Am 29. Februar, dem seltensten Tag des Kalenders, ist Tag der Seltenen Erkrankungen (er wird in Nichtschaltjahren auf den 28. Februar verschoben). Bei rund 15 Prozent aller Seltenen Erkrankungen zeigen sich Symptome im Gesicht oder im Mund. Zahnärzte können hier einen wichtigen Beitrag zur Diagnostik solcher Erkrankungen leisten: Sie sehen ihre Patienten besonders regelmäßig – und auf der anderen Seite dauert es im Durchschnitt sieben Jahre, bis eine Seltene Erkrankung als solche erkannt wird. Das bedeutet oft einen jahrelangen Leidensweg für die Patienten, denen im Frühstadium oft besser hätte geholfen werden können, so eine Meldung der Initiative proDente e.V.
„In Deutschland leben ungefähr vier Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. dent. Jochen Jackowski, Universität Witten/Herdecke. „Oft erleben sie einen Ärztemarathon und Fehldiagnosen, weil die Krankheitsbilder und Symptome in der täglichen Klinik nicht gegenwärtig sind.“ Laut Europäischer Union ist eine Krankheit „selten“, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Seltene Erkrankungen können schwerwiegend verlaufen und lebensbedrohlich sein. Manche führen zu einer dauerhaften Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Weltweit sind etwa 7.000 bis 8.000 Seltene Erkrankungen bekannt und in verschiedenen Datenbanken erfasst. Etwa 80 Prozent sind erblich bedingt. Sie sind schon bei Neugeborenen und Säuglingen erkennbar. Andere treten erst im Erwachsenenalter auf. Schätzungen gehen davon aus, dass der Anteil an Patienten mit Seltenen Erkrankungen im Jahr 2020 von 7 auf 10 Prozent ansteigen wird.
Zahnarzt kann zur Diagnose beitragen
Im Durchschnitt dauert es sieben Jahre, bis eine Seltene Erkrankung erkannt wird. Das kann für die Betroffenen eine lange Zeit sein. Liegt ein Verdacht auf eine Seltene Erkrankung vor, kann der Hausarzt unter Einbezug einer zahnärztlichen Untersuchung und Diagnostik an Fachärzte oder Universitätskliniken mit Zentren für Seltene Erkrankungen überweisen. So können Patienten umfassender untersucht und schwere Krankheitsverläufe eventuell rechtzeitig erkannt werden. 15 Prozent aller Seltenen Erkrankungen äußern sich durch Symptome im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich. Daher können regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt auch dazu beitragen, eine Seltene Erkrankung aufzudecken oder vorhandene Symptome einer möglichen Seltenen Erkrankung zuzuordnen. So sind zum Beispiel Zahnanomalien für die Diagnose Seltener Erkrankungen des Nervensystems von Kindern ein entscheidendes Kriterium. Leicht erkennbare Hinweise sind Veränderungen der Zahnform, der Zahnfarbe, des Zahnschmelzes, der Zahnanzahl sowie des Zahndurchbruchs. Zahnveränderungen und frühzeitiger Zahnverlust können aber auch auf eine Störung der Knochenmineralisation, die sogenannte Hypophosphatasie, hindeuten.
Systemische Sklerodermie: Zungenbändchen ist verändert
Eines der frühesten Symptome dieser rheumatischen Autoimmunerkrankung, die zu einer Verhärtung des Bindegewebes führt, ist ein verkürztes und verdicktes Zungenbändchen (Skleroglosson). Zudem kann der Parodontalspalt, also der Raum zwischen dem zahnumgebenden Knochen und der Zahnwurzel, gleichmäßig erweitert sein. Das sogenannte sekundäre Raynaud-Syndrom ist ein weiteres Frühsymptom, das bei nahezu allen Sklerodermie-Patienten auftritt. Die vom Rumpf am weitesten entfernten Körperteile, allen voran die Finger, werden durch Kältereize krampfartig weiß oder lila. Die Blutgefäße ziehen sich krankheitsbedingt zusammen und lassen keine Durchblutung mehr zu. Die nachfolgende Wiederdurchblutung kann dann sehr schmerzhaft sein. Das Problem dieser Raynaud-Attacken besteht darin, dass sich an den Fingern oder Zehen aufgrund der Minderdurchblutung abgestorbenes Gewebe (Nekrose) bilden kann. Das kann sehr schmerzhaft sein und sogar zur Amputation führen. „Alle diese Symptome können der eigentlichen Diagnose zum Teil um Jahre vorauseilen“, verdeutlicht Jackowski. Später kommt es zu einer fortschreitenden Sklerosierung der Haut. Im Bereich des Gesichts sind dadurch Mimik und Mundöffnung eingeschränkt. Letzteres führt zu Schwierigkeiten beim Essen und Trinken sowie bei der Mundhygiene. Weitere Informationen gibt es zum Beispiel beim Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE).
Einen Beitrag zur seltenen orofazialen Granulomatose lesen Sie hier: „Diagnostik und Therapie der orofazialen Granulomatose“