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Biologisch-technische Grundlagen und klinische Resultate einer besonderen zahnerhaltenden Technik

Klinisches Bild auf Oberkieferfrontzähne, der Zahn in der MItte ist abgebrochen mit einem Loch in der Mitte und verletztem, leicht blutendem Zahnfleisch.

Palatinale Ansicht des Defekts mit eröffnetem Wurzelkanal und Gingivaproliferation am krestalen Defekt.

(c) Bild: PD Dr. Ralf Krug et al.

Präprothetische Maßnahmen zielen darauf ab, Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, einen erhaltungswürdigen Zahn mit tiefem oder ausgedehntem koronalen Defekt möglichst sicher und stabil versorgen zu können. Bei Frontzähnen und einwurzeligen Prämolaren kann hierzu die Technik der Zahnextrusion eine Alternative zur herkömmlichen Therapie der chirurgischen Kronenverlängerung sein. Die Autorengruppe um Priv.-Doz. Dr. Ralf Krug stellt in ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 6/2023 die biologischen Grundlagen und klinische Ergebnisse dieses Verfahrens vor. 

Bei korrekter technischer Umsetzung der Extrusion auf chirurgische Weise bietet diese immer noch als ungewöhnlich und speziell angesehene Technik einige wichtige Vorteile. Hierzu gehören die unmittelbare „Koronalverlagerung“ der Zahnwurzel in die gewünschte supragingivale Position, die optionale Rotation der Zahnwurzel mit Verlagerung des tiefsten Defekts in einen restaurativ einsehbaren Bereich und die Unversehrtheit der angrenzenden Weichgewebe. Nach der Einheilungsphase der Zahnwurzel schließt sich die laborgefertigte oder direkte Restauration der Zahnkrone an. In diesen Beitrag werden die biologischen Grundlagen, viele technische Hinweise und die zu erwartenden Resultate für die chirurgische Zahnextrusion mit Fokus auf ihre klinische Umsetzung in der Praxis vorgestellt.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Die Zahnextrusion ist eine klinisch praktikable Therapieoption für den Erhalt von schwer zu restaurierenden Zähnen im Front- und Prämolarenbereich, die einen ausgedehnten koronalen oder tiefen isolierten Defekt aufweisen. Derart betroffene Zähne können sowohl kariogen als auch traumatisch geschädigt worden sein, die Defekte liegen subgingival und können bis auf Höhe des krestalen Knochenniveaus reichen. Es gelingt in diesen Fällen kaum, einen präendodontischen Aufbau sicher trocken zu legen oder Kofferdam dicht anzuwenden. Zudem würden endodontische Maßnahmen nicht adäquat erfolgen können. Die restaurative Versorgung gestaltet sich bei direkten Kompositaufbauten wie auch bei Überkronungen kritisch. Die unmittelbare prothetische Restauration eines Zahns mit der genannten Defektlage würde das in der Literatur postulierte suprakrestale Gewebeattachment (früher bezeichnet als biologische Breite) zwischen Restaurationsrand und Limbus alveolaris unterschreiten. Chronische Entzündungen am krestal gelegenen Restaurationsrand wären die Folge. Zudem würde sich in diesem Fall bei einer Überkronung kaum ein ausreichendes Ferrule-Design von mindestens 2 Millimetern erzielen lassen. Aus diesen Gründen erscheint es sinnvoll, erhaltungswürdige Zähne mit subgingivalen oder krestalen Defekten in einer Art und Weise präprothetisch vorzubehandeln, dass unter Beachtung der biologischen Breite eine konventionelle stabile Restauration des geschädigten Zahns gelingen kann.

Bewährte präprothetische Techniken

Die chirurgische Kronenverlängerung gilt wohl als die klinisch etablierteste präprothetische Methode bei Zähnen mit massivem Zahnhartsubstanzverlust. Sie hat zum Ziel, den am Zahn befindlichen krestalen Knochen zu reduzieren, um einen Abstand von 2 bis 3 mm zwischen Limbus alveolaris und künftigem Restaurationsrand (unabhängig von der Restaurationsart) zu schaffen. Dies gewährleistet nach einer mehrwöchigen Phase der Abheilung der umliegenden Weichgewebe die Überkronung mit ausreichend dimensioniertem Ferrule-Design2,19. Zudem lassen sich damit durch Erhalt der biologischen Breite physiologische parodontale Verhältnisse wiederherstellen9.

Die Kronenverlängerung erfordert einen mikrochirurgischen Eingriff an den Weichgeweben, der stets mit einem Trauma der Papillen einhergeht. Hierbei muss zum einen der Erhalt der präoperativen Weichgewebearchitektur mit den ursprünglichen Papillenhöhen als kritisch angesehen werden. Zum anderen kann das postoperative Ergebnis hinsichtlich eines harmonischen Verlaufs der Gingiva mitunter nur schwer vorhergesagt werden17. Das Ausmaß an Veränderungen der operierten Gewebestrukturen wird wesentlich bestimmt vom mikrochirurgischen Können und der Technik des Operateurs sowie vom Biotyp der Gingiva22. Dünne Gingiva-Biotypen scheinen ein erhöhtes Risiko für Rezessionen und den Verlust an Papillenhöhe zu besitzen. Im ästhetisch relevanten Bereich hat diese Betrachtungsweise der roten Ästhetik im Detail stets einen hohen Stellenwert neben dem eigentlichen Ziel des Zahnerhalts2. Der Eingriff der Kronenverlängerung sollte daher in ästhetisch sensiblen Bereichen als präprothetische Maßnahme mit Bedacht gewählt werden.

Eine weitere etablierte präprothetische Technik ist die sogenannte kieferorthopädische oder forcierte Extrusion, die anhand unterschiedlicher Methoden (zum Beispiel Magnet oder Gummizug mit Kräften von bis zu 850 cN) durchgeführt werden kann. Sie ist jahrzehntelang bewährt, eine gern gewählte Behandlungsoption in der ästhetischen Zone und eine äußerst minimalinvasive Technik zur Extrusion der Zahnwurzel. In einigen Kasuistiken und einer aktuellen Übersichtsarbeit wurden die auf diese Weise erzielten positiven präprothetischen Resultate hervorgehoben1,3,4,6,10,21.

Biologische und technische Grundlagen der chirurgischen Zahnextrusion

Studienlage und biologische Aspekte

Die Technik der chirurgischen Zahnextrusion (intraalveoläre Transposition) ist bereits in den 1980er-Jahren eingehend beschrieben und klinisch untersucht worden23,11,12,24. Insbesondere bei verunfallten Kindern und Jugendlichen wurde gezeigt, dass schwer zu restaurierende Zähne nach dentalem Trauma wie zum Beispiel nach erlittener Kronen-Wurzelfraktur (Abb. 1 bis 4) durch die Technik der Zahnextrusion erhalten werden können7. In einer weiteren klinischen Studie wurde über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 3,1 Jahren ermittelt, dass von 51 zumeist massiv kariogen geschädigten und zur Extraktion überwiesenen Zähnen 92,2 Prozent durch die Zahnextrusion klinisch erfolgreich erhalten werden konnten13. In einem Fallbericht wurde der Erhalt eines verunfallten Frontzahns, der infolge einer erlittenen Kronen-Wurzelfraktur chirurgisch extrudiert wurde, dokumentiert und 16 Jahre später als ästhetischer und funktioneller Erfolg gewertet16. Das Evidenzlevel zu dieser Technik gilt dennoch aufgrund der wenigen Studien als gering. Eines der wenigen Reviews zur Zahnextrusion schließt acht Fallserien und 11 Fallberichte mit insgesamt 243 Zähnen ein8. Es wurde in keinem einzigen Fall eine Ersatzresorption als massive Schädigung des Parodonts nachgewiesen. Vielmehr zeigten sich die klinischen und röntgenologischen Anzeichen für die Ausbildung eines funktionell intakten parodontalen Ligaments, vereinzelt mit einer im Zahnfilm registrierten Veränderung der Wurzelkontur. Als unerwünschte Effekte traten zu 5 Prozent Zahnverlust, zu 3,7 Prozent marginaler Knochenverlust und zu 3,3 Prozent Anzeichen einer progressiven Wurzelresorption auf. Diese negativen Folgen können somit in Relation zu ihrem Schweregrad und der möglichen Gefährdung des Zahnerhalts auf eine geringe biologische Komplikationsrate nach einer technisch erfolgreich durchgeführter Zahnextrusion hindeuten.

Technische Grundlagen

Eine „Koronalverlagerung“ der Zahnwurzel durch Extrusion eignet sich insbesondere für Zähne mit weitgehend abgeschlossenem Wurzellängen- und -dickenwachstum sowie für den Fall, dass eine Vitalerhaltung der Pulpa weder möglich noch entscheidend ist. Bei der auch als intraalveoläre Transposition bekannten Technik wird die Zahnwurzel extrahiert, replantiert und in einer weiter koronal gelegenen Position fixiert2 (Abb. 5 und 6). Bei oberen Frontzähnen erscheint aufgrund des Unterschieds zwischen palatinalem und bukkalem Niveau von Gingiva und Alveolarknochen eine 180-Grad-Rotation der zu replantierenden Wurzel oftmals als nützlich (Abb. 7). Es genügt bei der Zahnextrusion meist eine axiale Verlagerung um wenige Millimeter, damit sich die Grenzen des Defekts anschließend sicher in supragingivalen Bereichen befinden. Die unmittelbare „Koronalverlagerung“ der Zahnwurzel mit ihrer Rotation kann als ein wichtiger Vorteil gegenüber einer mehrwöchigen kieferorthopädischen Extrusion angesehen werden. Es ist gemäß den von Elkhadem et al. im Jahr 2014 gesammelten Übersichtsdaten bekannt8, dass auf einer schonend mobilisierten und wenig traumatisch extrudierten Zahnwurzel kaum ein mechanischer Schaden auf der Wurzelzementschicht entsteht. Es zeigten sich gute parodontale Heilungsprozesse ohne Anzeichen einer Ankylose. Einer aktuellen Übersichtsarbeit zufolge, basierend auf 11 klinischen Studien, kann ein Behandlungserfolg mit parodontaler Heilung der Wurzel in 95 bis 100 Prozent der Fälle nach chirurgischer Extrusion erwartet werden20.

Zur chirurgischen Extrusion eignen sich prinzipiell Extraktionszangen, allerdings mag dies nur für Zähne mit ausreichend koronaler Zahnhartsubstanz und weitgehend rundem Wurzelquerschnitt schonend für das parodontale Ligament gelingen. Der forcierte Einsatz von Hebeln oder Luxationsbewegungen ist zu vermeiden, da diese zu parodontalen Schäden auf der Wurzeloberfläche führen können und somit die parodontale Heilung nach Replantation gefährden. Liegen jedoch tiefe oder ausgedehnte Defekte oder Zähne mit fehlendem Ansatzpunkt für die Zange sowie lange oder sehr ovale Wurzeln vor, bieten sich axiale Zugsysteme für die Extrusion an. Diese haben zudem den großen Vorteil, dass die Handhabung der mobilisierten Zahnwurzel durch die intrakanaläre Schraube deutlich vereinfacht wird und so auch eine unbeabsichtigte Kontamination der Wurzeloberfläche sicher vermieden werden kann. Etablierte Zugapparaturen sind zum Beispiel das Easy-X-Trac System (Easy X-Trac, A. Titan Instruments, USA) oder das Benex-System (Benex II Extractor, Helmut Zepf Medizintechnik; vgl. Abb. 6). Die Autoren verwenden das Benex-System, dessen Anwendung auch hinreichend wissenschaftlich dokumentiert ist25,13. Es ermöglicht die Übertragung von Zugkräften auf die Zahnwurzel, ohne die Alveole unnötig zu dehnen. Hierzu wird eine spezielle Schraube in den Wurzelkanal eingebracht und das Gewinde der Schraube für eine ausreichende Friktion fingerfest eingedreht (vgl. Abb. 5). An diese Schraube wird das jeweilige Zugsystem angelegt. Durch rein axial wirkende Zugkräfte werden traumatische Effekte auf Knochen und Wurzeloberfläche während der Zahnmobilisation minimiert. Gegebenenfalls können feine Luxatoren vorsichtig und unterstützend eingesetzt werden. Im Tiermodell wurde an extrahierten und wieder replantierten Zähnen mit ovalem Wurzelquerschnitt gezeigt, dass der Verlust von Zementoblasten auf der Wurzeloberfläche geringer ist, wenn ein axiales Zugsystem anstatt einer Extraktionszange verwendet wird18.

Es gibt viele erfolgsrelevante technische Aspekte für die möglichst minimaltraumatische Extrusion mit Zugsystem. Vorab sollte der Wurzelkanal koronal präpariert worden sein. Dies lässt sich mit üblichen Gates-Glidden-Bohrern oder maschinellen Nickel-Titan-Feilen mit Konizitäten von bis zu 9 Prozent (ProTaper SX 19 mm/Dentsply Sirona oder Hyflex CM 19 mm 08./25/Coltène) erzielen, deren Einsatz sich auf die koronale Erweiterung des oberen Wurzelkanaldrittels beschränkt. Anschließend kann im Wurzelkanal nach Anwendung eines speziellen Vorbohrers die intrakanaläre Verankerung einer Zugschraube erfolgen. Passend zu der Dimension des Vorbohrers gibt es eine formkongruente Zugschraube mit mehr oder minder tiefen Schneiden. Zugsysteme bieten den Vorteil einer langsam gesteuerten axialen Zahnmobilisierung, ob auf Basis eines Zugseilsystems über eine Umlenkrolle oder auf Basis einer Hebeltechnik. In jedem Falle ist eine Abstützung auf den benachbarten Zahnkronen idealerweise mithilfe eines Silikonschlüssels erforderlich. Die Zugschraube wird fingerfest mit einer Einbringhilfe im definiert erweiterten Wurzelkanallumen fixiert (Abb. 5). Bei Kronen-Wurzelfrakturen sollten verbliebene Bereiche zwischen der dünnsten Dentinwand und der in das Wurzelkanallumen auf Klemmpassung eingebrachten Zugschraube mit Flowable-Komposit aufgefüllt werden. Der Effekt dieser stabilisierenden Maßnahme sollte vor der Montage des Zugsystems taktil anhand eines strammen Sitzes der Zugschraube kontrolliert werden. Bis zum vollständigen Lösen aller Sharpey-Fasern und zur vertikalen Mobilität des Zahns sind 5 bis 10 Min. bei konstantem Extrusionszug einzuplanen. Für Zähne mit relativ langer Wurzel (Eckzähne), großer Wurzeloberfläche oder bei besonders fester Knochenstruktur kann sich die Extrusionszeit geringfügig verlängern. Während der Extrusion kann das vorsichtige Luxieren der Zahnwurzel über mehrere Sekunden mit feinen Hebeln im Approximalraum unterstützend angewendet werden. Generell sollte vorab die Form der Zahnwurzel anhand eines Zahnfilms ermittelt werden. Je geringer die Wurzel gekrümmt ist, umso eher und vor allem leichter kann die Extrusion durchgeführt werden. Das Handling der Extrusionssysteme lässt sich an zu extrahierenden, nicht erhaltungswürdigen Zahnwurzeln einüben. In einer klinischen Studie konnte eine hohe Erfolgsrate von 89 Prozent bei einwurzeligen Zähnen, die mithilfe des Benex-Systems minimalinvasiv extrahiert wurden, gezeigt werden25. Je öfter ein und dieselbe Zugschraube angewendet wurde, umso eher sollte sie nur für Zahnextraktionszwecke benutzt werden. Ein neuwertiger Zustand der Schraubenschneiden für eine optimale retentive Verankerung in der Zahnwurzel und Vermeidung von Wurzelfrakturen trägt zum Gelingen der Extrusion bei.

Prothetische Aspekte und Komplikationsrisiko

Tab. 1 Auflistung der 3 Standardtechniken mit Indikation und Kontraindikation sowie Vor- und Nachteilen.
Tab. 1 Auflistung der 3 Standardtechniken mit Indikation und Kontraindikation sowie Vor- und Nachteilen.
Als günstige Voraussetzungen für den Zahnerhaltversuch durch Extrusion gelten eine intakte, möglichst lange Wurzel und eine geschlossene Zahnreihe, die – falls endodontisch behandelt – keine Anzeichen einer Wurzellängsfraktur oder periapikaler Läsionsprozesse zeigt (Tab. 1). Neben der supragingivalen Lage des künftigen Restaurationsrands bestimmt in der Regel ein maximales Kronen-Wurzel-Verhältnis von 1:1 das Extrusionsausmaß. Zieht man einen Vergleich zu parodontal kompromittierten Zähnen, die nach Parodontaltherapie trotz geringem Restattachment durchaus eine hohe Erfolgsquote aufweisen14,15, lässt sich nachvollziehen, dass auch ein Zahn mit extrusionsbedingt reduzierter Wurzellänge den für gewöhnlich in der Mundhöhle auftretenden Kräften widersteht. Zumal in diesen Fällen aufgrund des weiter koronal lokalisierten Attachments geringere Hebelkräfte infolge schräger Belastung zu erwarten sind. Darüber hinaus soll hier angemerkt werden, dass die Erhöhung des Kronen-Wurzel-Verhältnisses bei der chirurgischen Extrusion geringer ausfällt als bei einer vergleichbaren chirurgischen Kronenverlängerung.

Bei korrekter technischer Anwendung der Extrusionstechnik sind technische und biologische Komplikationsraten gering, wobei Komplikationen in der Regel während der Extrusion auftreten (Scheitern der Mobilisation oder Fraktur der Wurzel). Das Auftreten von Wurzelresorptionen, die den langfristigen Zahnerhalt gefährden, kann als ein äußerst minimales Risiko angesehen werden.

Prozedere nach erfolgreicher Zahnextrusion

Die Schienungszeit beträgt aufgrund der Inkongruenz zwischen Alveole und Wurzelverlauf des koronal replantierten Zahns etwa sechs bis acht Wochen und fällt damit deutlich länger aus als bei einer unfallbedingten Avulsion (Abb. 8 und 9). Bei chirurgisch extrudierten Zähnen muss zeitnah die endodontische Behandlung erfolgen, um das Auftreten von infektionsbedingten Resorptionen oder apikalen Läsionsprozessen auszuschließen. Bei zweizeitiger endodontischer Therapie kann sie initial während der Phase der Schienung und anschließend unmittelbar nach Schienungsentfernung unter Kofferdam durchgeführt werden. In klinischen Studien wurde die gute Prognose der Extrusionstechnik bestätigt24,5,13. Restaurativ sind für die extrudierte Zahnwurzel zahlreiche Varianten denkbar, zum Beispiel der direkte Aufbau mit Komposit (Abb. 10 und 11), die Anfertigung eines Veneers oder die Überkronung. Um noch verzögerte, geringgradige Zahnpositionsveränderungen während der finalen Heilungsphase abzuwarten, erscheint es auch zweckmäßig, für die ersten drei Monate eine langzeitprovisorische Restauration anzufertigen.

Limitationen der Extrusion

Bei tief zerstörten Zähnen wird durch die Extrusion um zumeist 2 bis 3 mm zwar der Ferrule-Effekt wiederhergestellt, allerdings wird damit gleichzeitig auch das Kronen-Wurzel-Verhältnis nachteilig beeinflusst. Liegen physiologische Knochenverhältnisse vor, wird die Stabilität des Zahns für gewöhnlich nicht maßgeblich beeinträchtigt (Abb. 12). Hingegen steigt bei vorliegendem parodontalen Knochenverlust das Risiko des Zahnverlusts beträchtlich. Insbesondere bei größeren prothetischen Rekonstruktionen sollte die Wertigkeit eines extrudierten Pfeilerzahns kritisch beurteilt werden.

Fazit

Die chirurgische Extrusion der Zahnwurzel stellt eine präprothetische Alternative zur weitverbreiteten chirurgischen Kronenverlängerung dar, die den Verlauf der Gingiva verändert und oftmals ästhetische Nachteile mit sich bringt. Vor allem bei Zähnen nach dentalem Trauma mit Kronen-Wurzelfraktur von noch im Wachstum befindlichen Patienten oder bei bereits endodontisch behandelten Zähnen mit hohem koronalen Substanzverlust kann mit der Extrusion der Zahnerhalt auch in schwierigen Fällen gelingen. Die Literatur verweist auf überwiegend gute klinische Resultate mit geringen biologischen und technischen Komplikationsraten. Die technische Anwendung von axialen Zugsystemen erfordert eine Lernkurve. Der Zahnerhalter kann mit der Extrusion sein therapeutisches Spektrum erheblich erweitern und im Einzelfall eine besondere präprothetische Maßnahme vor der konventionellen Versorgung anwenden.

Ein Beitrag von Priv.-Doz. Dr. Ralf Krug, Prof. Dr. Gabriel Krastl, beide Würzburg, Dr. Annika Kröger und Prof. Dr. Thomas Dietrich, beide Birmingham

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 06/2023 Zahnmedizin

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