Forschende der Universität Zürich haben erstmals einen kompletten Atlas sämtlicher Zellen erstellt, die in menschlichen Zähnen vorkommen. Sie fanden heraus, dass sich Zahnmark und Zahnhalteapparat zellulär stark unterscheiden. Der Einzelzell-Atlas eröffnet neue Wege für zellbasierte zahnmedizinische Therapieansätze.
Originalpublikation:
Pierfrancesco Pagella, Laura de Vargas Roditi, Bernd Stadlinger, Andreas E. Moor, Thimios A. Mitsiadis. A single cell atlas of human teeth. ISCIENCE, 09. April 2021. Doi: 10.1016/j.isci.2021.102405
In den vergangenen 30 Jahren zog die medizinische und zahnmedizinische Forschung zahlreiche Wissenschaftler und Praktiker an, die mit genetischen und geweberegenerativen Ansätzen arbeiten. Die neuen Entwicklungen in der Stammzellforschung und der Gewebezüchtung brachten neue Einblicke und Ideen hervor, wie die klinische Praxis verbessert werden kann. Folgenden Themen beschäftigen die Forschungsgruppen: Wie lässt sich der Heilungsprozess verletzter Gewebe und Organe effektiv unterstützen? Kann verlorenes Gewebe regeneriert werden? Wie erstellt man solide Protokolle, die für alle Stammzelltherapien gelten?
Heterogene Zellen in Zahnmark und Halteapparat
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Thimios Mitsiadis, Professor am Institut für Orale Biologie der Universität Zürich, und Andreas Moor, Professor am Departement für Biosysteme und Ingenieurwissenschaften der ETH Zürich, hat nun den ersten Einzelzell-Atlas der menschlichen Zähne erstellt. Dank der Kombination von fortschrittlicher Sequenzierungstechnologie und moderner Zahnmedizin konnten die Forschenden jede einzelne Zelle unterscheiden, die Teil der Zahnpulpa und des Zahnhalteapparates ist. „Unsere Studie zeigt die genaue Zusammensetzung dieser beiden Gewebe. Beide sind anfällig für Karies und Parodontitis und enthalten gleichzeitig Stammzellen, die ein großes regeneratives Potenzial besitzen“, erklärt Pierfrancesco Pagella, einer der beiden Erstautoren und leitender Forscher in Team Mitsiadis.
Ähnliche Stammzellpopulationen
Die Studie zeigte, dass die Zelltypen im Zahnmark und im Halteapparat sehr heterogen sind. Überraschenderweise sind die molekularen Signaturen der Stammzellpopulationen jedoch sehr ähnlich. „Wir vermuten, dass das unterschiedliche Verhalten einzelner Zelltypen durch ihre jeweilige Umgebung hervorgerufen wird“, sagt Pagella. Die spezifische Zusammensetzung des zellulären Mikromilieus ist daher wohl verantwortlich für die großen funktionalen Unterschiede der Stammzellen in den verschiedenen Zahnkompartimenten.
Der neue Atlas stellt einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der komplexen, zellulären und molekularen Zusammensetzung des menschlichen Zahngewebes dar. Er hilft, die Interaktionen von Zahnpulpa- und Parodontalzellen besser zu verstehen, die an der Immunantwort auf bakterielle Angriffe beteiligt sind. „Die Einzelzell-Analyse könnte nicht nur für diagnostische Zwecke nützlich sein und die Früherkennung von Zahnerkrankungen unterstützen, sondern auch zur zellbasierten Regeneration von beschädigten Teilen der Zähne beitragen“, erklärt Letztautor Thimios Mitsiadis. Weitere Informationen gibt es hier.