die Ausarbeitung, das Einsetzen und die Nachkontrollen durch, ihre Erfahrungen wurden in Fragebögen erfasst. 62 Prozent der Probanden gaben keine Schwierigkeiten im Umgang mit dem Scanner an, 16 Prozent hatten Bereiche mit ungenügender Datenerfassung im CAD-Programm. DIe CAD-Konstruktion wurde etwas gemischter beurteilt (26 Prozent empfanden sie selbsterklärend, 58 Prozent als herausfordernd). Zwei Drittel der Schienen passten klinisch akzeptabel. Fernandez‘ Fazit: Im rein digitalen Workflow per 3-D-Druck hergestellte UK-Aufbissschienen können auch von digitalen „Novizen“ nach kurzer Einführung erfolgreich hergestellt und eingegliedert werden. Wichtig sei die richtige Schulung, die hier pro Thema innerhalb einer Vorlesungsstunde erfolgt sei.
Mit Plasma den Verbund fördern
Den zweiten Platz belegte Carolin-Isabel Görgen von der Universität Mainz. Sie untersuchte den Einfluss von kaltaktivem Atmosphärendruckplasma (CAP) auf die Haftstärke einer Kompositklebung bei zweiteiligen Abutments und zeigte, das eine CAP-Vorbehandlung beider Kontaktflächen für 15 Sekunden die Haltbarkeit des adhäsiven Verbunds statistisch signifikant um bis zu 25 Prozent erhöht. Sie erhielt ein Preisgeld von 4.000 Euro.
Den dritten Platz, dotiert mit einem Preisgeld von 2.000 Euro, belegte Silas Feddersen von der Hochschule Osnabrück mit seiner Untersuchung zur Eignung von Nano Hybrid Komposit und Nano Hybrid Ormocer als Träger antibakterieller Wirkstoffe. Nach seinen ersten Ergebnissen eignet sich das Ormocer eher als das Komposit und Octodeninhydrochlorid besser als Chlorhexidin, um den antibakteriellen Wirkstoff länger kontinuierlich freizusetzen, allerdings wurde hier über einen begrenzten Zeitraum von 3 Tagen beobachtet.
Zudem erhalten alle drei Erstplatzierten Publikationszuschüsse in Höhe von 2.000 Euro zur Unterstützung ihrer weiteren Arbeit.
Nebenwirkungen von Strahlenbehandlung verringern
Auch die anderen Arbeiten bestachen durch interessante Themen. Eine schöne Lösung durch den 3-D-Druck zeigte die Arbeit von Christopher Herpel von der Universität Heidelberg. Viele Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren benötigen nach Tumorentfernung eine Strahlentherapie, die jedoch starke Nebenwirkungen zum Beispiel in der Mundhöhle zur Folge haben kann – von akuter Mukositis über Dysgeusie, Xerostomie bis hin zu Strahlenkaries reichen die Beschwerden. Vor allem weiche Gewebe wie die Zunge sind schwer aus dem Bestrahlungsfeld herauszuhalten. Die gängigsten Lösungen zur Retraktion sind bisher Tiefziehschienen – mit mäßigem Erfolg. Optimal wäre eine individuelle Anfertigung – doch hier erhöht sich der personelle Aufwand immens.
Die Quadratur des Kreises gelang Herpel durch eine halbindividuelle Vorfertigung im 3-D-Druck von löffelähnlichen Strukturen in drei Größen. Diese gedruckte Geweberetraktoren ähneln doppelten Abformlöffeln. Sie werden durch Einschleifen individualisiert, mit Abformmaterial bestückt und nach Entfernung des überschüssigen Materials während der Bestrahlung vom Patienten getragen. Die Retraktoren können die Zunge vom Gaumen wegdrücken oder auch die Wangen leicht abhalten und so die Gewebe aus dem Strahlenfeld drängen. Etwa 400 Patienten pro Jahr werden laut Herpel in Heidelberg damit versorgt. Diese kleine Stückzahl spricht für den eigenen 3-D-Druck und die Individualisierung ist mit geringem personellem Aufwand möglich. In Heidelberg werden inzwischen 90 Prozent der Patienten mit diesen halbindividuellen Schienen versorgt, eine Pilot-II-Studie steht demnächst an, die die Effizienz dieser Retraktionsschienen genauer erfasst. Die Patienten zeigen bisher eine hohe Compliance, so Herpel.
Ein weiterer digitaler Workflow wurde von Wadim Leontiev von der Universität Basel unter die Lupe genommen: Er verglich die Real-Time-Guided-Endodontics (RTGE) gegenüber der konventionellen Trepanations-Technik, als In-vitro-Studie an 3-D-gedruckten Zähnen durchgeführt. Es zeigte sich zum einen, dass der Substanzabtrag vor allem im koronaren Bereich bei der RTGE-Methode geringer war und zum anderen, dass die erfolgreiche minimalinvasive Trepanation per RTGE unabhängig vom Erfahrungsgrad des Behandlers ist.
Einblick in Grundlagenforschung
Die breite Themenwahl und die unterschiedlichen Ansätze der Vorträge erlaubten einen interessanten Einblick in die Grundlagenforschung rund um die restaurativen und kunststoffbasierten dentalen Werkstoffe und Materialien. Die Entscheidung fiel der Jury nicht leicht, denn viel Applaus und Anerkennung erhielten auch die weiteren Teilnehmer:
• Daniel Daum (Universität Tübingen): Digitale Totalprothetik – Einfluss künstlicher Alterung auf den Adhäsivverbund Zahn/Basis“
• Stefan Gonschorek (Universität Gießen): „Vergleich dreier Prüfverfahren zur Charakterisierung des Dämpfungsverhaltens zahnärztlicher CAD/CAM-Materielaien“
• Julia Lubauer (Universität Erlangen Nürnberg): „Inner margin strength is not affected byCAD/CAM machining protocol“
• Xenia Antón (Universität München): „Impact of high-speed sintering on accurancy and fit of 4Y-TZPs“ (siehe auch Quintessence News)
• Dr. Anouschka Josephine Roesner (Universität Leipzig): „Säurewiederstand von Befestigungskompositen – eine Oberflächenanalyse“
• Christa Maubach (Universität Ulm): „Vergleich der Verbundfestigkeit temporärer Befestigungsmaterialien bei implatantatgestützten Zirkoniumdioxidkronen“
• Lisa Hania Lahham (Universität Würzburg): „ Scherfestigkeitsermittlung unterschiedlicher Befestigungszemente zu zahnfarbenen Restaurationsmaterialien sowie Echtzähnen in vitro“
„Wir haben heute wieder Vorträge von hoher Qualität gehört,“ lobt Manfred Thomas Plaumann, Geschäftsführer von Voco. „Für uns als Dentalhersteller mit eigener Forschung und Entwicklung ist die Dental Challenge von hoher Bedeutung, denn wir kommen hier in Kontakt mit den Experten der Zukunft.“
Quintessenz News, KN